2024-05-17T14:19:24.476Z

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– Foto: Jens Grothe
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Germania Lamme II und Pascal Herr: Erfolgsgeschichte mit Herz

Vom Abstieg zur Tabellenspitze: Im FuPa-Interview verrät der Trainer unter anderem, was seinen Heimatverein ausmacht

In der Welt des Fußballs gibt es Geschichten, die mehr sind als nur die Summe ihrer Siege und Niederlagen. Eine solche Geschichte schreibt der TSV Germania Lamme II unter der Leitung von Pascal Herr, einem echten "Lammer Jungen". Von der Kreisliga in die Tiefe gestürzt, fand sich die Mannschaft unter Herrs Führung schnell auf dem Pfad zurück zum Erfolg. Nach einem direkten Wiederaufstieg steht das Team nun an der Spitze der Tabelle. FuPa Niedersachsen hat mit Pascal Herr gesprochen, um Einblicke in diese Wende, die Philosophie hinter dem Erfolg und die Zukunftsaussichten des Vereins zu erhalten.

Du hast Lamme als Kreisliga-Absteiger übernommen und die Mannschaft direkt zum Wiederaufstieg geführt. Was hast du für eine Mannschaft vorgefunden und woran hast du in der kurzen Zeit hauptsächlich gearbeitet?

Herr: Ich kann mich noch an einen Dialog mit meinem Co-Trainer Nils erinnern nach dem ersten Training. Es war sofort erkennbar, dass außergewöhnliche Fußballer in diesem Team waren. Ich sagte zu ihm, dass die Truppe vom reinen Talent her eine Klasse besser ist als die, die wir vorher in Völkenrode hatten. Klar war aber auch, dass die Räder nicht ineinandergriffen, und so fingen wir an, an defensiven Themen zu arbeiten. Das waren banale Sachen wie Stellung, Zweikampfführung etc. zu Beginn. Darüber hinaus wussten wir, dass wir sehr viele Lammer in diesem Team hatten und legten einen weiteren Fokus auf das Miteinander durch Mannschaftsabende, Events, die durch Spieler organisiert werden mussten, und vieles mehr. Wir haben im Grundsatz gar nicht viel verändert, da meine Vorgänger Eugen und Sebastian einen guten Job gemacht haben.

Mit nur zwei Niederlagen und zwei Unentschieden sowie einem überragenden Torverhältnis ging es dann zurück in die Kreisliga. War dir bewusst, dass es eine so erfolgreiche Saison werden kann?

Herr: Nein, ich denke, es wäre auch immer vermessen, so etwas zu erwarten. Mir war bewusst, dass wir eine gute Rolle spielen könnten, dass aber der höchste Punkteschnitt nötig war für die Lammer Rekordsaison, war für mich dann doch sehr überraschend. Veltenhof war ein unglaublich guter und vor allem konstanter Kontrahent, klasse Arbeit, die da durch Florian Noebe geleistet wird.

Welche Spiele aus der Kreisklassen-Saison sind dir noch heute in der Erinnerung?

Herr: Witzigerweise die Niederlage in der Rückrunde in Veltenhof. Nach dem Spiel war der Aufstiegszug eigentlich abgefahren, aber ich denke, dass gerade dort plötzlich eine Energie spürbar war, die ich so noch nie erlebt habe. Es war der intensivste Kreis nach Abpfiff, und ich glaube, dass genau in diesem Moment erst der volle Charakter dieser Mannschaft entfaltet wurde. Zudem hatten wir ein sportlich unglaublich gutes Match in Gliesmarode auf einem brutalen Niveau. Da denke ich auch gerne dran zurück. Zudem das letzte Spiel gegen LFC, als der Gegner Spalier stand (danke dafür!) und wir nach Abpfiff mit der 1. Herren zusammen den Saisonabschluss gefeiert haben.

– Foto: Jens Grothe

Welche Herausforderungen und Veränderungen gab es dann zur Kreisliga-Saison?

Herr: Kadertechnisch haben wir fast nichts verändert, es kamen 2 Jungs fest aus der ersten und darüber hinaus 6 aus der A-Jugend. Wir haben nun eine wahnsinnige Breite mit 35 Mann, die Fluch und Segen zugleich ist. Im Winter kamen dann nochmal 3 weitere Spieler aus der 1. Herren dazu. Herausfordernd war, dass wir wussten, dass wir jeden schlagen können, genauso gut aber auch gegen jeden verlieren können. Diese Balance zu finden, ist bis heute Thema bei uns. Der Kader ist hoch talentiert, aber eben auch erst 23 Jahre im Schnitt und damit wohl der jüngste der Kreisliga.

War dir schnell bewusst, dass du in der Kreisliga mit diesem Team so erfolgreich sein kannst?

Herr: Definitiv nein. Wir kneifen uns zuweilen bis heute selber. Das kam schon sehr überraschend. Wie gesagt, wir waren von unserer Qualität überzeugt, aber dass wir die Konstanz auch haben, war dann sehr überraschend. Wir sind allerdings auch nicht in Euphorie verfallen, als es so lief, sondern sind uns sehr bewusst, wie hart wir weiterhin arbeiten müssen. Zudem müssen wir uns auch immer wieder klar machen, wo wir herkommen. Klar ist es toll, da oben mitzuspielen, aber der Fokus muss ganz klar weiterhin auf der Entwicklung liegen: Entwicklung der jungen Spieler, Entwicklung der Mannschaft und Entwicklung der Strukturen im Team sowie Verein. Ich denke, das sind unsere Hauptthemen. Wir wollen nicht eine Saison erfolgreich sein, sondern es nachhaltig bleiben. Da gehört auch dazu, nach Niederlagen wie gegen Ölper jetzt nicht alles in Frage zu stellen und dem kurzfristigen Erfolg unterzuordnen, sondern konsequent weiter zu arbeiten.

