2024-04-25T14:35:39.956Z

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Einer der vielen Vertreter der höherklassigen Amateurclubs: Gilbert Diep vom SV Pullach.
Einer der vielen Vertreter der höherklassigen Amateurclubs: Gilbert Diep vom SV Pullach. – Foto: SV Pullach; Privat

Bolzplatz-Feeling mit Stars – Pullachs Diep: „Das Erlebnis ist super, aber der Aufwand ist groß“

Zwölf Stunden Fahrtzeit für 15 Minuten Spielzeit

Die Baller League bietet Hobby-Fußballern eine große Bühne – auch Gilbert Diep vom SV Pullach. Er spielt regelmäßig für die Gönrgy Allstars.

Pullach – Seit Januar hat Deutschland eine neue Fußball-Liga. In der aus zwölf Mannschaften bestehenden Baller League spielen Ex-Profis und Amateurfußballer immer montags auf einem Kunstrasenfeld in der Motorworld Köln im Sechs-gegen-Sechs gegeneinander. Die Halbzeiten dauern nur 15 Minuten und in den letzten drei Minuten jeder Halbzeit gelten zufällig ausgewählte Sonderregeln, etwa „Tore zählen nur per Volley“ oder „Jede Mannschaft spielt nur noch mit drei Spielern“.

Die Veranstalter werben damit, auf dem kleinen Spielfeld und mit der kurzen Spielzeit ein „Bolzplatz-Feeling“ entstehen zu lassen. Vorbild ist die vor einem Jahr vom spanischen Weltmeister Gerard Piqué gegründete und nach ähnlichen Regeln funktionierende Kings League. Die neue Liga erregte anfangs viel Aufsehen. Altstars wie Ronaldinho oder Sergio „Kun“ Agüero gaben sich die Ehre, und zum großen Final-Turnier, dem Final Four, lockte die Kings League im März des vergangenen Jahres über 90 000 Zuschauer ins legendäre Camp Nou in Barcelona.

Mischung aus aktiven Amateur-Fußballern und ehemaligen Profis

Auch bei der deutschen Variante, die montags zwischen 18 und 24 Uhr sowohl beim Streaming-Kanal „Twitch“ als auch teilweise auf dem TV-Sender ProSieben Maxx übertragen wird, sind einige bekannte Namen dabei. Sogenannte „Liga-Präsidenten“ sind die beiden Weltmeister Mats Hummels und Lukas Podolski, als Teamchefs fungieren etwa Ex-Nationalspieler Max Kruse oder der noch aktive Gladbach-Profi Christoph Kramer. Einige ehemalige Profis kicken auch selbst mit, etwa Diego Contento (FC Aschheim, früher FC Bayern), der ehemalige Unterhachinger Sascha Bigalke oder Ex-Löwe Moritz Leitner. Der Großteil der Spieler aber sind aktive Fußballer aus dem höherklassigen Amateurfußball.

„Ich bin erstmal in Ehrfurcht erstarrt.“

Gilbert Diep über sein erstes Aufeinandertreffen mit Stefan Effenberg.

Einer von ihnen ist Gilbert Diep, Stürmer des Landesligisten SV Pullach. Der 27-Jährige spielt für die Gönrgy Allstars, in einer Mannschaft mit Ex-1860 Profi Maximilian Beister und dem in Malaysia als Fußballprofi berühmt gewordenen Münchner Liridon Krasniqi. Auch Edeltechniker Zvjezdan „Zwetschge“ Misimovic lief schon für seine Mannschaft auf, einer seiner Trainer ist kein geringerer als Stefan Effenberg. „Ich finde das Prinzip der Liga richtig cool. Für mich ist es eine super Erfahrung“, erzählt Diep im Gespräch mit dem Münchner Merkur. Ihm gefalle es, neue Leute kennenzulernen und auch mal gegen Fußballer aus anderen Regionen Deutschlands zu spielen. Inzwischen hat er sich an seinen prominenten Trainer gewöhnt, beim ersten Aufeinandertreffen mit Effenberg war aber auch Diep zunächst sprachlos. „Ich bin erstmal in Ehrfurcht erstarrt“, erinnert er sich.

Pullachs Diep wurde von den Gönrgy Allstars gedraftet

Aber wie ist Diep überhaupt in der Liga gelandet? Beim Vorspielen, den sogenannten „Trials“ Ende des vergangenen Jahres war er nicht dabei. Fahrt nahm das Ganze erst vor wenigen Wochen auf. „An einem Freitag hat mich einer der Veranstalter angerufen und gefragt, ob ich Lust hätte mitzumachen, und am Montag war ich schon in Köln“ berichtet der Landesliga-Stürmer. Das war am 15. Januar. Diep nahm damals am sogenannten Draft teil, bei dem sich die einzelnen Teamchefs die Spieler für ihre Mannschaften zusammensuchen konnten.

Baller League
Baller League – Foto: Rolf Vennenbernd

Die Streamer Montana Black und Sascha Hellinger holten ihn in das nach einem Energy-Drink benannte Team Gönrgy Allstars. „Die kannten mich zwar nicht, aber sie haben sich über meine Spielweise informiert, und natürlich schaut man auch auf die Statistiken“, erzählt er. Der groß gewachsene Angreifer führt in dieser Saison mit 21 Toren in 20 Spielen die Torjägerliste der Landesliga Südost an.

