2025-03-06T14:11:46.817Z

Kommentar
– Foto: Jörg Struwe

EM-Mecker-Regel: Fußball-Urinstinkt gegen das Fingerspitzengefühl

Ein Kommentar zur Einführung der EM-Mecker-Regel

Fast vier Wochen hat uns die Fußball-Europameisterschaft verzaubert. Am Sonntagabend endet die EURO 2024 mit dem Endspiel zwischen ballverliebten Spaniern und doch eigentlich schon aus dem Turnier kritisierten Engländern. Doch wie viel von der EM bleibt, wenn ihre Magie vorbei ist? Mindestens einmal die vielzitierte Mecker-Regel, die ab Saisonstart in den höchsten vier Spielklassen zur Anwendung kommt – der Amateurbereich soll nachziehen. Ein Kommentar.

Schon bei der Europameisterschaft durften nur die Kapitäne mit dem Schiedsrichter sprechen, nun wird diese Regel auch bis zur Regionalliga angewandt – im Landkreis Stade ist damit die SV Drochtersen/Assel von der Anpassung betroffen. Wie sinnvoll ist es aber, dass diese Regel im Amateurfußball eingesetzt werden soll?

Das Problem ist, dass die Anwendung ein hohes Maß an Empathie und Fingerspitzengefühl verlangt. Der Sport lebt von Emotionen, die Diskussionsfreude über Schiedsrichterentscheidungen ist ein Urinstinkt der meisten Fußballer, der mit einer Änderung im Regelwerk nicht einfach abtrainiert ist. Die Verantwortung des Unparteiischen wächst daher, weil eine zu strenge Auslegung unter Umständen die Spielaustragung gefährden könnte. Was gut gemeint ist, birgt auf dem zweiten Blick auch eine Gefahr.

Ja, der Schutz unserer Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter hat einen hohen Stellenwert. Die höchste Priorität hat aber ein unfallfreier Ablauf des Spielbetriebs. Diese Regeländerung würde die Erwartungen an die zum Teil noch sehr unerfahrenen Referees enorm erhöhen. Genauso wenig wie Lionel Messi und Cristiano Ronaldo in der Kreisliga spielen, sind die Unparteiischen hier Deniz Aytekin oder Felix Brych. Dieser Abstufung muss vor allem der Spielerseite viel mehr bewusst werden. Das Werkzeug, Spieler bei verbalen Entgleisungen zu verwarnen, muss dennoch ausreichend sein, anstatt nur über Karten zu kommunizieren.

In den vergangenen Jahren wurde das Regelwerk des Öfteren angepasst, um den Eingriffsspielraum des Video Assistant Referees (VAR) klarer zu definieren. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass beispielsweise die im Profifußball viel diskutierte Handspielregel auf Amateurebene zu keiner erhöhten Unstimmigkeit führt. Vielleicht ist es daher auch an der Zeit anzuerkennen, dass die verschiedenen Rahmenbedingungen zwischen diesen beiden Ebenen sich so weit unterscheiden, dass die eine immer bedingungslos von der anderen lernen muss.

Aufrufe: 012.7.2024, 06:00 Uhr
Moritz StuderAutor