2024-05-02T16:12:49.858Z

Spielbericht
– Foto: Bröhan

ASC III feiert hart erkämpften Titel - mit einem kleinen Makel

Die SG Freiburg/Oederquart II befürchtet am letzten Spieltag der 4. Kreisklasse einen Abschuss. Der ASC Cranz-Estebrügge III will in Freiburg die Meisterschaft perfekt machen. Dann wird gezittert, geflucht, gezweifelt - und doch gefeiert, mit einem Makel.

Matthias Witt hatte kurz darüber nachgedacht, das Fußballspiel aufgrund arger Personalsorgen abzusagen. Aber unter diesen Umständen macht das ein Sportsmann nicht. Der 50-jährige SG-Trainer mobilisiert Spieler, die seit Monaten nicht mehr gegen den Ball getreten haben. Der 50-jährige Carsten Kruschka muss auch mal wieder aushelfen, erstmals über 90 Minuten als Feldspieler. Seine gewonnen Zweikämpfe werden besonders gefeiert. Zwischendurch muss er seinen Ehering seiner Frau Marion in die Hand drücken, weil er vergessen hatte, das goldene Stück abzunehmen. Trainer Witt wird sich später auch selbst einwechseln. "Das wird hier heute ein ganz klares Ding", sagt Witt vor dem Spiel, es sei nur eine Frage, wie hoch der Tabellenführer den Gastgeber abschießt.

90 Minuten später sind die Freiburger platt, aber zufrieden. Kruschka genießt die dritte Halbzeit an der Wurstbude mit seiner Frau. Raucht und legt den Ring lächelnd wieder an.

Der Titelfavorit fürchtet um den Lohn der Saison

Es kommt anders, als erwartet. Der SSV Hagen III hat zwei Punkte Rückstand auf den ASC und kann im Fernduell gegen Immenbeck IV theoretisch noch Meister werden. Zur Pause führt Hagen die Blitztabelle an. Der SSV führt in Immenbeck 2:1. Die Estebrügger liegen in Freiburg 0:1 zurück. Es hätten auch zwei oder drei Gegentore sein können.

Das Spiel ist auf dem Niveau der maroden Tartanbahn, die seit Jahrzehnten vor sich hin darbt. Die schön am Elbdeich gelegene Sportanlage gleicht einer Baustelle. Wohin man blickt - alles ist in die Jahre gekommen. Ein Müllcontainer in der einen Ecke und Steine, Dachziegel, Paletten auf der anderen Seite komplettieren das Bild. Die Sanierung soll in diesem Sommer aber beginnen.

Der trockene, teils schon braune Rasenplatz ließe aber gepflegten Fußball zu. Jörg Schier, bis 2009 langjähriger Trainer beim ASC, weiß, warum der Titelanwärter strauchelt und jegliche Torgefahr vermissen lässt. Nils Barrasch fehlt als Spielgestalter und Torjäger vorne und hinten, sagt Schier, während er eine Wurst im Schatten der Bude auf der Tribüne verputzt. Barrasch, mit 31 Treffern und elf Vorlagen der Topscorer der Liga, steht im letzten Spiel im Tor, weil die etatmäßigen Torhüter verhindert sind. Sollte sich diese Entscheidung etwa rächen? Schier und die anderen ASC-Anhänger zweifeln, während die ASC-Spieler ob ihres Unvermögens fluchen.

Schier macht Urlaub in Cuxhaven und hat sich extra fürs Saisonfinale aufs Rad gesetzt. Zweieinhalb Stunden kämpfte er sich gegen den Wind am Elbdeich entlang, um pünktlich zum Anpfiff da zu sein. Der Rückweg wird mit Rückenwind zumindest angenehmer, sagt er.

Der Mann am Grill hat alles im Blick

Ingo von der Reith schwitzt und witzelt am Grill. Zwei ASC-Anhänger muss er dann aber doch einmal zurechtweisen. Er habe sie genau beobachtet, nach dem Bier ist Schluss, dann wird das nächste isotonische Getränk gefälligst bei ihm gekauft. "Euer Kasten da ist nämlich nicht dazu da, eure verletzten Spieler zu versorgen, sondern eure Leber", sagt er. Das mitgebrachte Bier wird in einer handelsüblichen Verbandsbox gelagert. "Aber ordentlich Eis zum Kühlen haben wir schon dabei", ist die passende Antwort. Die Stimmung ist gut. "Fast-Meister", nennt Ingo von der Reith die ASC-Anhänger, die sofort bei ihm ein Bier bestellen.

Trainer Christian Suhr lässt seinen Frust in der Pausenansprache im Schatten eines Baumes raus: "Wir arbeiten seit einem Jahr auf diesen Tag hin und spielen jetzt so eine Scheiße", sagt er unter anderem.

Das Spiel wird nicht besser - aber das Ergebnis

Nach 70 Minuten holt Sven Hubert einen schmeichelhaften Foulelfmeter für den ASC heraus. Kapitän Marek Burchardt verwandelt sicher. Der Jubel ist groß. Ein Punkt reicht dem ASC aufgrund des besseren Torverhältnisses. Kurz vor Abpfiff gelingt Melvin Warnke noch ein "richtiges Gurkentor", wie es auf der ASC-Bank kommentiert wird. Der Meister gewinnt 2:1. Barrasch verpasst Trainer Suhr eine Bierdusche. Staffelleiter Hannes Menck überreicht die Medaillen und Meisterplakette. Es wird gefeiert. Die angefertigten Meistershirts haben aber einen Makel. Um auf der sicheren Seite zu sein, steht da nur "Aufsteiger" statt "Meister" 2023 drauf. Bis zur Pause war diese Vorsicht schlechtes Omen.

– Foto: Bröhan

Egal, vergessen. "Wir grillen jetzt alle im Vereinsheim, gucken Champions League-Finale und dann bietet sich das Schützenfest in Neuenfelde noch an", sagt Sven Hubert vor der 60 Kilometer langen Heimfahrt.

Aufrufe: 012.6.2023, 06:40 Uhr
Tageblatt / Von Jan BröhanAutor