2024-05-17T14:19:24.476Z

Interview
Beim Training der BCF-Frauen ist Trainerin Franziska Hein in ihrem Element.
Beim Training der BCF-Frauen ist Trainerin Franziska Hein in ihrem Element. – Foto: Hans Lippert

BCF-Trainerin Hein lobt Team vor Saisonfinale: „Der Spirit ist gerade richtig gut“

BCF kämpft noch um Meisterschaft

Trainerin Fraziska Hein spricht im Interview über Frauen-Fußball und die aktuelle BCF-Erfolgsserie. Wolfratshausen kann am letzten Spieltag theoretisch noch Meister werden.

Wolfratshausen – Die Männer genießen die Sommerpause, die Saison der Frauen-Bezirksoberliga läuft noch eine Woche lang. Die Fußballerinnen des BCF Wolfratshausen können nach ihrem 2:0-Sieg in Eching zwar noch vom Aufstieg träumen, denn Spitzenreiter Überacker leistete sich einen 1:2-Ausrutscher in Dießen. Doch als Tabellenzweiter haben sie es am letzten Spieltag nicht mehr in der eigenen Hand, den Titel zu holen.

Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt Trainerin Franziska Hein (25), die für den Bayerischen Fußballverband als Veranstaltungsmanagerin in der Aus- und Fortbildung von Trainern arbeitet, wie ihre Spielerinnen nach einem Durchhänger im Frühjahr die Kehrtwende schafften.

Frau Hein, auf einer Skala von eins bis zehn: Für wie pessimistisch halten Sie sich? Ich würde mich im Mittelmaß einordnen. Eine Sechs vielleicht. Wieso?

Weil Ihre Mannschaft die torgefährlichste der Liga ist und Sie trotzdem fast jedes Wochenende die Chancenverwertung kritisieren...?
Zurecht. Wenn wir zwei oder drei Tore schießen und das Spiel gewinnen, ist das super. Aber dass wir dafür gefühlt 40 Versuche brauchen, wo andere Mannschaften mit fünf Schüssen doppelt so oft treffen, muss ich ansprechen. Aber es stimmt schon. Am Fußballplatz bin ich kritischer als sonst.

Sind Sie Fußballtrainerin oder Frauenfußballtrainerin?
Ich denke beides.

Wie sehr nervt Sie der Zusatz „Frauen“, wenn es um Frauenfußball geht?
Ich weiß, dass es darum Diskussionen gibt, aber mich stört das nicht so wahnsinnig. Man spricht ja auch von Jugendfußball. Unterm Strich spielen wir alle einfach Fußball. Aber klar: Das Thema Frauenfußball ist immer ein Grund, um zu diskutieren.

Inwiefern?
Es gibt einige, die es total cool finden, dass sich der Frauenfußball so positiv entwickelt. Aber es gibt immer noch die Stammtischrunden, die sich darüber lustig machen, was für ein schlechtes Frauen-Spiel sie gesehen haben.

Wie reagieren Sie darauf?
Ich versuche, das zu ignorieren. Jeder kann sich seine eigene Meinung bilden.

Stört es Sie, dass am Tag des Frauen-Champions-League-Finals in der ARD der „Finaltag der Amateure“ übertragen wurde?
Ganz optimal finde ich das nicht. Aber die Entwicklung insgesamt geht in die richtige Richtung und das muss man positiv sehen. Ich muss aber auch zugeben, dass ich mich selbst vor zehn Jahren noch überhaupt nicht mit dem Frauenfußball auseinander gesetzt habe. Wenn ich Spiele gesehen oder Trikots gekauft habe, dann von den Männern.
Ich habe von einigen gehört, dass Ihnen die Entwicklung im Männerfußball in den vergangenen Jahren – Thema Geld zum Beispiel – immer weniger gefällt und sie inzwischen lieber bei den Frauen zuschauen. Was mir aufgefallen ist: Es ist eine ganz andere Stimmung bei den Spielen.

Wo unterscheidet sich die Atmosphäre?
Ich war im Stadion bei einem Pokalspiel des 1. FC Nürnberg, wo sie ziemlich chancenlos rausgeflogen sind. Die Spielerinnen wurden nach dem Abpfiff trotzdem von den Fans gefeiert. Das ist bei Männern anders.

Seit der Rückrunde sind Sie alleinige Cheftrainerin beim BCF. Wie haben Sie das erste halbe Jahr erlebt?
Am Anfang war es eine ziemlich große Herausforderung. Es kam ja auch relativ plötzlich, dass ich den Job alleine gemacht habe. Davor habe ich mich viel mit dem Tobi (Bernwieser, Anm. d. Red) ausgetauscht. Dass er gesundheitsbedingt aufhören musste, hat für mich viel verändert.

Was denn?
Die Spiele, die Trainings, die Gespräche mit den Spielerinnen – das war auf einmal alles allein in meiner Hand. Dann stand ich einsam an der Seitenlinie und musste entscheiden, ob ich jetzt das System umstelle oder eine Spielerin raus nehme.

Was hat sich positiv verändert?
Mein Verhältnis zu den Spielerinnen. Dadurch, dass ich alleine war, gab’s keine geheimen Absprachen im Trainerteam mehr. Abseits vom Spielfeld hatte ich auch wieder mehr Kontakt mit den Mädels. Das Verhältnis war, seit ich ins Trainerteam eingestiegen bin, ein bisschen distanzierter, ohne dass es mir aufgefallen wäre.

