2024-05-10T08:19:16.237Z

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Der Sportdirektor Michael Zeyer steht nach dem Abstieg als Verantwortlicher für den Kader besonders im Fokus. Foto: Baumann
Der Sportdirektor Michael Zeyer steht nach dem Abstieg als Verantwortlicher für den Kader besonders im Fokus. Foto: Baumann

Zeyer: "Wir müssen als Verein funktionieren"

Kickers-Sportdirektor Michael Zeyer blickt zurück und nach vorne

Nach dem Abstieg hat bei den Stuttgarter Kickers ein Neuanfang begonnen. Immer noch dabei ist allerdings der Sportdirektor Michael Zeyer, für viele Fans der Hauptgrund für die Misere. Vor dem Auftaktspiel der Fußball-Regionalliga Südwest gegen Waldhof Mannheim an diesem Freitag (19. 30 Uhr) bezieht der 48-Jährige Stellung.

Warum die Kickers abgestiegen sind
Ich glaube, dass wir gemeinsam den notwendigen Umbruch im vergangenen Sommer nicht mutig genug vollzogen haben. Inhaltlich waren wir zwar der gleichen Meinung, aber Horst Steffen stand doch nie voll dahinter. Wir haben uns am Limit bewegt, und da hat sich ein bisschen Bequemlichkeit eingenistet, bei allen. Mannschaft und Trainer standen sich sehr nahe, deshalb war es schwierig, die Strukturen aufzubrechen. Der Fußball ist jedoch ein Ergebnissport und jeder hätte sich dem Kollektiv unterordnen sollen, dann wäre der Abstieg auch nicht passiert.

Zum Umbruch in der Winterpause
Den mussten wir machen. Weil es eine Cliquenbildung in der Mannschaft gab, war das leider nicht anders möglich. Ein paar Dinge, wie mit Klaus Gjasula sind aufgegangen, ein paar andere nicht. Wir haben versucht, die Katastrophe aus dem Herbst 2015 auszugleichen, leider haben wir am Schluss nicht voll durchgezogen. Mit sechs Punkten Vorsprung muss man den Klassenerhalt schaffen. Viele Spieler waren in Gedanken aber auch schon bei anderen Vereinen, dann wird es relativ schwer, das aufzufangen – auch der andere Verein aus unserer Stadt kann ein Lied davon singen.

Zum Grund der vielen Wechselgedanken
Das waren vor allem Spieler, die schon länger im Verein waren. Von dieser Gruppe ging eine gewisse Unzufriedenheit aus. Sie haben immer gesagt, sie seien ein verschworener Haufen, auf dem Platz habe ich das aber nicht mehr gesehen. Wenn man Tabellenletzter ist, muss nicht nur der Sportdirektor, sondern auch jeder Spieler Verantwortung übernehmen und sich hinterfragen. In der Phase wurde das, was wir in den zwei Jahren zuvor bewegt haben, zum Fluch, weil sich jeder Spieler zu wichtig genommen hat. Wir waren nur als Gruppe erfolgreich. Aber wenn die Erwartungshaltung steigt, braucht man auch mehr Qualität. Da kann es schnell in die andere Richtung gehen, nachdem einige Schlüsselspieler ihre Rolle nicht mehr richtig interpretiert haben. Auch der Kapitän muss wissen, welche Rolle er spielt. Und ich glaube nicht, dass Enzo wusste, was für den Verein gut ist und dass er so an der Schieflage beteiligt war.

Zum Vorwurf Enzo Marcheses, der Sportdirektor betreibe eine One-Man-Show
Von Enzo nehme ich die Kritik nicht seriös an, weil er immer nur in seinem eigenen Interesse gehandelt hat. Wir haben ja nicht nur mich im Verein. Wir haben ein Präsidium, Aufsichtsratsmitglieder, die sich engagieren, Menschen, gegenüber denen ich mich rechtfertigen muss, was ich tue. Natürlich haben wir keine drei weitere Personen, die sich um den Kader kümmern und dazwischengeschaltet sind. Ich halte das auch nicht unbedingt für sinnvoll, zumal es finanziell gar nicht möglich ist. Wir haben vernünftige Strukturen, ich wüsste nicht, wo wir noch Leute einbinden sollen, die auch noch Geld verdienen wollen.

