2024-05-10T08:19:16.237Z

Interview
Foto: Eibner-Pressefoto
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Joe Enochs: »Ein neuer Weg wird eingeschlagen«

Der 52-jährige US-Amerikaner geht in seine erste volle Saison als Trainer des SSV Jahn Regensburg

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Joe Enochs, seit Mai Chef-Trainer des SSV Jahn Regensburg, erscheint täglich als Erster am Trainingsgelände am Kaulbachweg. Vor der Arbeit versucht er sich selbst im Funktionsgebäude der Profis fit zu halten. Harte Arbeit und Leidenschaft haben ihm im Fußball, sowohl als Spieler als auch als Trainer, weit gebracht. Ein eher untypischer Karriereweg für einen US-Amerikaner zur damaligen Zeit. Die Sportbegeisterung des 52-Jährigen spürt man in jedem Augenblick. Als Chef-Trainer des Regensburger Drittligisten geht er nun in seine erste volle Saison.

Der neue Jahn-Coach ist im kalifornischen Petaluma geboren. Seine Begeisterung für den Fußball führte ihn in den 90er Jahren nach Deutschland. Mit Vereinstreue avancierte Enochs beim VfL Osnabrück zum Rekordspieler und zur Vereinslegende. Ein besonderes Tor blieb dabei nachhaltig im Gedächtnis. Nach den Trainerstationen in Osnabrück und Zwickau ist Enochs nun in Regensburg beim SSV Jahn gelandet.


Fußball oder Soccer?
Joe Enochs (52):
Fußball. In den USA bin ich mit Soccer aufgewachsen, aber als ich nach Deutschland gekommen bin, habe ich mich schnell angepasst (schmunzelt).


Geboren und aufgewachsen bist Du in Pentaluma in den Vereinigten Staaten. Wie kommt man im sonnigen Kalifornien zum Fußball? Was hat deine Begeisterung ausgelöst?
Es ist typisch, dort neben den anderen beliebten Sportarten auch mit dem Fußball anzufangen. Basketball und Baseball konnte man mit Fußball kombinieren und gleichzeitig spielen. American Football fing man dort erst später an. Damals hatte ich meine Eltern als Trainer und etwas später einen Peruaner, Andy Biselach, dessen Vorfahren aus Deutschland kamen. Seine Kinder spielten mit uns und er war wirklich ein guter Trainer. Mein Bruder ist beispielsweise zur Highschool zum American Football gewechselt. Ich bin dann einfach immer beim Fußball geblieben, auch weil wir damit sehr erfolgreich waren.


Du bist mittlerweile seit über 30 Jahren in Deutschland, hast in Osnabrück Deine Frau kennengelernt. Würdest Du sagen, Deutschland ist deine Heimat? Wie viel Amerikaner steckt mittlerweile noch in Dir?
Ich fühle mich noch sehr als Amerikaner und besitze den Pass der USA. Wirklich Heimat ist für mich dort, wo meine Familie ist. Wenn ich in Kalifornien bei meiner Familie bin, fühle ich mich dort zuhause. Aber auch in Deutschland fühle ich mich sehr wohl und wir haben uns frühzeitig entschieden, hier zu bleiben. Ich bin offen für alles, aber Deutschland hat mir sehr viel gegeben und ich bin dankbar, dass ich hier sein darf. Auch hier in Regensburg verfolge ich aus großer Leidenschaft und Sportbegeisterung Baseball, Basketball und Football. Auch andere Traditionen wie Thanksgiving oder Halloween feiere ich mit meiner Familie hier in Deutschland. Aufgrund der vergangenen Weltmeisterschaft 2022 in Katar konnte ich erstmals seit 30 Jahren Thanksgiving in den USA bei meiner Familie feiern. Manche Traditionen will ich nicht loslassen und möchte ich auch hier in Deutschland beibehalten.


