2024-05-17T14:19:24.476Z

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– Foto: Verein

Heinbockels Spaßtruppe legt großen Wert auf die dritte Halbzeit

"Das Mannschaftsgefühl und das -Gefüge sterben aus. Ich habe das Gefühl, dass die Mädels heutzutage etwas geboten bekommen müssen."

Aus einer Schnapsidee ist beim SuSV Heinbockel eine Frauenmannschaft entstanden. Fußballerinnen und Trainerin teilen nicht nur die Freude an der dritten Halbzeit, sondern auch die Vorfreude auf das Auftaktspiel der Deutschen.

Ob sie am Montagmorgen das erste Spiel des deutschen Teams bei der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen verfolgen wird? "Auf jeden Fall", sagt Silke Koslowski, Obfrau und Trainerin der Frauenfußballmannschaft des SuSV Heinbockel. Sie verfolgt nicht nur gerne Frauenfußball, sondern steht auch gerne selbst auf dem Platz, wenn in ihrem Team Personalnot herrscht.

Aus ihren vorherigen Stationen Burweg und Oste/Oldendorf weiß Koslowski, wie schwer es sein kann, eine Frauenmannschaft am Laufen zu halten: "Das ist ein enormer Aufwand." Dennoch bringt sie gemeinsam mit Julia Klinger und Chantal Kück im Jahr 2020, beim SuSV eine Frauenmannschaft an den Start. "Eigentlich war es eine Schnapsidee", sagt Koslowski.

Die Frauen verbindet die dritte Halbzeit

Dass plötzlich ein bunter Haufen aus 40 Frauen auf dem Platz steht und mitmachen will, überrascht. Inzwischen ist der Kader nur noch 22 Spielerinnen groß, die wenigsten sind regelmäßig da: "Wir sind froh, wenn wir ein Team zusammenkriegen", sagt Koslowski. Sportlich sprang in der vergangenen Saison der 1. Kreisklasse der dritte Platz heraus. "Durch die Siege hat es umso mehr Spaß gemacht", sagt Koslowski.

Das Team verbindet vor allem eines: "Die dritte Halbzeit macht uns aus, das muss man schon sagen", sagt Koslowski. Dabei ginge es weniger um den Alkoholkonsum, sondern vielmehr um das gemeinsame Feiern und Beisammensein. Das verbinde die Truppe, die ziemlich bunt zusammengewürfelt sei. Gerade beim Alter macht sich das bemerkbar: Die Spielerinnen sind zwischen 21 und 54 Jahre alt.

Silke Koslowski schätzt die Situation des Frauenfußballs als schwierig ein: "Das Mannschaftsgefühl und das -Gefüge sterben aus. Ich habe das Gefühl, dass die Mädels heutzutage etwas geboten bekommen müssen." Das schlage sich in mehreren Aspekten nieder: Beispielsweise kümmere sich kaum noch jemand um den Aufbau der Tore vor dem Spiel. Zu Auswärtsspielen treffe man sich immer weniger am Sportplatz, die meisten reisen direkt zu den Spielen. "Den schweren Arztkoffer darf dann ich tragen", sagt Koslowski.

Extremer Personalmangel durch Arbeit, Kinder, Studium

Auch der Personalmangel verschlimmere sich im Team des SuSV. Des Öfteren muss die Trainerin auf dem Platz stehen. Die Prioritäten würden heute schlichtweg anders gesetzt. "Frauen haben zu Hause einfach mehr Verpflichtungen, deswegen bleibt auch weniger Zeit für die Spiele", sagt Koslowski. Auch für Spielerinnen mit Kindern sei der Spagat schwierig und es gebe eine gewisse Verletzungsangst: "Dein kleines Kind kannst du mit einem Kreuzbandriss schlecht durch die Gegend tragen." Viele Spielerinnen hätten so nur phasenweise Zeit für Fußball.

Eine ihrer Spielerinnen kennt das Problem: Katharina Jarck ist zwar keine Mutter, ihr Medizinstudium verlangt ihr allerdings einiges an Zeit ab. "Aktuell habe ich kaum Zeit für etwas anderes", sagt Katharina Jarck. Für die vielen Ausfälle in ihrem Team sei aber beispielsweise auch die Arbeit verantwortlich: "Auch wer im Schichtdienst arbeitet, kann nur phasenweise dabei sein."

Als kleines Kind spielte sie ein Jahr lang Fußball. Damals begeistern sie vor allem der HSV und Spieler wie van der Vaart oder Boateng. Danach widmete sich anderen Sportarten. Seit einem Jahr kickt sie nun beim SuSV. "Ich wurde angesprochen, ob ich nicht einfach mal reinschnuppern will." Sie sei nun mehr oder weniger hängen geblieben, so Jarck. Sie schaut sich heute lieber Frauen- als Männerfußball an: "Den HSV von vor 20 Jahren hätte ich mir lieber angeschaut, aber das ist bei den Männern alles nicht mehr dasselbe", sagt Jarck. Es werde zu viel gejammert, das sei bei den Frauen anders.

Geizigkeit des Fernsehens stört die Zuschauerin

Weil sie das Studium gerade stark fordert, wird sie die Spiele des deutschen Nationalteams bei der Frauen-WM nicht verfolgen können. Eine Sache stört sie in Bezug auf die Weltmeisterschaft besonders: "Mich nervt es, dass die Frauen-WM vom Fernsehen als zu teuer angesehen wird." Zur Einordnung: ARD und ZDF waren lange nicht bereit, mehr als zehn Millionen Euro für die Übertragungsrechte zu zahlen. Geboten hatten sie lange fünf bis sechs Millionen Euro. Es wurde spekuliert, dass die Weltmeisterschaft in Deutschland nicht im Fernsehen zu sehen sein würde. Am Ende schlugen ARD und ZDF dann doch zu.

Trainerin Kosloswski freut sich, dass die WM im Free-TV zu sehen ist. "Es ist schade, dass man sonst recht wenig Frauenfußball verfolgen kann." Sie wird das erste Gruppenspiel der Deutschen gegen Marokko am Montagmorgen mit ihrer Tochter schauen, die sich ebenfalls brennend für die Weltmeisterschaft interessiere. Und doch, Koslowski schaut lieber den Männern beim Spielen zu: "Es ist einfach etwas anderes." Sie, die Trainerin, sieht dann viele Dinge, die man vom Spiel der Männer hinsichtlich Stellungsspiel und Spielverständnis lernen könne.

Am Montag (10.30 Uhr) hoffen die DFB-Frauen auf einen besseren Start in die WM, als ihn die Männer in Katar hatten - zu sehen im ZDF.

Aufrufe: 023.7.2023, 20:00 Uhr
Tageblatt / Tom StahmannAutor