2024-05-17T14:19:24.476Z

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Entscheidungsspiel um die C-Liga-Vizemeisterschaft in Wiesbaden. Obwohl manche Schiedsrichter auch sehr tiefklassige Spiele pfeifen, greifen sie auf immer mehr technische Hilfsmittel zurück. So wie hier beim Duell zwischen dem SC Gräselberg II und der TSG Kastel 46 II.
Entscheidungsspiel um die C-Liga-Vizemeisterschaft in Wiesbaden. Obwohl manche Schiedsrichter auch sehr tiefklassige Spiele pfeifen, greifen sie auf immer mehr technische Hilfsmittel zurück. So wie hier beim Duell zwischen dem SC Gräselberg II und der TSG Kastel 46 II. – Foto: Willi Roth - Archiv

Headsets im Schiedsrichterwesen der Amateurligen - Fluch oder Segen?

Seit mehreren Jahren entwickeln sich die Schiedsrichter in allen Regionen weiter +++ Doch führen diese technischen Gadgets zur Verbesserung der Leistung auf dem Platz?

Region. Ein Spielleiter in der A-Klasse läuft mit seinen beiden Assistenten mit Headset aufs Feld. Vor vier Jahren wäre dies noch nahezu undenkbar gewesen. Doch heute ist es im Amateurbereich keine Seltenheit mehr. Die technische Unterstützung gehört für Unparteiische mittlerweile auf beiden Rheinseiten schon fast zum Normalbetrieb. Doch die Meinungen gehen an einigen Stellen noch auseinander. Sollten junge Schiedsrichter bereits mit Headsets beginnen? Oder sollten erst erfahrene Schiedsrichter die Möglichkeit erhalten mit technischer Unterstützung zu pfeifen? Schiedsrichter aus der Region ordnen den aktuellen Stand für uns ein.

Eine kostenintensive Anschaffung

Aktuell kostet ein Headset für den Schiedsrichtergebrauch zwischen 500 und 3000 Euro. Die billigsten nutzbaren Varianten seien laut Verbandsliga-Schiedsrichter und Lehrwart der Schiedsrichtervereinigung Wiesbaden Dennis Jantz jedoch nicht unbedingt zu empfehlen. Die hohen Kosten sind für die meisten Referees in den Amateurligen eine große Herausforderung. Doch immer mehr Spielleiter sind bereit, sich ein solches Headset anzuschaffen und dabei auch tiefer in die Tasche zu greifen.

Dennis Jantz weiß, warum die Tendenz der Schiedsrichter aus der Region mit Headset steigend ist: "Einige Vereine nutzen die Chance, ihren Schiedsrichtern den nächsten Schritt zu ermöglichen. Ambitionierte Referees bekommen eine finanzielle Unterstützung bei der Anschaffung. Doch es gibt ebenso Vereine, wo ein finanzieller Support nicht möglich ist."

Headset auf Hartplatz: Im Amateurfußball kommt es immer verstärkter zum Kontrast zwischen Old School und Moderne. So wie hier beim auf Asche ausgetragenen Verbandspokal-Spiel zwischen Hassia Bingen und der SG Eintracht Bad Kreuznach.
Headset auf Hartplatz: Im Amateurfußball kommt es immer verstärkter zum Kontrast zwischen Old School und Moderne. So wie hier beim auf Asche ausgetragenen Verbandspokal-Spiel zwischen Hassia Bingen und der SG Eintracht Bad Kreuznach. – Foto: Mario Luge - Archiv

Auch aufgrund der teuren Kosten sorge das Headset bei vielen Schiedsrichtern aktuell noch für einen Zwiespalt, erklärt Jantz. Auch er selbst sehe beide Seiten der Medaille: "Die Anschaffung eines teuren Headsets macht aus einem Referee nicht per se einen besseren Spielleiter", betont der Wiesbadener Lehrwart, "vielmehr ist es eine geschulte und professionelle Nutzung, die die Voraussetzung für eine Verbesserung der Leistung auf dem Platz ist. Es hängt definitiv von der Ausbildung des gesamten Teams ab. Denn, wenn nicht Schiedsrichter und beide Assistenten wissen, wie man mit einem Headset umgeht, verpufft die gesamte Wirkung", erläutert der erfahrene Referee.