Nach Deiner aktiven Karriere hattest Du noch lange nicht genug vom Fußball, hast Dich zum Fußball-Lehrer ausbilden lassen und bist ins NLZ von Osnabrück gewechselt. Was hat Dich motiviert, weiter im Fußballgeschäft zu bleiben? Warum wolltest Du Trainer werden? Hattest Du ein Trainer-Vorbild, dem Du nachgeeifert hast?
Meine Familie war nicht nur schon immer sportbegeistert, sondern sie waren auch leidenschaftliche Trainer. Mein Bruder und meine Schwester trainieren immer noch Baseballmannschaften. Meine Eltern sind immer wieder als Trainer eingesprungen. Meine Mutter ist definitiv ein Vorbild in vielen Aspekten. Ich hatte viele gute Trainer, nicht nur wenn wir erfolgreich waren, sondern vor allem menschlich hervorragend. Von allen habe ich etwas mitgenommen. Ich Liebe diesen Sport einfach und bin dem VfL Osnabrück sehr dankbar, dass sie mir ermöglicht haben, dort meine Lizenzen zu erwerben. Neben den theoretischen Lehrgängen konnte ich im Nachwuchsleistungszentrum mein Wissen direkt praktisch anwenden.


Mittlerweile bist Du seit 15 Jahren im Trainergeschäft und man hört immer wieder heraus, dass Dir die menschliche Komponente sehr wichtig ist. Wie würdest Du Deinen Coaching-Stil beschreiben?
Es ist entscheidend, wie man mit den Menschen umgeht. Dieser respektvolle und menschliche Umgang mit den Spielern ist mir sehr wichtig. Manche Spieler sehen das vielleicht anders (lacht laut). Nein, Spaß beiseite, ich versuche aus meiner Erfahrung als Spieler viel mitzunehmen. Mein Job ist es auch Fehler aufzuzeigen und Spieler zu enttäuschen, die ich nicht aufstellen oder in den Kader berufen kann. Da ist mir die Art und Weise immer sehr wichtig. Ich glaube schon, dass es mein Coaching-Stil ist, den Menschen mitzunehmen und in den Vordergrund zu stellen. Ich bin sehr ehrgeizig und will möglichst alle Spiele gewinnen, dabei will ich darauf achten, dass ich es respektvoll vermittle.


Du gehst nach drei Spielen in der vergangenen Saison nun in Deine erste volle Spielzeit mit dem SSV Jahn und hast nun einen völlig veränderten Kader. Wie sehr warst Du in die Kaderplanung und -gestaltung involviert? Nach welchen Prinzipien habt Ihr Spieler rekrutiert? Bist Du zufrieden mit der Kaderzusammenstellung?
Viele Spieler haben sich dazu entschieden, den Verein zu verlassen. Natürlich hätten wir den ein oder anderen gerne von einem Verbleib überzeugt. Im Nachhinein ist es aber gut, dass es einen solchen Umbruch gegeben hat und alle Spieler, die geblieben sind, auch bewusst geblieben sind, wie Bene Saller, Christian Viet, Konrad Faber, Oscar Schönfelder und Alexander Weidinger. Nun wird ein neuer Weg eingeschlagen, den wir ohne den Rucksack "Abstieg" bestreiten wollen. Natürlich macht ein solcher Umbruch die Herausforderung nicht leichter, allerdings ist er vielleicht, vor allem mental, notwendig gewesen. Ich war jeden Tag seit dem Saisonende damit beschäftigt, Gespräche zu füh-en. Die enge Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen war besonders wichtig. Ich hatte insgesamt sechs Tage Urlaub und war in dieser Zeit bestimmt zwei, drei Stunden täglich am Telefon. Es war eine sehr intensive Zeit. Letztendlich haben wir bei der Kadergestaltung die Prinzipien des Vereins umgesetzt - ambitioniert, bodenständig und glaubwürdig. Jede Position wollten wir doppelt, aber mit unterschiedlichen Spielertypen besetzen. Zudem war es wichtig, dass auch die Charaktere zum Verein und zueinander passen, damit sie schnell zu einer Mannschaft werden.

Das ist uns gut gelungen. Jetzt gilt es noch enger zusammenzuwachsen und zu einer Mannschaft zu werden. Der Grundstein wurde dabei im Trainingslager in Bad Gögging gelegt, wo wir hervorragende Bedingungen vorgefunden haben. Ich freue mich darauf, gemeinsam mit der Mannschaft tagtäglich zu arbeiten und so erfolgreich wie möglich in diese Drittliga-Saison zu starten.


Das gesamte Interview ist hier in der multimedialen Ausgabe der Jahnzeit zu lesen.

Aufrufe: 013.9.2023, 12:45 Uhr
Alexander GschlösslAutor