Über Rücktrittsgedanken
Ich habe mein Amt zur Verfügung gestellt für den Fall, dass der Verein anderweitig geplant hätte. Das wäre legitim gewesen. Aber ich habe den Bettel nicht hingeworfen, als ich gute Angebote hatte, und ich habe ihn nicht hingeworfen, als es jetzt zum Abstieg kam, der uns hart getroffen hat. Weil ich mir immer zum Ziel gesetzt hatte, bei den Kickers langfristig etwas zu bewegen – über die erste Mannschaft hinaus. Wir sind ein Verein mit sozialer Verantwortung. Die Kickers bekennen sich zur U 23, und das in einer Zeit, in der viele Profivereine ihre Mannschaften abmelden und die ganze Jugendarbeit als lästig empfinden. Der Verein ist mehr als die erste Mannschaft, auch wenn die unser Zugpferd ist. Dass wir mit ihr so abgestürzt sind, daran ist nicht nur der Sportdirektor schuld. Für mich ist aber nicht nur entscheidend, in welchen Ligen unsere Jugend-Mannschaften spielen, sondern auch, was wir daraus entwickeln – und das ist in den letzten Jahren eindeutig zu wenig gewesen. Aber so langsam ernten wir die Früchte der Arbeit.

Ob der Abstieg auch eine Chance ist
Natürlich haben die Eigengewächse jetzt eine höhere Chance, in die Stammformation zu kommen. Aber unser Ziel wäre sowieso gewesen, jedes Jahr Spieler oben reinnehmen können, wie Nico Blank oder Enis Küley. Ich sehe das nicht als Chance, sondern als Neubeginn. Und ich hätte die Aufgabe lieber in der dritten Liga betrieben, um neue Schritte einzuleiten und dann gestärkt aus der Krise rauszukommen. Aber man sieht selbst nach diesem Erdrutsch: der Verein existiert weiter und wir stellen eine Mannschaft mit Perspektive, auch wenn sie blutjung ist.

Was man vom Team erwarten kann
Die Mannschaft ist unheimlich willig, fit und aufs Wesentliche konzentriert Die Mentalität, Leistungs- und Leidensbereitschaft im Trainingslager war immens. Die jungen Spieler haben verinnerlicht, dass die Wahrheit auf dem Platz liegt – und nicht drumherum. Wir müssen ihnen noch ein wenig Hilfestellung geben, weil der Kader zu dünn ist bei den vielen englischen Wochen, die wir vor uns haben. Sie braucht definitiv noch zwei, drei Qualitätsspieler, um an der Spitze mitspielen zu können. Im Augenblick ist das noch zu ambitioniert, wobei die Mannschaft tollen Fußball bieten kann, das hat die Vorbereitung gezeigt.

Zu den Hauptkonkurrenten der Liga
Die saarländischen Vereine haben mächtig aufgerüstet: Saarbrücken hat Qualität geholt, auch Homburg, Elversberg hat sowieso einen sehr guten Drittligaetat, auch Waldhof hat wieder eine gute Mannschaft. Und dann gibt es noch eingespielte Mannschaften wie Trier. Die Spitze wird viel breiter sein als in der Vergangenheit, weil mehr Vereine mehr investieren. Ich glaube, dass acht bis zehn Mannschaften das Ziel haben, nach oben zu kommen.

Ob die Kickers aufsteigen müssen
Wir arbeiten daran, dass wir nicht immer aufsteigen müssen, sondern dass wir als Verein funktionieren und dass unsere Partner es honorieren, dass wir gut strukturiert sind und so vielleicht eine neue Kultur einkehrt. Dass man die Kickers auch in der vierten Liga unterstützt und sich die Zeit nimmt, den Verein weiterzuentwickeln. Das wäre der Wunsch – und den haben wir zu einem großen Teil schon erreicht.

Aufrufe: 05.8.2016, 16:00 Uhr
StZ / Joachim KlumppAutor