Ein Trend der letzten Jahre

Trotzdem nahmen in den letzten Jahren die Anschaffungen von Headsets in nahezu allen Ligen der Region zu. Hüseyin Dogan, Kreisschiedsrichterlehrwart aus Mainz-Bingen, erkennt die gleichen Vor- und Nachteile wie sein Kollege Dennis Jantz. Im Gespräch nennt er uns seinen geheimen Trick für Anschaffung der technischen Unterstützung: "Einfaches Beispiel: Eine Funkfahne in Deutschland kostet 750 Euro. Ich habe meine in der Türkei für 200 Euro gekauft und sie funktioniert genau so gut", schmunzelt der Mainzer Referee. Auch bei den Headsets sei eine solche Lösung möglich. Der Mainzer betont, dass ein Headset jedoch keineswegs nur Vorteile mit sich bringt. "Es ist definitiv eine Gewöhnungssache", erläutert Dogan, "das Headset kann deiner Leistungsfähigkeit auch schaden. Beispielsweise pfeifst du gerade dein drittes Spiel als Assistent und bist so mit dem Spiel beschäftigt, dass du mit deinem Hauptschiedsrichter gar nicht kommunizierst. Ein Headset ist definitiv hilfreich, aber man muss wissen, wie man es einsetzt."

Eine frühzeitige Anschaffung ist nicht zu empfehlen

Obwohl Lars Tautz erst 19 Jahre alt ist, kann der Schiedsrichter bereits auf sieben Jahre Erfahrung an der Pfeife zurückblicken. In dieser Saison wurde der Referee des SV Münster schon bei Spielen in der Herren-Verbandsliga eingesetzt, zählt damit trotz seines jungen Alters zu den Spitzenschiedsrichtern im Kreis Dieburg. Ein Headset war zu Beginn seiner Zeit keine Option. Heute ist er froh darüber: "Vor zwei bis drei Jahren hat es mit den Headsets im Amateurfußball angefangen. Viele Schiedsrichter haben sofort nachgezogen und heute haben sich die Headsets bereits in nahezu allen Ligen etabliert", beschreibt Tautz die aktuelle Situation im Schiedsrichterwesen, "ich habe immer noch kein Headset. Für mich muss sich solch eine teure Anschaffung erst richtig lohnen und dafür ist es in der Gruppenliga meiner Meinung nach noch zu früh."

Dönges: Headsets gut zum Coaching

Die Sinnhaftigkeit von Headsets ist jedoch neben der Ligazugehörigkeit der Partie auch von dem Ausbildungsstand des Schiedsrichterteams abhängig. Alle befragten Referees sprechen vom "Fokus auf die Basics". Oberligaschiedsrichter Nico Dönges vom TV 1817 Mainz sieht dies genauso: "Wenn man als Schiedsrichter leistungsorientiert denkt, ist die Anschaffung eines Headsets als Unterstützung definitiv sinnvoll und nützlich. Doch als junger und unerfahrener Schiedsrichter kann die übereilte Nutzung eines Headsets schnell zur Überforderung führen." Lediglich zur Ausbildung eines Spielleiters könnte ein Headsets sinnvoll genutzt werden. Der "Lehrer" hätte die Möglichkeit per Headset dem Schützling auf dem Platz unmittelbar Feedback zur Entscheidung und Umsetzung dieser zu geben.

Zu Beginn: Fokus auf die bestmögliche Spielleitung

Laut Lars Tautz und Nico Dönges ist vor allem zu Beginn der Schiedsrichter-Laufbahn ein Headset nicht sinnvoll. Zu Beginn solle jeder Referee sich erst auf die bestmögliche Spielleitung und den direkten Umgang mit den Spielern fokussieren. Nach ein bis zwei Jahren regelmäßiger Einsätze in einer Spielklasse, wie beispielsweise der Verbandsliga, sprechen die beiden Schiedsrichter von einem guten Zeitpunkt für die Nutzung eines Headsets. Der Mainzer Dönges schildert die Hintergründe seiner Headset-Anschaffung wie folgt: "Der Verein hat mir signalisiert, dass er mich bei der Anschaffung unterstützen würde. 1300 Euro auf einmal wäre für mich zu viel gewesen. Ohne Unterstützung hätte ich mir das Headset vermutlich nicht angeschafft. Am Ende haben wir es fair 50:50 aufgeteilt." Heute zeigt er sich sehr zufrieden mit seinem Kauf und spricht einem großen Nutzen für sein Schiedsrichterspiel.