Ihr Start war holprig: In den Spielen nach der Winterpause wurde der Abstand zur Tabellenspitze immer größer ...
Die fehlende Vorbereitung im Winter hat uns das Genick gebrochen. Das war streckenweise eine Katastrophe. Wir standen teils mit sieben Spielerinnen auf dem Kunstrasen – und zwar von der Ersten. Mit nur drei Startelf-Spielerinnen brauche ich nicht anzufangen, eine Taktik einzustudieren.

Ist Ihre Mannschaft so wetterfühlig?
Quatsch. Ein paar waren länger krank oder angeschlagen. Einige waren im Urlaub, was der Mannschaft sicher nicht geholfen hat. Das haben wir auch klar kommuniziert. Im Winter war die Moral ein bisschen im Keller. Die Fitness fehlte durch den Trainingsrückstand auch und die taktische Abstimmung sowieso.

Seit Wochen läuft’s wieder richtig gut. Wie haben Sie die Wende geschafft?
Die Mädels haben richtig Bock. Es ist ziemlich Zug und Stimmung im Training. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal nach einer Einheit vom Platz gegangen bin und richtig unzufrieden war. Der Spirit ist richtig gut gerade.

Sie sind mit 25 Jahren eine ziemlich junge Cheftrainerin. Vor zwei Jahren haben Sie selbst noch gespielt. Macht das die Arbeit leichter oder schwieriger?
Sowohl als auch, glaube ich. Zu einigen Spielerinnen habe ich durch meine Nähe einen sehr guten Draht. Aber gerade am Anfang hatte ich Bedenken. Ich hatte nie geplant, meine alten Mitspielerinnen und meine Freundinnen zu trainieren. Da besteht die Gefahr, dass die Freundschaft darunter leidet.

Wieso sollte das passieren?
Als Coach muss ich objektiv entscheiden – auch mal gegen eine Freundin. In solchen Momenten kann’s schon einmal krachen. Wir haben aber inzwischen die Lösung gefunden, dass das, was auf dem Spielfeld passiert, auch dort bleibt. Andersherum gilt das auch: Privates bleibt privat.

Sie haben zwei Trainerjobs parallel: Sie betreuen auch die bayerische U 14-Juniorinnen-Auswahl. Wie schaffen Sie den Spagat?
Das ist nicht leicht. Ich habe einige Spiele des BCF verpasst, weil ich auf Lehrgängen war oder zuletzt beim Länderpokal.

Sehr erfolgreich, richtig?
Wir haben den Länderpokal in Duisburg vor ein paar Wochen gewonnen. Das ist cool, aber zeitintensiv. Ich konnte mich nur selten zu 100 Prozent auf eine einzige Aufgabe konzentrieren. Dann war’s 23 Uhr abends und ich saß in Duisburg am Handy und habe meinem Co-Trainer die Aufstellung und die Taktik bei Standards durchgegeben. Künftig betreue ich die U 13-Juniorinnen. Das ist nicht ganz so stressig.

Was macht mehr Spaß zu trainieren – Jugend oder Erwachsene?
Ich glaube meine Stärken liegen eher bei den Frauen, da kann ich authentischer sein. Ich muss bei den Mädchen viel sensibler sein. Zum Beispiel, wenn wir einen Lehrgang in Tschechien haben und ein Mädel vor mir weint, weil sie Heimweh hat. Die ersten Male weiß man nicht, wie man darauf reagieren soll. Es gibt aber auch im Damen-Bereich Momente, in denen Sensibilität wichtig ist.

Wie meinen Sie?
Wenn ich einen Mann zur Schnecke mache, weil er schlecht trainiert, ist er vielleicht drei Minuten sauer. Aber dann ist auch wieder gut. Bei einer Spielerin kann es passieren, dass sie zwei Wochen lang kein Wort mit mir spricht.

Sie klingen, als würden Sie aus Erfahrung sprechen.
(lacht) Ein, zwei Mal ist es vielleicht vorgekommen.

Wie laufen die Planungen für die kommende Saison?
Ich kriege mit Edi Koller einen erfahrenen Co-Trainer an die Seite, der jahrelang beim TSV Murnau war und der zuletzt schon zwei Mal eingesprungen ist. Das ist eine Riesenentlastung, weil mein bisheriger Co Christian Leuchtner auch für die zweite Mannschaft zuständig gewesen ist und diese Doppelrolle sicher nicht optimal ist.

Was tut sich im Kader?
Wir haben schon einige Spielerinnen im Probetraining gehabt, die zu uns wechseln wollen. Der aktuelle Kader bleibt größtenteils zusammen, da sind 95 Prozent schon fix.

Das heißt, die Personaldecke wird endlich etwas dicker? In den vergangenen Jahren war das ja immer wieder ein Problem.
Stimmt, wir konnten gleichzeitige Ausfälle nicht so wirklich kompensieren. Vier oder fünf Neuzugänge sind aktuell eingeplant – aus der Landesliga oder der Bezirksoberliga, teilweise noch höher vom Niveau her. Wir hätten einen großen und sehr starken Kader, wenn das alles so klappt.

Und das Ziel heißt dann Aufstieg, wenn es in dieser Saison nicht klappt?
Wir wissen, dass die Meisterschaft ein schwieriges Ziel ist. Aber ja: Wenn wir uns so verstärken, muss das Ziel der Aufstieg sein. (Dominik Stallein)

Aufrufe: 013.6.2023, 07:26 Uhr
Dominik StalleinAutor