Jüngst feierte der FC Viktoria München sein 100-jähriges Jubiläum. Nur zwei Monate später befindet sich der Traditionsverein am Rande der Auflösung.
München – Es hätte ein stolzer Moment werden können: Am 15. August dieses Jahres wurde der FC Viktoria München 100 Jahre alt. Der Traditionsverein blickt zurück auf erfolgreiche Zeiten, doch nun steht er vor dem Aus.
In den 50er und 60er Jahren spielte der FC Viktoria in der Amateurliga, dem Vorläufer der heutigen Bayernliga, duellierte sich mit 1860 München um die Stadtmeisterschaft und empfing den FC Bayern. Doch diese Zeiten sind vorbei. Die Sendlinger sind nicht mehr auf der Landkarte der oberbayerischen Amateurligen vertreten.
Die aktuelle Situation ist prekär. In sechs Wochen stimmen die Mitglieder ab, ob sie den FC Viktoria München nach 100 Jahren Vereinsgeschichte auflösen. Dabei hat der Untergang im Grunde genommen mit einer positiven Nachricht begonnen.
Das in die Jahre gekommene Vereinsgelände an der Wackersberger Straße 49 soll für die stattliche Summe von 14 Millionen Euro grundlegend erneuert werden. Ein neuer Vorzeigeplatz soll in Sendling entstehen. Die Stadt München finanziert einen neuen Kunstrasen, eine neue Wirtschaft und moderne Kabinen. Was zunächst wie der Aufbruch in ein erfolgreiches Kapitel klingt, endete für den FC Viktoria mit der Heimatlosigkeit. Denn: Während der Bauphase ist die Anlage gesperrt.
Die Suche nach einer Ausweichmöglichkeit verlief holprig. Viele Vereine hätten sich gegen eine Aufnahme des FC Viktoria gesträubt, sagt Janko Wendler, erster Vorstand des Vereins. Durch den Kontakt mit Amir Seferovic, Jugendleiter des FC Sportfreunde München, bekam man die Chance, die vergangene Saison an der Säbener Straße zu Ende zu bringen. Wendler ist ihm bis heute dankbar dafür.
Nicht überlebt hat den Umzug hingegen die Jugendabteilung des FC Viktoria. Hier bot die Stadt München zwar einen Platz an, das Gelände war aber zu weit entfernt. Der Platz sei zudem suboptimal, sagt Wendler. Insgesamt 85 Kinder habe der Verein daraufhin verloren.
Hinzu kam zeitgleich ein personeller Umbruch. Beide Vorstände brachen weg, tragende Stellen des Vereins konnten nicht mehr besetzt werden. „Wenn ich alleine bin, habe ich keine Chance, die Arbeit des Vereins fortzuführen“, stellt Wendler das Hauptproblem heraus.
Dem unfreiwilligen Aderlass in der Vereinsspitze fiel schlussendlich auch die erste Herrenmannschaft zum Opfer. Das bisher letzte Spiel datiert auf den 26. Mai 2024. Dabei verlief die vorerst letzte Saison in der A-Klasse vielversprechend. Im Winter heuerte der Ex-Bayernliga-Torschützenkönig Sebastiano Nappo in Sendling an und scheiterte mit Viktoria nur knapp am Aufstieg in die Kreisklasse.
„Ohne den Aufwand des Ehrenamtes, kann sich heute kein Verein mehr tragen.“
Janko Wendler, Vorstand des FC Viktoria München.
Einen Makel gab es allerdings: Aus privaten Gründen stand der zukünftige Abschied des Trainers Giuseppe Nappo bereits früh in der Saison fest. Mit ihm ging sein Bruder Sebastiano. Weitere Spieler verließen den Verein wegen der fehlenden Perspektive.
„Der Plan war ein Neuanfang“, berichtet Wendler, dem bereits ein neuer Trainer und einige Spieler zugesagt hatten. Die Idee ging nicht auf. Ehrenamtliche fehlten, um die Organisation des Spielbetriebs aufrechtzuerhalten, sagt Wender. Der Rückzug vom Spielbetrieb sei alternativlos gewesen: „Ohne den Aufwand des Ehrenamtes, kann sich heute kein Verein mehr tragen.“
Viktorias Hoffnungen beruhen auf der Wiedereröffnung der Sportanlage – in runderneuertem Gewand: „Es ist ja grotesk. Der Verein wird 100 Jahre alt und bekommt eine nagelneue Anlage, aber jetzt stehen wir vor dem Ende.“
Im September 2025 soll die neue Anlage eröffnet werden. Bis dahin muss der Verein zwingend durchhalten. Der Plan dafür steht bereits. „Das Zugpferd wäre eine neue Herrenmannschaft“, ist sich Wendler sicher. „Wir müssen jetzt sagen, der FC Viktoria macht weiter. Dann kann der Verein damit beginnen, eine Mannschaft auf die Beine zu stellen.“ Im April 2025 könnte dieses Team für den Spielbetrieb angemeldet werden. Erst als Gast in der Fremde, später auch auf der brandneuen eigenen Anlage.
Doch ob es so weit kommen kann, wird in sechs Wochen beschlossen. Dann entscheidet die Mitgliederversammlung, ob es den FC Viktoria München auch nach 101 Jahren noch geben wird.