2024-04-30T13:48:59.170Z

Ligabericht
Die Gelb-Rote Karte präsentiert Schiedsrichterin Julia Dörr (22, TSV Wolfskehlen) in Punkt- und Pokalspielen der Männer ab Kreisoberliga abwärts in der nächsten Saison nicht mehr. Als offizielle Geste für die Zeitstrafe wird sie stattdessen mit einer Hand zweimal in Folge die „Fünf“ zeigen.
Die Gelb-Rote Karte präsentiert Schiedsrichterin Julia Dörr (22, TSV Wolfskehlen) in Punkt- und Pokalspielen der Männer ab Kreisoberliga abwärts in der nächsten Saison nicht mehr. Als offizielle Geste für die Zeitstrafe wird sie stattdessen mit einer Hand zweimal in Folge die „Fünf“ zeigen. – Foto: Uwe Krämer

Zeitstrafe: Abkühlung für Hitzköpfe oder Ursache für mehr Härte?

Fußballexperten aus dem Kreis Groß-Gerau sehen Wiedereinführung der Zeitstrafe unterschiedlich

Nach drei Jahrzehnten ist die Zeitstrafe im hessischen Amateurfußball zurück: Seit 1. Juli gibt es – wie berichtet – ab der Kreisoberliga abwärts in Punkt- und Pokalspielen der Männer statt der Gelb-Roten Karte die Zehn-Minuten-Zeitstrafe. Der DFB-Spielausschuss gab grünes Licht für das hessenweite Pilotprojekt, wonach künftig ein Spieler beim ersten Vergehen eine Gelbe Karte erhalten soll und beim zweiten Mal eine Zeitstrafe. Leistet er sich ein drittes gelbwürdiges Vergehen, sieht er die Rote Karte

„Die Zeitstrafe ist eine Art Präventionsmaßnahme, um bei vielen Hitzköpfen ein bisschen die Luft herauszunehmen“, sagt Verbandsfußballwart Jürgen Radeck zu der Regeländerung. Bei einer Umfrage im Kreis Groß-Gerau war das Meinungsbild aber geteilt. Während Befürworter wie der Abteilungsleiter des TSV Wolfskehlen, Horst Hammann, die Möglichkeit begrüßen, „zu reagieren, bevor ein Spiel aufgrund einer frühen Ampelkarte kippt“, befürchten Kritiker wie Trainer Dennis Verzay (SG Trebur-Astheim), „dass wir schnell übermäßig in Unterzahl spielen und es zu übermäßiger Härte kommen könnte“. Einigkeit herrscht darüber, dass auf die Schiedsrichter deutlich mehr Arbeit zukommt.

Das sagt Kreisschiedsrichterwart Uwe Lang (Bischofsheim):

In meiner Anfangszeit als Schiedsrichter wurde die Zeitstrafe gerade abgeschafft. Die Praxis wird zeigen, ob die wieder eingeführte Zeitstrafe in einzelnen Fällen während des Spiels die Gemüter so abkühlen kann, wie es wünschenswert wäre. Ich hoffe es doch sehr. Schwierig könnte es werden, wenn gleich mehrere Spieler eine Zeitstrafe absitzen und man als einzelner Schiedsrichter das mit im Blick haben muss. Die Herausforderung für uns Schiedsrichter ist, das zusätzlich zur Spielleitung zu überwachen.

Das sagt Abteilungsleiter Horst Hammann (TSV Wolfskehlen):

Ich bin seit meiner Zeit als aktiver Spieler in den achtziger und neunziger Jahren ein Befürworter der Zeitstrafe und halte die Argumente, die der hessische Verband ins Feld geführt hat, für zutreffend: Tatsächlich lassen sich Spieler und Spielsituationen damit beruhigen und Trainer erhalten die Möglichkeit zu reagieren, bevor ein Spiel aufgrund einer frühen Ampelkarte kippt.

Ich habe selbst ab und an im Rahmen von Zeitstrafen Puls und Gemüt wieder regulieren können und habe vielleicht auch deshalb in elf Jahren Landesliga mit meinem Verein TSV Wolfskehlen nie eine Rote Karte quittieren müssen. Allerdings sehe ich auf die Schiedsrichter in den Kreisklassen einen deutlichen Mehraufwand zukommen, vor allem dann, wenn sie bei mehreren versetzten Zeitstrafen in kurzer Zeit die Uhr im Auge behalten müssen, ohne dass die Konzentration auf das Spielgeschehen leidet. Das haben früher in den höheren Klassen die Assistenten an der Linie erledigt.

