
Welche Rolle spielen die Talente Lennart Karl und Tarek Buchmann in der nächsten Saison beim FC Bayern II? Das Interview mit U23-Trainer Holger Seitz.
München – Nach dem Last-Minute-Sieg gegen den FC Augsburg II zum Auftakt freut sich die zweite Mannschaft des FC Bayern München auf das erste Heimspiel gegen den TSV Buchbach. Vor dem Duell gegen den letztjährigen Vize-Meister spricht U23-Trainer Holger Seitz im Interview mit Fussball Vorort/FuPa Oberbayern über die Rückkehr von Benno Schmitz, Neuzugang Anton Heinz, den lange verletzten Tarek Buchmann und den Hype um Top-Talent Lennart Karl. Außerdem ordnet der 50-Jährige die von der Konkurrenz ausgerufene Favoritenrolle im Kampf um den Aufstieg in die 3. Liga ein.
Am Freitag kommt der letztjährige Vize-Meister ins Grünwalder Stadion. Trauen Sie dem TSV Buchbach wieder eine so starke Saison zu?
Holger Seitz: Dass sie so weit vorne landen, konnte man nicht vorhersehen, auch wenn man es mit Blick auf den Kader oder Trainer auch nicht ausschließen konnte. Die Buchbacher haben extrem kontinuierlich auf einem sehr hohen Niveau gespielt. Ich glaube, man muss sie auch in dieser Saison im vorderen Drittel einplanen.
„Er ist einer von uns und hat nie den Bezug nach München verloren.“
Holger Seitz über die Rückkehr von Benno Schmitz.
Benno Schmitz steht vor seinem Heimdebüt. Wie hat ihn der FC Bayern von einer Rückkehr überzeugen können?
Benno ist ja kein Unbekannter. Er war ja damals bei dem brutalen Relegations-Spiel gegen Fortuna Köln (der FCB II scheiterte 2014 dramatisch gegen Fortuna Köln am Aufstieg in die 3. Liga, Anm. d. Red.) dabei. Er ist einer von uns und hat nie den Bezug nach München verloren. Wir haben super Gespräche geführt. Es ist für beide Seiten eine Win-Win-Situation. Er ist bei Bayern München groß geworden und hat später große Erfolge gefeiert. Das passt einfach, deshalb war schnell klar, dass wir und er das machen werden.
Wie ist der FC Bayern auf Anton Heinz aufmerksam geworden?
Wir haben nach einem Offensivspieler Ausschau gehalten, der Tore machen kann und unter Stress oder in Drucksituationen performt. Es waren ein paar Spieler in der engeren Auswahl. Wir haben uns dann auf Toni geeinigt. Wir hoffen, dass er so eine gute Quote wie im Aachener Aufstiegsjahr auch bei uns auf den Platz bekommt.
Ein bisschen wie bei „Otschi“ Wriedt, der 2017 kam und Tore am Fließband erzielt hat?
Das war der Plan dahinter. Otschis Entwicklung war damals auch noch nicht abgeschlossen. Wir trauen Toni zu, dass er einen ähnlichen Weg geht. Wir sehen bei ihm Potenzial, das wir ihn noch besser machen können, obwohl er schon viel Erfahrung, viele Erfolge und Tore mitbringt. Es hilft uns, dass wir vorne einen Zielspieler haben, der Tore machen und Spiele entscheiden kann.
Es gibt noch ein paar andere spannende Namen am Campus. Wie geht es Tarek Buchmann nach seiner Verletzung?
Er hat in der Vorbereitung teilintegriert mitgemacht. Das lief absolut reibungslos. Später hat er das Training voll aktiv mitmachen können und seine Spiele gehabt. Zunächst über 15 Minuten, das konnten wir jetzt bis auf über 60 Minuten beim Auftakt in Augsburg steigern. Wir bauen ihn auf. Er ist ein Profispieler und wird dort im Training mit dabei sein. Die Entwicklung passt. Er hat wirklich sehr viel Pech gehabt. Die Schulterverletzung war maximal unglücklich, ist aber verheilt. Ich traue ihm nach wie vor alles zu. Tarek ist so schlau und spielintelligent, dass er sehr schnell wieder in die Spur finden kann. Und dann stehen ihm alle Türen oben offen. Es ist ein Prozess und er darf am Anfang nicht zu viel erwarten. Wir werden ihn Schritt für Schritt zu seiner absoluten Topform hinentwickeln.
„Das gehört mit dazu. Das müssen die Spieler einfach erlernen.“
Holger Seitz über den Hype um Lennart Karl.
Ein weiterer Name ist Lennart Karl. Darf sich die Regionalliga auf ihn freuen?
Das wird die Zeit zeigen. Er war mit den Profis bei der Klub-Weltmeisterschaft dabei. Ich kann jeden verstehen, der sich freut, wenn er Lennart Karl Fußballspielen sieht. Lennart macht genauso Spaß, wie einige andere, die aktuell nicht ganz so im Fokus stehen. Die Talententwicklung am Campus läuft auf Hochtouren, und Lennart ist einer von denen, die besonders spannend sind.
Was sagen Sie zum Hype um ihn?
