Es muss so um die 80. Minute gewesen sein, als Torhüter Johannes Kultscher seine Vorderleute lautstark an Grundsätzliches erinnerte: „Kommt Jungs, Fußball spielen!“ Ein gut gemeinter Rat, doch an der Umsetzung scheiterten die mit so großen Ambitionen in die Saison gestarteten Landesliga-Fußballer der Holzheimer SG auch bei der 1:3-Niederlage (Halbzeit 1:0) gegen die SG Unterrath auf ganzer Linie.
Selbst Trainer Hamid Derakhshan blieb nach der bereits zweiten Niederlage im vierten Saisonspiel nur die besorgniserregende Erkenntnis: „Das ist zu wenig.“
Dabei schien die für diese Spielklasse mit ganz außergewöhnlicher Prominenz bestückte Truppe, deren 4:0-Sieg am dritten Spieltag in Mennrath als Initialzündung hätten wirken sollen, zur Mitte der ersten Hälfte auf einem guten Weg. Da griff in einer bis dahin komplett ausgeglichenen Partie der Japaner Hiromasa Kawamura bei seinem zauberhaften Treffer zum 1:0 ins oberste Regal der Fußball-Kunst. Ein Erfolgserlebnis, das eigentlich Auftrieb hätte geben müssen. Doch das Gegenteil war der Fall. Die personell ebenfalls prächtig bestückten und dazu bis in die Haarspitzen motivierten Gäste begannen nach der bei fast 30 Grad dringend angeratenen Trinkpause damit, dem vorerst ehemaligen Aufstiegskandidaten klassisch den Schneid abzukaufen – und zwar mit den auch in Zeiten „diametral abkippender Sechser“, „Box-to-Box-Achtern“ oder „Acht-Ein-Halbern“ nach wie vor gültigen Grundtugenden Kampf, Einstellung und Mannschaftsgeist.
Während die sicherlich mit herausragendem Talent ausgestatteten Hausherren in maßloser Selbstüberschätzung glaubten, den Kontrahenten allein mit Tiki-Taka-Fußball in die Schranken weisen zu können, hielt es SG-Trainer Deniz Aktag mit seinen Schützlingen einfach. Spätestens mit dem verletzungsbedingten Ausscheiden des von Derakhshan als Führungskraft bezeichneten Routiniers Maik Odenthal kam das Angriffsspiel der HSG fast zum Erliegen, „kam ein Bruch in unser Spiel.“
Die zweite Hälfte gehörte Unterrath im Grunde komplett. Der hochverdiente Ausgleichstreffer von Oliver Dessau in der 58. Minute bei maximal geringer Gegenwehr gab den körperlich wesentlich präsenteren Kickern aus dem Düsseldorfer Norden zusätzliche Sicherheit. In der zweiten Trinkpause beschied Aktag seinem Team: „Jungs, wir haben sie!“ Nur kurz darauf gerieten die durch den Ausfall ihres Kapitäns Aram Abdelkarim (67.) zusätzlich geschwächten Holzheimer mit 1:2 ins Hintertreffen (73.), leisteten beim zweiten Streich Oliver Dessaus sogar unfreiwillig Hilfestellung.
Auch wenn zu diesem Zeitpunkt längst nichts mehr darauf hindeutete, vielleicht hätte das Match noch mal einen Dreh bekommen, wenn die Gastgeber bei ihrer Doppelchance im direkten Gegenzug erfolgreich gewesen wären. Dass Oguz Ayan das Leder aus kurzer Entfernung nicht an SG-Torhüter Payam Safarpour-Malekabad vorbeibrachte und der eingewechselte Sinan Kurt den Ball im Nachschuss übers Gestänge setzte, passte zum erschreckend matten Auftritt der Neusser, die – von Ausnahmen abgesehen (Baran Bal, Aram Abdelkarim) – nur in ganz wenigen Momenten den Willen erkennen ließen, sich energisch gegen den abermaligen Rückschlag zu stemmen.
Bereits unmittelbar nach dem Treffer von Hae-seong Jung in der dritten Minute der Nachspielzeit zum 1:3-Endstand zog sich Derakhshan mit seinem Coaching-Staff zur „Krisensitzung“ ins Klubhaus zurück. Zu ergründen gilt, woran es liegt, dass der von den Namen her erstklassig besetzte Kader im Ligabetrieb noch gar nicht abliefert. Ganz offensichtlich ist, dass es der Sportlichen Leitung bislang nicht gelungen ist, einen echten Teamgeist zu entwickeln. Wie eine als Einheit funktionierende Mannschaft auftritt, zeigte die SG Unterrath, die zwar ebenfalls nicht die Sterne vom Himmel spielte, aber bei brütender Hitze (körperlich) ans Limit ging.
Möglicherweise überfordert der um Professionalität bemühte Coach seine (Amateur-) Kicker aber auch mit seinen taktischen Vorgaben („Achtung, wir bereiten München vor.“). Gerade Fußballer müssen frei im Kopf sein. Allerdings ist nach dem missratenen Saisonstart auch die fast schon ketzerische Frage erlaubt, ob die Qualität der Mannschaft tatsächlich den hohen Ansprüchen genügt?