2024-04-25T14:35:39.956Z

Allgemeines
Zu teuer: Der Verein kann sich Maximilian Berwein nicht mehr leisten und legte ihm nahe, den Vertrag aufzulösen. Eine offene Kommunikation war und ist nicht vorhanden. Sie haben uns nur mitgeteilt, dass sie uns nicht mehr haben wollen.“ Maximilian Berwein
Zu teuer: Der Verein kann sich Maximilian Berwein nicht mehr leisten und legte ihm nahe, den Vertrag aufzulösen. Eine offene Kommunikation war und ist nicht vorhanden. Sie haben uns nur mitgeteilt, dass sie uns nicht mehr haben wollen.“ Maximilian Berwein – Foto: imago/zink

"Es brennt lichterloh" - Berwein packt über Türkgücü München aus

Maximilian Berwein spricht über nicht gezahlte Gehälter bei Türkgücü

Sie bekommen kein Geld und sollen den Verein verlassen: Maximilian Berwein spricht als erster Spieler über die Situation bei Fußball-Regionalligist Türkgücü München.

München – Maximilian Berwein ist 28 Jahre alt – und zum ersten Mal hat er Weihnachten im Ausland erlebt. Er hat das gebraucht, ein wenig Abstand zum Jahresausklang. In Ägypten war er weit weg von den Ereignissen, die jedem jungen Menschen massiv zusetzen würden. Sein Vater liegt nach einer Hirnblutung im Mai noch immer in einer Bad Aiblinger Spezialklinik.

Wie es weitergeht mit ihm, seiner Gesundheit und seinem Betrieb, in dem Berwein angestellt war, vermag niemand zu sagen. Der Fußball, sagt Berwein, war stets ein Ausgleich, der ihn weggetragen hat von den Sorgen um seinen Papa. In München bei Türkgücü schrieb er eine der schönsten Geschichten der diesjährigen Regionalliga Bayern als Hauptverantwortlicher mit. Auf Rang drei überwintert der Verein. Berwein gehört zu den Top-Scorern, spielte im Stadtderby die kleinen Bayern schwindelig, die Fans lieben ihn. Und er sie.

„Keiner will der Erste sein, der die Bombe platzen lässt."

Maxi Berwein über die Zustände bei Türkgücü München.

Bis zum Dezember ließ sich das Märchen aus dem Münchner Osten aufrecht erhalten. Dann enthüllte die Süddeutsche Zeitung, was sich wirklich abspielt. Ein Kurzabriss der traurigen Realität: Trainer und Spieler sollen nach dem Ausstieg des Investors Milan Rapaic seit Monaten auf ihr Geld warten. Selbst ein Punktabzug steht im Raum, weil Türkgücü zum Stichtag im Oktober für einige Spieler keinen Nachweis über die Abgabe von Sozialversicherungsbeiträgen an den Bayerischen Fußball-Verband (BFV) erbringen konnte, schreibt die SZ.

Als erster Spieler spricht nun Berwein mit dem Tagblatt über die angespannte Lage. „Keiner will der Erste sein, der die Bombe platzen lässt“, sagt er. Aber er traut sich das jetzt als einer der Älteren und weil er sich das leisten kann. Im Gegensatz zu anderen, die ihren Lebensunterhalt mit dem Gehalt bestreiten müssen, ist Fußball ein gut bezahltes Hobby für ihn. Er besucht die Meisterschule, arbeitete für seinen Vater. Auch ihm schuldet der Verein mehrere tausend Euro. Berwein sagt: „Es brennt lichterloh.“

„Fakt ist, dass sie uns im Regen stehen lassen.“

Maxi Berwein über die Vereinsführung von Türkgücü München.

Über Neujahr hofften er und die Kollegen auf Neuigkeiten, auf eine Zukunftsvision und vor allem auf ihr Geld. Nachdem sie aber wieder nichts von der Vereinsführung gehört haben, äußert sich der Stürmer nun öffentlich. Die Stammkräfte von Türkgücü fürchten, dass sie nur schwer wo anders unterkommen. Da gar niemand in der Szene wirklich mitbekommt, wie es um sie bestellt ist. Böses Blut wolle er auf keinen Fall hinterlassen, sagt Berwein, dafür waren die vergangenen eineinhalb Jahre in München zu schön.