Ähnlichkeit zum Straßenfußball – Kicken ohne Zwang

Nur eine Woche nach dem Draft stand er am ersten Spieltag der Baller League das erste Mal auf dem Kölner Kunstrasen. „Wir haben einfach unsere Schuhe angezogen und drauflosgespielt“, erzählt Diep. Das habe man den Spielen zunächst auch durchaus angemerkt, inzwischen werde das Niveau jedoch immer besser. Sowohl der Pullacher selbst als auch seine Mannschaft sind nach durchwachsenem Start in der Liga angekommen und haben noch Chancen auf einen Platz unter den Top Vier, der zur Teilnahme am Finalturnier berechtigen würde.

Am beste gefällt es dem Stürmer weiterhin, wenn einfach ohne viele Zwänge gekickt wird – so wie früher auf dem Bolzplatz. Diep bezeichnet sich als „zu 100 Prozent Straßenfußballer“, ist trotz seiner Größe ein feiner Techniker und fühlt sich auf engem Raum wohl. Der gebürtige Starnberger ist in München aufgewachsen, prägend war für ihn vor allem der kleine Kunstrasen-Bolzplatz beim FC Wacker München in Sendling. „Dort habe ich das Fußballspielen gelernt. Teilweise waren 60 Leute da, und man musste erst mal ewig warten, bis man spielen durfte. Viele der Spieler, die ich von damals kenne, spielen heute auch höherklassig“, erzählt der 27-Jährige.

Der Aufwand ist für Gilbert Diep enorm

Ganz so wie auf dem legendären Wacker-Platz ist das Feeling in Köln allerdings noch nicht. „Dafür werden zu viele lange Bälle gespielt“, findet Diep. Auch mit dem Untergrund hat er so seine Schwierigkeiten. „Der Kunstrasen ist sehr stumpf und trocken“, berichtet der Stürmer. Und in puncto Wartezeit ist es sogar noch deutlich schlimmer als damals: Am Montag in der Früh steigt Diep in den Zug nach Köln, kurz vor Mitternacht nimmt er in der Regel den letzten ICE zurück und ist um sechs Uhr in der Früh wieder in München. Mehr als 12 Stunden Fahrtzeit für im Schnitt etwa 15 Minuten Spielzeit. „Das schlaucht einen schon. Das Erlebnis ist super, aber der Aufwand ist groß“, sagt Diep.

Nach dem anfänglichen Hype gab es zuletzt auch einige Negativ-Schlagzeilen um die Baller League. Nicht alle Vereine finden es gut, wenn ihre Spieler neben dem Amateurfußball in der neu gegründeten Liga aktiv sind. Für einiges Aufsehen sorgte der FV Bonn-Endenich aus der fünftklassigen Mittelrhein-Liga. Dessen Sportlicher Leiter, Markus Köppe, schimpfte in einem Video über die Baller League, an der mehrere Leistungsträger seiner Mannschaft teilgenommen hatten. Der Verein stellte diese vor die Wahl, sich entweder für den in seinen Augen richtigen Fußball oder die „Kirmes-Liga“ zu entscheiden.

„Wir wollen alle 13 Spiele gewinnen und ich will Torschützenkönig werden.“

Gilbert Diep ist trotzdem noch voll auf seine Ziele mit dem SV Pullach fokussiert.

Solche Dissonanzen gibt es beim SV Pullach nicht. „Es ist Weltklasse, wie der Verein mich unterstützt“, betont Diep. Ihm selbst tue es leid, bei den Montagstrainings zu fehlen, da er als Führungsspieler vorangehen möchte. Doch der SV Pullach zeige volles Verständnis. Wenn es zeitlich passe, würden die Spieler sogar vor dem Training in der Kabine gemeinsam seine Spiele verfolgen. Nach der Aufregung um den FV Bonn-Endenich bekräftigte der Landesligist seine Unterstützung für Diep auch in den Sozialen Medien. In einem Instagram-Post heißt es, der SVP stehe „zu 100 Prozent hinter Gilbert Diep und seinem Abenteuer in der Baller League“. Man sehe die Baller League „nicht als Konkurrenz, sondern viel mehr als eine Chance für viele Amateurfußballer, um sich auf größerer Bühne zu zeigen.“

Von Dieps Einsätzen in der neuen Liga haben auch die Gegner im bayerischen Amateurfußball Wind bekommen, den einen oder anderen Spruch musste er sich in den vergangenen Wochen von seinen Gegenspielern anhören. Er macht allerdings nicht den Eindruck, als ob ihm das allzu viel ausmachen würde. Auch, was die Ziele für die Restsaison mit dem SV Pullach angeht, gibt er sich selbstbewusst. „Wir wollen alle 13 Spiele gewinnen und ich will Torschützenkönig werden“, kündigt der 27-Jährige an. Ob er im nächsten Jahr in der Baller League erneut dabei ist, steht noch in den Sternen. Und eines ist für ihn trotz aller Freude über die neue Erfahrung klar: „Ein Punktspiel im Elf-gegen-elf ist schon noch einmal etwas anderes.“ (Tobias Empl)

Aufrufe: 029.2.2024, 16:16 Uhr
Tobias EmplAutor