2024-05-02T16:12:49.858Z

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Für die Senioren ist Dennis Grassow die gute Seele des Hauses.
Für die Senioren ist Dennis Grassow die gute Seele des Hauses. – Foto: Laura May

„Bin mit Herzblut dabei“: Ex-Bayernspieler ist jetzt Hausmeister im Seniorenheim

Dennis Grassow hat seine Berufung gefunden

Der Ex-Bayern-Profi Dennis Grassow ist heute 51 Jahre alt und hat als Hausmeister in der Seniorenresidenz in Taufkirchen seine Bestimmung gefunden.

Taufkirchen – Er war für ein halbes Jahr als Verteidiger beim FC Bayern in Giovanni Trappatonis Spitzenkader unter Vertrag. Das ist über 20 Jahre her. Und auch wenn Dennis Grassow für die Bayern nur in einem Pokalspiel zum Einsatz kam, denkt er gerne an seine Zeit an der Fußballspitze zurück. An die Fahrt zum Champions-League-Spiel nach Paris, die pompöse Welt der Sporteliten. „Ich bin froh und stolz, das erlebt zu haben“, sagt er.

Von Champions League ins Seniorenheim

Die Zeit des Fußballruhms ist für ihn lange vorbei. Heute ist Grassow 51 und arbeitet als Hausmeister in der Taufkirchner Seniorenresidenz am Köglweg. Der kräftige Mann mit tiefer Stimme hat hier seinen Platz gefunden, eine Arbeit, die ihm Spaß macht. „Ich fühle mich wohl, ich mache das mit Herzblut“, sagt er über sein Leben im Altenheim. Er ist die gute Seele für die Bewohner, „das Hausmädchen für alles“, sagt er. Auch außerhalb seiner Arbeitszeiten hilft er gerne bei Alltagsproblemchen. Hakt die Toilettenspülung? Hängt ein Bild schief? Tropft der Wasserhahn? Grassow hilft.

Hoch hinaus: Dennis Grassow (l.) im Trikot der SpVgg Unterhaching beim Sieg gegen Leverkusen.
Hoch hinaus: Dennis Grassow (l.) im Trikot der SpVgg Unterhaching beim Sieg gegen Leverkusen. – Foto: privat

Der Ex-Fußballer wohnt in einer der 27 Mitarbeiterwohnungen der Wohnanlage – Arbeit und Privates verschwimmen für ihn. Manchmal stehe auch ein Bewohner plötzlich in seinem Zimmer. „Tür verwechselt“, erklärt Grassow verständnisvoll. Zu manchen Bewohnern hat er über die Jahre eine enge Verbindung aufgebaut, kennt ihre ganze Lebensgeschichte. Das ist nicht immer leicht, Grassow hat schon viele sterben sehen. Er zuckt mit den Schultern. „Traurige Momente gehören im Altenheim auch dazu.“

2000 verhilft er den Bayern zum Titel

Dennis Grassow ist nicht eitel. Er prahlt nicht mit seiner Fußballer-Vergangenheit. Einrichtungsleiter Safet Pjanic hat erst nach Jahren der Zusammenarbeit von seiner Karriere als Profifußballer erfahren – seitdem hängt im Eingangsbereich des Altenheims ein Bild der Bayern Mannschaft 1997/98 – Grassow zwischen Fußballgrößen wie Oliver Kahn, Lothar Matthäus oder Giovane Èlber.

Sein Stopp in der Profimannschaft war allerdings nur ein Höhepunkt seiner sportlichen Karriere. So denkt Grassow gerne an seine Zeit beim 1. FC Köln, wo er mit 19 Jahren das erste Mal Bundesligaluft schnupperte und von Toni Polster den Spitznamen „Eisenbieger“ erhielt. Wegen seiner fairen aber harten Spielweise sei das gewesen. Daran erinnert sich Dennis Grassow genau.