„Fakt ist, dass sie uns im Regen stehen lassen.“ Was er meint: Niemand aus der Führungsetage spricht mehr mit den verdienten Fußballern. Nachdem man ihnen nahegelegt hatte, ihre Verträge auszulösen, riss der Kontakt zu Präsident Taskin Akkay und Sportvorstand Serdar Yilmaz ab.

Seit Oktober zahlte Türkgücü München keine Gehälter mehr

Schon zu Beginn der Saison wunderte sich der Garmisch-Partenkirchner über die gut-dotierten Verträge trotz des konstant niedrigen Zuschauerzuspruchs und der hohen Fixkosten des Vereins. „Du murrst natürlich nicht, wenn du selbst mehr bekommst und fußballerisch sowie menschlich überragende Mitspieler dazukommen“, sagt Berwein.

Im September warteten er und die Kameraden erstmals auf Gehalt und Prämien. Einmal tauchten die Vorstände in der Kabine auf, versuchten sich zu erklären. Ohne jedoch konkret zu werden. Danach sprachen sie nie mehr vor dem ganzen Team. Der September-Obolus wurde Berwein nachträglich noch ausgezahlt. Seitdem gab’s nur das Oktober-Gehalt etliche Wochen später, sonst nichts mehr. Die Prämien strich der Klub komplett.

Kommunikation zwischen Vorstand und Spieler nur per Textnachrichten

Erst Mitte Dezember, nach mehreren vergeblichen Versuchen, Kontakt aufzunehmen über Mannschaftsrat oder Trainerteam, bekam er von Sportvorstand Yilmaz einen Anruf. Yilmaz teilte ihm deutlich mit, dass sich der Verein ihn nicht mehr leisten könne, und legte ihm nahe, den Vertrag aufzulösen. So ging es laut Berwein sämtlichen Stammkräften. Ihm zufolge dürfte ein Großteil des Teams betroffen sein, wahrscheinlich um die 20 Spieler.

„Aus dem Spieltagskader der Vorrunde werden nur ganz ganz wenige übrig bleiben“, sagt Berwein. Seitdem kommunizieren beide Parteien – also Spieler und Vorstand – nur noch via Textnachrichten. „Die rufen niemanden mehr von uns an. Auch den Trainer nicht.“ Coach Alper Kayabunar ist der Kapitän, der das kenternde Schiff so lange auf Kurs hielt. Nur ihm ist es zu verdanken, dass sie überhaupt noch weiter trainierten und spielten – und gewannen. Obwohl es kein Geld gab.

Spieler gehen rechtlich gegen Türkgücü München vor

Längst gehen Berwein und Co. rechtlich gegen den Verein vor. Sie mahnen ihr ausstehendes Gehalt an, behalten sich den Zug vors Arbeitsgericht vor. Für den 20. Januar hat Türkgücü den Trainingsstart angesetzt. „Wer da kommt oder überhaupt kommen darf, wissen wir alle nicht. Eine offene Kommunikation war und ist nicht vorhanden. Sie haben uns nur mitgeteilt, dass sie uns nicht mehr haben wollen“, erklärt der 28-Jährige.

In der größten Not, das weiß Berwein, muss er ein halbes Jahr pausieren. Ein Umzug an einen anderen Standort kommt nur ungern infrage, „es sei denn es würde alles zusammenpassen“. Wegen der Meisterschule eben, der Familie, der Freundin, seinem Vater. Gleichwohl sagt er: „So lange Fußball auf diesem Niveau mit meinem Leben kompatibel ist, würde ich das gerne mitnehmen.“ Die Regionalliga mit all ihren Facetten gefällt ihm gut. Aber natürlich möchte er das Gehalt haben, dass ihm zusteht. „Ich will ungern das Ersparte aufbrauchen – wegen des Fehlverhaltens des Vereins.“

Aufrufe: 04.1.2024, 17:15 Uhr
Andreas MayrAutor