Fehler gehören dazu

Eine Sache darf dabei nicht vergessen werden: Fehler dürfen gemacht werden. Simon Henninger ist Kreislehrwart aus Wiesbaden und spricht offen über die ersten Erfahrungen mit dem Headset: "Natürlich ist es für jeden zu Beginn eine völlig neue Situation, an die man sich erst gewöhnen muss. Jeder Schiedsrichter, der sich nicht eingesteht, dass er im Laufe der Eingewöhnung Fehler gemacht hat, ist nicht ehrlich zu sich. Fehler gehören dazu. Wir sind alle Menschen." Die Aufgabe eines guten Schiedsrichters sei es aus diesen Fehlern zu lernen und sie kein zweites Mal zu begehen. Seine ersten Kontaktpunkte mit der Nutzung von Headsets hatte Simon Henninger vor zwei Jahren als Assistent in der Junioren-Bundesliga. Heute ist er selbst mit einem Headset ausgerüstet und begeistert von den Möglichkeiten.

Der Umgang mit der technischen Unterstützung auf dem Platz ist laut ihm einfach Übungssache: "Auch ich bin mal auf die Nase geflogen. Fehlentscheidungen gehören dazu. Aber, wenn man sich an die Technik gewöhnt, kann man sehr viele Vorteile daraus ziehen. Der detaillierte Austausch, ist eine prima Möglichkeit für Schiedsrichter sowie Assistenten. Jedoch muss es jedem im Team klar sein, was wann wie kommuniziert wird", erläutert Henninger. Trotz seines Headsets versuche er im Training regelmäßig ohne Headset zu üben. Vor allem den Blickkontakt zu seinen Assistenten sollte ein Schiedsrichter, auch mit Headset, sich keineswegs abgewöhnen.

Die Vorteile auf einen Blick:

  • Direkte Kommunikation zwischen Assistenten und Schiedsrichtern
  • Unmittelbarer Austausch bei Meinungsverschiedenheiten
  • Alle Blickwinkel können vor einer Entscheidung mit einfließen
  • Kein direkter Blickkontakt zwischen Schiedsrichter und Assistenten in jeder Situation notwendig
  • Fokus aller Beteiligten auf das Geschehen und die Möglichkeit jederzeit einzugreifen

Mögliche Risiken auf einen Blick:

  • Hohe Anschaffungskosten
  • Wenig Erfahrungen mit einem unmittelbaren Austausch zwischen dem Schiedsrichter und seinen Assistenten
  • Fokus auf Kommunikation zwischen den Schiedsrichtern und nicht auf das Spielgeschehen
  • Falsche Wahrnehmung wird vom Assistenten an Schiedsrichter weitergegeben und führt zu möglichen Fehlentscheidungen
  • Schlechterer Austausch mit den Spielern

Das Fazit:

Ein erfahrener Schiedsrichter kann von der Anschaffung einer Headsets fast nur profitieren. Jedoch benötigt auch dieser Zeit bis er mit der neuen Technik vertraut ist. Fehler gehören hierbei dazu. Als junger und unerfahrener Spielleiter können die Eindrücke im Spiel und die Kommunikation mit Assistenten und/oder dem Schiedsrichter schnell zu einer Überforderung führen. Daher sollten Headsets erst ab einem Mindestmaß an Erfahrung genutzt werden. Ligaunabhängig können Situationen mit technischer Hilfe besser gelöst werden. Doch nicht in allen Klassen sind Headsets dringend notwendig.

Aufrufe: 016.7.2023, 16:00 Uhr
Karim MathisAutor