Was zeichnet den Verein TSV Lamme und deine 2. Mannschaft aus?

– Foto: Jens Grothe

Herr: In Lamme herrscht ein unglaublich familiäres Umfeld, das mir sehr gefällt. Es findet ein guter Austausch mit den Jugendtrainern statt, es wird sich permanent hinterfragt, um weiterzugehen, und der Zusammenhalt in den Abteilungen ist unglaublich. Der Vorstand und die Abteilungsleitungen leisten da tolle Arbeit, und dieses ehrenamtliche Engagement kann überhaupt nicht hoch genug angerechnet werden! Bezogen auf meine Mannschaft trifft vor allem das Familiäre zu. Das geht sogar so weit, dass wir bei Neuzugängen nicht den sportlichen Faktor an erster Stelle bewerten, sondern tatsächlich, inwiefern dieser Spieler in unser Gefüge passt. Im Normalfall passt beides, wir haben aber auch Spielern bereits abgesagt aufgrund der Chemie. Für mich persönlich ist die Bindung Fluch und Segen zugleich. Klar, kitzelt es bei mir 150 % anstatt 140 % raus, aber bei Problemen entsteht dann auch nicht immer Frust, sondern Enttäuschung, und zweiteres ist deutlich schwerer abzustreifen. Leider ein Drahtseilakt. Allerdings könnte ich ohne diese Emotionalität nicht coachen. Sie gehört für mich dazu und wäre für mich auch ein KO-Kriterium, wenn ich diese Verbindung nicht spüren würde.

Du hast einen Namen in Braunschweig, und die Vereine reißen sich um dich - es gibt viele Trainer, die keine 2. Mannschaft trainieren würden. Wieso bist du diesen Schritt gegangen?

Herr: Diese Frage habe ich befürchtet. Den ersten Teil der Frage lasse ich mal unkommentiert. Als damals feststand, dass ich mich verändern möchte, hatte ich ziemlich schnell Kontakt mit Björn. Wir hatten diesen eigentlich immer, denn ich komme persönlich aus Lamme und habe selber über 20 Jahre dort gespielt. Heißt, ich war eh regelmäßig auf der Anlage, und der Kontakt auch zu vielen alten Freunden ist nie abgerissen. Der eigentliche Plan von mir war schon, Minimum in die Kreisliga zu wechseln. Dass es dann nach der Unterschrift leider doch anders kam, ist natürlich etwas anderes. Eine Zweite zu trainieren, muss ich aber auch hier ganz klar die Verantwortlichen loben. Sie versuchen uns wenigstmöglich zu zeigen, dass wir keine 1. Herren sind, und das bekommen sie überragend hin. Ich hatte damals das Gefühl, dass ich gebraucht werde, und das hat dann wahrscheinlich dazu geführt, dass ich es gemacht habe. Aber klar ist auch, und das wissen auch alle Beteiligten, dass ich ein Mensch bin, der Perspektiven braucht und vor allem nachhaltig arbeiten möchte. Momentan passt das in meiner Rolle zu 100 %, aber ich werde dieses Thema sicherlich jedes Jahr aufs Neue mit mir ausmachen müssen. Und klar, ich möchte auch irgendwann höherklassig trainieren, um meine eigenen Grenzen auszuloten. Im besten Fall natürlich mit meinem jetzigen Team.

Was werden die größten Herausforderungen in der Rückrunde sein?

Herr: Die haben wir gegen Ölper mit der 1:3-Niederlage schon mit auf den Weg bekommen. Alle wissen mittlerweile, dass wir jung und unerfahren sind und versuchen, sich das zu Nutze zu machen. Ölper übrigens überragend, Hut ab dafür. Wir haben in 90 Minuten ein Mal auf das Tor geschossen. Ich habe selten einen so routinierten Fußball gesehen. Weiter oben habe ich das schonmal vorsichtig formuliert, die größte Herausforderung sind wir selber, und ich persönlich erwische mich immer wieder dabei, wie ich selber aus dem Schema gehe. Wir waren zu verbissen, ich allem voran, und haben vergessen zu sehen, was wir machen wollen und vor allem, was wir bereits gemacht haben. Wir haben einige Spieler auf ein neues Niveau bekommen, wir haben uns in verschiedenen mannschafts- respektive gruppentaktischen Bereichen enorm verbessert, und das Allerwichtigste ist, wir haben Nachhaltigkeit geschaffen. Wir müssen dieses Jahr nicht erster werden, wäre cool, aber davon ist nicht abhängig, wie gut wir gearbeitet haben als Aufsteiger. Zudem gönne ich es meinem alten Weggefährten Julian und Mascherode zu 100 Prozent. Herausforderung hin oder her, diese Entwicklung weiter voranzutreiben, dabei sportlich erfolgreich zu bleiben und den Blick auf das Wesentliche, nämlich uns, nicht zu verlieren, damit werden wir umgehen müssen.

Aufrufe: 08.3.2024, 06:23 Uhr
Jens GrotheAutor