2024-05-02T16:12:49.858Z

Ligabericht
Die Mannschaft vom FC Vatanspor: 107 Tore in 15 Ligaspielen sind in höchstem Maße rekordverdächtig.
Die Mannschaft vom FC Vatanspor: 107 Tore in 15 Ligaspielen sind in höchstem Maße rekordverdächtig. – Foto: Verein

Die Rekordjäger aus Schwandorf

Zwei Jahre nach seiner Gründung spielt der FC Vatanspor in der B-Klasse eine Saison der Superlative – Viele Nationalitäten unter einem Hut

Einen Fußballverein zu gründen, der Spielern aus allen Kulturkreisen eine sportliche Heimat bieten kann, dieses Ziel haben Semai Tug, Furkan Tepeler, Ahmet Erbey und Oguzhan Midik bei der Gründung des FC Vatanspor Schwandorf vor Augen gehabt. 2020 war das. Seither ist viel passiert. Einen Fernsehbeitrag in SAT.1 gab es diesen Sommer inklusive. Mittlerweile bietet man am Ufer der Naab knapp 100 Mitgliedern ein sportliches Zuhause – welche aus zehn verschiedenen Ländern stammen. Sportlich spielt die Mannschaft von ihrem Trainer Yasin Yazici in der B-Klasse eine Saison der Rekorde. Wir haben uns dieses interessante Projekt näher angeschaut.

Die Idee der Gründung eines Multikulti-Vereins in Schwandorf reifte bereits mehrere Jahre in den Köpfen der Initiatoren. Irgendwann wurde es ernst. Yasin Yazici kennt die Problematik, dass Vereine mit Migrationshintergrund in Deutschland schnell in eine Schublade gesteckt werden. Mit diesen Vorurteilen will Vatanspor Schluss machen. „Wir möchten zeigen, dass auch Leute mit Migrationshintergrund normal und fair Fußball spielen!“, sagt der 30-Jährige.

Dass die Schwandorfer Fußballer schon in der vergangenen Spielzeit im Ligabetrieb an den Start gehen würden, war so übrigens nicht geplant. „Eine Woche vor Saisonbeginn kam der Verband auf uns zu, dass wir jetzt schon angreifen können. Dann musste es schnell gehen mit Spielerverpflichtungen, Passanträgen und so weiter. Das war ein Auf und Ab“, erinnert sich Coach Yazici. Ohne echte Vorbereitung startete die aus jungen sowie reaktivierten, früher teils höherklassig aktiven Kickern formierte Truppe in die Saison. Sie wurde also buchstäblich ins kalte Wasser geworfen. Daher passten anfangs die Ergebnisse nicht. Doch mit Training und dem nötigen Ehrgeiz wurde es schnell besser und die Mannschaft eingespielter. Und so schloss der FC die Vorsaison noch auf Platz drei ab.

In der laufenden Runde ist Vatanspor in der B-Klasse 5 kaum zu stoppen. Und das ist noch untertrieben. Das Torverhältnis von 107:7 (!) sowie 43 von 45 möglichen Punkten sprechen für sich. Die höchsten Siege fielen mit 19:0, 17:1 und 14:0 deftig aus. Toptorjäger Sinan Özdemir hat sagenhafte 29 Mal in elf Partien getroffen. Ob sein Team in der B-Klasse nicht chronisch unterfordert sei? „Die Gruppe letztes Jahr war definitiv schwerer, wobei wir selbst da in der Rückrunde die meisten Punkte einfuhren“, antwortet Yasin Yazici pragmatisch. „In den Spielen dieser Saison haben wir oft rotiert und dann schon die Handbremse angezogen, sonst hätten wir in manchen Spiele bis zu 25 Tore schießen können“, ergänzt Yazici, der den FCV nach einem Trainerrücktritt und einem eigenen Rippenbruch im Spätsommer 2021 als Übungsleiter übernommen hatte. Erst als kurzfristiges, interimsmäßiges Engagement geplant, entschloss er sich dann doch für etwas Längerfristiges. Auf dem Platz will er nur noch dann einspringen, wenn akut Not am Mann ist. Ohnehin gefällt es Yazici als Trainer an der Seitenlinie besser als selbst auf dem Spielfeld: „Dort kannst du es nicht so gut dirigieren.“ Sprachbarrieren gibt es, weil beinahe jeder Spieler fließend Deutsch spricht, übrigens keine.

Gewinnt der FC Vatanspor sein erstes Spiel nach der Winterpause – hier kommt es zum Duell mit Verfolger SC Sinopspor –, wäre er vorzeitig Meister der B-Klasse 5. Und somit vermutlich der früheste Meister im bayerischen Herrenbereich.

Geht es nach Trainer Yasin Yazici, soll in der A-Klasse für Vatanspor noch nicht Endstation sein.
Geht es nach Trainer Yasin Yazici, soll in der A-Klasse für Vatanspor noch nicht Endstation sein. – Foto: Verein


Und wo soll es in Zukunft hingehen? „Ich sehe es Schritt für Schritt“, so Yasin Yazici. Abteilungsleiter Semai Tug fügt hinzu: „Bei uns gilt die Maxime, lieber langsam und stetig, als überhastet. Wenn man zu schnell hochkommt, geht der Fall nach unten oft dementsprechend schnell.“ Yazici hofft, dass die Mannschaft noch Jahrzehnte bestehen bleibt und „meine Kinder und Enkelkinder hier spielen können“.

Langfristig will man außerdem eine funktionierende Jugendarbeit im Verein etablieren. Im Moment hat sich der FC Vatanspor bei den A- und B-Junioren mit Weinberg und Kreith in einer Spielgemeinschaft zusammengetan. Künftig möchte der Klub auch in jüngeren Jahrgängen vertreten sein. „Ohne Jugend klappt gar nichts. Bei Vereinen, die keinen Sponsor und keine Jugend haben, geht es früher oder später bergab“, weiß Yazici. Was die Seniorenmannschaft angeht, gibt sich der 30-jährige Trainer angriffslustig. „Natürlich ist erstmal der Aufstieg in die A-Klasse das Ziel. Es gilt, Ziele einzeln zu stecken und langsam zu wachsen.“ Der Wunsch für nächste Saison: „Die Mannschaft zusammenhalten und mit ein, zwei Verstärkungen in der A-Klasse dann wieder um den Aufstieg mitspielen.“ Vom Niveau her ordnet Yazici seine Mannschaft auf Sicht schon in der Kreisklasse oder Kreisliga ein. Wo es dann auch hingehen soll.

Es geht also definitiv vorwärts beim FC Vatanspor, der dieses Jahr in Dachelhofen eine neue sportliche Heimat gefunden hat. Damit sind alle Beteiligten happy. Die Anlage und das Trainingsmaterial bringen Vorteile. Und einen prominenten Unterstützer hat die „Multi-Kulti-Truppe“ auch. Thomas Ebeling, Landrat des Landkreises Schwandorf, freut sich über die Entwicklung des Vereins sowie die Idee, die dahintersteckt. Man darf gespannt sein, was vom „Projekt FC Vatanspor Schwandorf“ in Zukunft zu hören ist.

Aufrufe: 020.12.2022, 14:27 Uhr
Florian WürtheleAutor