Das gehört dazu. Das müssen die Spieler einfach erlernen. Lennart hat mit Michael Ballack einen absoluten Vollprofi an seiner Seite. Daher habe ich keine Bedenken, dass er mit der Situation und der medialen Präsenz nicht umgehen kann. Er hat permanent gezeigt, dass er versteht, worauf es ankommt. Er hat in der U17, der Youth League und der Junioren-Nationalmannschaft Spiele entschieden. Die mediale Präsenz hängt ja damit zusammen, dass er performt. Wir müssen alle die Situation so akzeptieren und das Ganze vielleicht sogar positiv sehen.
Welche Rolle wird er kommende Saison beim FC Bayern spielen?
Das obliegt dem Profi-Trainer-Team. Ich weiß, dass sie sehr genau hinschauen. Christoph Freund, Markus Weinzierl sowie Vincent Kompany und sein Team werden dann situativ entscheiden, wo Lennart am Wochenende eingesetzt wird. Er hat bei den Profis auf sich aufmerksam gemacht. Bei dem Potenzial, das er hat, wird es die Zeit zeigen. Es ist schwer planbar und hängt davon ab, wie er sich entwickelt. Bei Joshua Zirkzee war es ähnlich. Dort wurde in der jeweiligen Woche entschieden, wo er seine Spielzeiten bekommt.
Viele Konkurrenten trauen der U23 die Meisterschaft zu. Wie gehen Sie damit um?
Klar haben wir das mitbekommen, aber das ändert nichts an meiner Aufgabe, die Jungs weiterzuentwickeln und besser zu machen. Wenn man die Fakten anschaut, sind wir ganz vorne dabei, was das Herausbringen von Erstligaspielern angeht. Fast jedes zweite Talent unserer Campus-Absolventen etabliert sich nachhaltig in einer Profiliga! Das ist ein überragender Wert. Das ist unser Job und das treibt uns auch an.
„Das Gewinnen steht am Wochenende immer an erster Stelle.“
Holger Seitz über die DNA des FC Bayern.
Trotzdem ist bekannt, dass Sie und der FC Bayern jedes Spiel gewinnen wollen.
Genau, das ist unsere Ausbildung. Das Gewinnen steht am Wochenende immer an erster Stelle. Wir haben eine klare Identität, wollen das Spiel kontrollieren, mutig sein und in der Defensive nach vorne verteidigen. Wenn die Jungs einen Flow haben, können wir in der Liga jede Mannschaft schlagen.
Wo sehen Sie Probleme?
Unser Thema wird werden, dass wir die Diskrepanzen zwischen der guten Leistung und den schlechten Tagen möglichst geringhalten. Ich bin lange genug in dem Altersbereich unterwegs und weiß, dass die Jungs aufgrund ihres Alters an komplizierten Tagen inkonstant spielen können, weil sie noch nicht auf so viel Erfahrungsschatz zugreifen können. Dann wird es spannend. Meistens war es im Verlauf der Saison so, dass wir uns stabilisiert haben.
„Natürlich wehrt sich keiner gegen die 3. Liga.“
Holger Seitz
2019 sind Sie Meister geworden und aufgestiegen. Wäre es für die Talente perspektivisch nicht besser, sich in der 3. Liga empfehlen zu können?
Das ist eine Frage der Strategie. Wir spielen mit einer verstärkten A-Jugend-Mannschaft und geben ihnen früher das Erlebnis, im Herrenbereich unterwegs zu sein. Nehmen wir Matteo Vinlöf. Er hat nie 3. Liga bei uns gespielt und ist von unserer jungen Amateur-Mannschaft zur Austria nach Wien in die 1. Liga Österreichs. Den Weg, den Matteo genommen hat, hätte er in der 3. Liga nicht genommen. Natürlich wehrt sich keiner gegen die 3. Liga. Wenn wir aufsteigen würden, dann gehen wir das genauso an, wie jetzt in der Regionalliga. Aber das ist kein Thema. Wenn wir gut ins Spiel finden, wenn wir unseren Flow entwickeln, können wir in der Liga jeden Gegner schlagen. Das Entscheidende ist, wenn das Team eine Selbstverständlichkeit entwickelt und versteht, wie Spiele gewonnen werden, auch an einem schlechten Tag. An einem schlechten Tag kann uns jede Mannschaft in der Liga besiegen. Und das ist die Spannweite. Wenn wir uns gut entwickeln, die Jungs fleißig sind und an ihren Themen arbeiten, traue ich uns alles zu. Das ist ja nichts Neues. Das war letztes Jahr nicht anders mit dem zweiten Tabellenplatz im Winter.
Das eine schließt das andere ja nicht aus. Wenn ein Spieler so gut ist, kann man ja trotz Dritter Liga sagen: “Geh da hin, das ist viel besser für dich.”
Es gibt Argumente für beide Herangehensweisen. Wir haben in den letzten Jahren gezeigt, dass die Strategie voll aufgegangen ist. Beides hat eine Daseinsberechtigung. Mit der Drittliga–Zugehörigkeit würde sich die Kader-Zusammenstellung verändern. Aber genauso vertretbar ist der Weg, den wir zuletzt gegangen sind. Deswegen ist es auch nicht die Vorgabe, in die dritte Liga aufzusteigen.