Oder an seine Zeit bei der SpVgg Unterhaching. Vor allem an das „Highlightspiel gegen Bayer Leverkusen“. Eingefleischte Bayern-Fans erinnern sich: Am letzten Spieltag im Jahr 2000 schlagen die Hachinger den Tabellenführer Leverkusen überraschend 2:0. Bayern wird doch noch Meister. Ein Herzschlagfinale. „Die haben uns eingeladen, und wir durften mit ihnen die Meisterschaft feiern.“ Sowieso prägte Unterhaching seine fußballerische Karriere. Er spielte in zwei Etappen rund acht Jahre dort. 2004 wechselte Grassow zum SV Darmstadt 98 unter Trainer Bruno Labbadia. „Von Darmstadt ging es nochmal drei Jahre nach Regensburg – dort habe ich mit 37 Jahren meine aktive Karriere beendet.“

Fußballprofis von Altersarmut bedroht

Grassow erzählt vom Ende seiner Karriere mit verschränkten Armen. Wie für viele andere Berufsfußballer war der Übergang in die Berufswelt nicht einfach für ihn. Auch er wollte in der Branche bleiben und absolvierte verschiedene Trainerlizenzen. Grassow schaut in die Ferne durch das Fenster des Seniorenheims. Für viele Profisportler sei die Altersvorsoge ein Problem. „Ein schwieriges Thema“, gerade wenn man über das Karriereende von Berufsfußballern der 2. oder 3. Liga spricht, die keine Millionen verdienen. „Dann stehst du da und hast nichtmal einen Puffer“, sagt Grassow.

Immer wieder die Ärmel hochkrempeln – das macht Ex-Fußballer Dennis Grassow im Seniorenheim.
Immer wieder die Ärmel hochkrempeln – das macht Ex-Fußballer Dennis Grassow im Seniorenheim. – Foto: Laura May

„Ich habe mich auch als Trainer versucht im Jugendbereich“, sagt er. Doch ihm wurde damals schnell klar: Eine Trainerkarriere ist nicht das Richtige für ihn. Dennis Grassow musste also eine Entscheidung treffen, sich nach etwas anderem umschauen. „Das war gar nicht so einfach.“ Er war ein Jahr lang arbeitslos, bevor er durch einen glücklichen Zufall seine neue Berufung fand. Sein Wagen stand bei einem Oberhachinger Freund in der Autowerkstatt. „Wie es der Zufall so will, hatte auch die damalige Heimleiterin ihren Wagen in der Werkstatt.“ Das Heim suchte einen neuen Haustechniker – Grassow ist heute in seinem elften Dienstjahr.

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TSV 1860 und Ausbildung zugleich

Durchhaltevermögen und Handwerk hat Grassow vor seiner Zeit im Profifußball gelernt. Der gebürtige Berliner musste sich durchboxen, als er mit 16 alleine nach Bayern kam. Während er beim TSV 1860 Fußball spielte, absolvierte er eine Ausbildung als Sanitärinstallateur. Er wohnte bei Erding, stand jeden Tag um 6 Uhr an der S-Bahn und direkt nach der Arbeit zum Training. „Das waren harte Anfangszeiten.“

Für ihn hat es sich gelohnt. Durch die Sechziger tauchte er überhaupt auf dem Radar der Fußballbranche auf und kann heute den Bewohnern im Seniorenheim von glorreichen Siegen und ärgerlichen Niederlagen erzählen. Für manche wirke es wie ein Abstieg, dass Grassow heute als Haustechniker arbeitet, sagt er. „Aber es ist für mich völlig egal, was andere Leute denken, ich mache das aus Überzeugung.“

Kontakt zur alten Fußballwelt ist abgerissen

Ein bisschen mehr Kontakt zu seiner alten Fußballwelt hätte er trotzdem gern. „Einmal noch eine Sportschau von damals sehen“, sagt er mit leuchtenden Augen und richtet sich auf. „Aber da finde ich nichts.“ Nach der aktiven Karriere würden die meisten Kontakte schnell abreißen – nur mit Giovane Èlber habe er noch etwas Kontakt. Und wenn er zu Spielen in Unterhaching geht, seien immer noch dieselben Ordner wie damals auf ihren Posten. Grassow ist nur kurz sentimental. Er muss auch wieder auf Posten. Zum nächsten Bewohner.

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Aufrufe: 019.8.2023, 10:00 Uhr
Laura MayAutor