Wiesbaden/Frankfurt. Ein Spiel mit viel Geschichte und vielen Geschichten. Wenn am Sonntagnachmittag die SG Hoechst zum Gruppenliga-Topspiel beim SV Wiesbaden gastiert, ist das gleichzeitig auch das Duell zweier Traditionsvereine, die seit Jahrzehnten den höherklassigen Amateurfußball der Region besonders geprägt haben. Und auch in direkten Duellen immer wieder aufeinandergetroffen sind. Fast so wie beim "El Clásico" zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona. Nur, dass sich beide Vereine besser leiden können als die spanischen Erzrivalen. Dazu hat der neue SG-Trainer eine Vergangenheit beim kommenden Gegner.
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"Wir freuen uns alle auf das Spiel. Zum SVW haben wir ein sehr herzliches Verhältnis", sagt Heinz Knierim. Der 82-Jährige ist seit über 50 Jahren im Vorstand der SG, derzeit hinter Sohn Marcel Hartmann der 2. Vorsitzende beim Verein aus dem Frankfurter Westen. Unzählige Spiele dieser beiden Vereine in den Siebzigern, Achtzigern, Neunzigern dürfte Heinz Knierim erlebt haben. Meist standen sich beide Klubs in Verbandsliga (damals Landesliga Mitte) oder Hessenliga (damals Oberliga Hessen) gegenüber, mittlerweile "nur" noch in der siebtklassigen Gruppenliga.
Auch Markus Walter, ehemaliger Spieler und momentaner Vereinschef vom SV Wiesbaden, kann sich an viele "schöne und enge Spiele" gegen "einen regionalen Gegner auf Augenhöhe" erinnern. Zum Beispiel 1986, als der SVW und Hoechst um den Aufstieg in die Hessenliga wetteiferten, beim Spitzenspiel 2.000 Zuschauer in den Helmut-Schön-Sportpark strömten. Zu diesem Zeitpunkt war nur ein kleiner Teil der Spieler überhaupt auf der Welt, die am kommenden Sonntag gegeneinander antreten werden.
Doch es gibt eine Gemeinsamkeit zu 1986: Es ist wieder ein Spitzenspiel. Der SV Wiesbaden ist derzeit Tabellenführer, mit erst einer Niederlage. Fünf Punkte dahinter rangiert Hoechst auf Rang drei. "In dieser Saison gibt es keine Ausnahmemannschaft in der Liga. Aber Hoechst ist sicherlich neben uns, Okriftel, Unterliederbach und Limburg einer der Mitfavoriten", analysiert Walter die Lage der Liga.
Auch bei Walter steigt die Vorfreude auf das Duell - und das Wiedersehen mit einem alten Bekannten: Sascha Amstätter. Der ehemalige Profi vom SV Wehen und dem SV Darmstadt 98 ließ von 2012 bis 2015 seine Karriere beim SVW ausklingen. Als Spielertrainer feierte er in seiner ersten Saison den Aufstieg aus der Verbands- in die Hessenliga und wirkte in der Hessenliga bis zum Winter 2015 unter Chefcoach Djuradj Vasic als Co-Trainer und Standby-Spieler. "Er war hochprofessionell, hat Expertise und Ahnung. Auch menschlich ein toller Kerl", hat Markus Walter die Zusammenarbeit mit Amstätter positiv in Erinnerung.
"Beim SVW habe ich Erfahrungen gesammelt, die mir für meine weiteren Stationen als Trainer sehr geholfen haben", erinnert sich Amstätter an eine "schöne und erfolgreiche Zeit" beim Sportverein zurück. Beim kommenden Gegner wird er mit Torjäger Saki Nakos, Offensivmann Mo Sanandajizadeh und Torhüter Ramiz Ahmad drei Spieler wiedertreffen, die er schon beim SV Zeilsheim betreut hatte.
Umgekehrt haben Hoechsts spielender Torwarttrainer Pero Miletic (momentan Ersatz für Stammkeeper Felix Martini) und Mittelfeldkünstler Raffael Grigoryan gemeinsam mit Amstätter zu Hessenliga-Zeiten mal das SVW-Trikot getragen.
Doch das Spiel hat neben der Historie und der Rückkehr Amstätters eine weitere Facette zu bieten: Nämlich die Sportliche. SVW gegen SGH, das ist das Gipfeltreffen der Gruppenliga. Zwei Top-Teams, der beste Angriff trifft auf die beste Defensive der Saison. "Wir müssen versuchen, deren Offensive im Zaum zu halten", analysiert Amstätter, der mit Hatem Fekih und Josef Sultani (Muskelfaserriss) am Wochenende wohl weiterhin auf zwei Spieler verzichten muss.
Länger liest sich die Ausfallliste beim Gegner: Felipe Bergmann, Burak Bozbiyik, Björn Reichel, Rafael Ruiz Gonzalez und Lauren Schmidt fallen noch aus. Immerhin: Yama Afghanyar (zuletzt beruflich in den USA) kehrt wohl am Sonntag erstmals in den Kader zurück. Ninos Yosef ist nach Gelb-Rot-Sperre wieder einsatzberechtigt.