2024-05-02T16:12:49.858Z

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Franz Beckenbauer nahm sich für die Reporter (hier im Olympiastadion) immer Zeit.
Franz Beckenbauer nahm sich für die Reporter (hier im Olympiastadion) immer Zeit. – Foto: Archiv mm

Erinnerungen an den Kaiser

Franz Beckenbauer hatte für jeden ein offenes Ohr.

Unterhaching – Der „Kaiser“ war in München einst allgegenwärtig. Es gibt wohl keinen Sport-Reporter, der nicht irgendwann mal mit Franz Beckenbauer zu tun hatte. Ich erinnere mich genau, als ich das Idol meiner Jugend (das weinrote Bayern-Trikot mit der Rückennummer 5 war mein „Heiligtum“) zum ersten Mal traf. Das war irgendwann in den 80er Jahren, ich war als junger Merkur-Reporter in Starnberg im Einsatz und bekam einen Tipp: Beckenbauer feiert im „Forsthaus am See“ in Possenhofen Geburtstag. Leicht nervös fuhr ich hin und schaute mich unsicher um. Da saß er, der „Kaiser“ – aber nicht nur er: Mit ihm am Tisch waren Carlos Alberto, der Kapitän der brasilianischen Weltmeister-Mannschaft von 1970, ein enger Freund des Jubilars, und „Uns Uwe“, der deutsche Ehrenspielführer Uwe Seeler. Ein Treffen der Fußball-Legenden!

In der heutigen Zeit undenkbar, was dann passierte: Der Reporter wurde nicht umgehend weggeschickt, sondern an den Tisch gebeten: Wir tranken ein Bier zusammen, plauderten locker, anschließend stellten sich alle zum Erinnerungsfoto. Der Höhepunkt des Abends: Der brasilianische Nationalspieler setzte sich ans Klavier - und spielte „Happy Birthday“ für seinen deutschen Freund Franz. Unvergessliche Momente…

Ebenso unvergessen: Ein Besuch auf der großen Münchner Sportartikelmesse „ispo“. Der streng abgeschirmte adidas-Stand: Ein kleiner Mann mit Rucksack wird vom Wachpersonal der Zutritt verwehrt. Erst als er sagt: „I bin doch der Hackl-Schorsch“ darf der zehnfache Rodel-Weltmeister das „Heiligtum“ seines Ausrüsters betreten. Ein paar Minuten später kommt Beckenbauer. Wie von selbst öffnen sich die Türen – beim „Kaiser“ grüßt das Wachpersonal ehrfürchtigst. Für die Münchner Reporter wurde jeder Satz, den der Weltmeister von sich gab, zu einem wichtigen Beitrag in ihrem Medium. Wenn Beckenbauer zu Bayern-Spielen ins Olympiastadion kam, folgte ihm stets eine Schar von Journalisten zu seinem Platz auf der Ehrentribüne. Auch das: Heute völlig undenkbar, aber für Beckenbauer kein Problem. Und dann wurde begierig jedes Wort notiert, das der Franz sprach. Jegliche Verrenkungen wurden da für einen „kaiserlichen Satz“ gerne in Kauf genommen.

Zum letzten Mal begegnete ich Franz Beckenbauer im November 2005 in der Münchner Olympiahalle – als Sixdays-Reporter. Da schoss er das Sechstagerennen an. Wie stets ganz souverän – und umlagert von Autogrammjägern. Er schlug auch da keinen Autogramm-Wunsch aus. Sogar Superstar Erik Zabel, der spätere Sieger, und der Schweizer Rad-Held Bruno Risi sollen sich eine Unterschrift des Kaisers gesichert haben… (Thomas Ernstberger)

Aufrufe: 09.1.2024, 16:52 Uhr
Thomas ErnstbergerAutor