Das sagt Trainer Dennis Verzay (SG Trebur Astheim):

Ich halte von der Zeitstrafe nichts. Die Gefahr dabei ist, dass wir schnell übermäßig in Unterzahl spielen. Eine Zeitstrafe ist schneller ausgesprochen als eine Gelb-Rote Karte. Ich bin davon überzeugt, dass die Zehn-Minuten-Zeitstrafe zu schnell und zu oft unnötig angewendet wird.

Die Regel mit der Gelb-Roten fand ich sinnvoll. So wusste man: Ich kann mir nicht mehr viel erlauben. Bei zehn Minuten könnte es zu übermäßiger Härte kommen.

Das sagt Spieler und Sportchef Dominik Belle (TV Haßloch):

Zunächst mal bemängele ich die Kommunikation seitens des Verbands. Alle Vereine haben eine E-Mail erhalten, in der die neue Regel detailliert erläutert, jedoch kein Wort darüber verloren wird, weswegen diese Regel nun eingeführt wird. Insofern fallen mir auch nach längerer Überlegung keine Vorteile der neuen Regelung ein.

Stattdessen befürchte ich, dass es künftig vermehrt zu gelb-würdigen Vergehen, insbesondere taktischen Fouls, kommen wird, da die Spieler nun quasi „einen zusätzlichen Schuss frei haben“, bevor sie dauerhaft des Feldes verwiesen werden. Für die Verhinderung eines aussichtsreichen Konters nehme ich eine zehnminütige Zeitstrafe natürlich lieber in Kauf als einen dauerhaften Feldverweis. Vielleicht erhalten Spieler künftig sogar entsprechende Anweisungen des Trainers. Es besteht die Gefahr, dass es dadurch künftig unsportlicher auf den Kreisliga-Plätzen zugeht und der Spaß am Sport verloren geht.

Auch für die Schiedsrichter ist es eine Herausforderung, im Blick zu behalten, wann welcher Spieler nach wie vielen Minuten das Feld wieder betreten darf und ob die Anzahl der Spieler auf dem Feld korrekt ist. Ebenso kann ich nicht nachvollziehen, warum bei Freundschaftsspielen weiterhin die alte, vermeintlich „schärfere“ Regelung mit Gelb-Rot gilt.

Das sagt der Kreisfußballwart Horst Feidner (Leeheim):

In der Praxis habe ich nur als Spieler mit der Zehn-Minuten-Zeitstrafe Erfahrung sammeln können. Zu meiner aktiven Zeit als Schiedsrichter war diese schon durch die Gelb-Rote Karte ersetzt.

Als Spieler empfand ich die Zeitstrafe als positive Sanktionsmöglichkeit durch den Schiedsrichter. Der betroffene Spieler konnte sich außerhalb des Spielfeldes über sein Verhalten Gedanken machen, sich beruhigen beziehungsweise durch den Trainer oder Mannschaftsbetreuer beruhigt werden. Der Trainer konnte sich in Ruhe überlegen, ob er den Spieler nochmal bringt oder ihn auswechselt (er kennt ja seine Spieler und deren Verhalten am besten). In den meisten Fällen des Wiedereintritts haben sich die zuvor mit einer Zeitstrafe belegten Spieler dann unauffällig verhalten, da sie wussten, dass beim nächsten verwarnungswürdigen Vergehen der Feldverweis die Folge gewesen wäre.

Für den Gegner bringt die Zeitstrafe befristet eine Überzahlsituation auf dem Platz, was er eventuell zu einem Torerfolg oder zum Halten des Ergebnisses nutzen kann. Unter dem Strich stehe ich der Wiedereinführung positiv gegenüber, da der Schiedsrichter eine „Zwischenstufe“ zwischen der Verwarnung (Gelbe Karte) und dem Feldverweis (Rote Karte) hat, die er unter Umständen eher einsetzt als die Gelb-Rote Karte, da die Konsequenz für die Mannschaft zunächst keine Unterzahl für den Rest des Spieles bedeutet. Die Praxis wird zeigen, wie sich die Zeitstrafe auswirken wird.

Hier findet Ihr weitere Informationen zur Rückkehr und genauen Umsetzung der Zeitstrafe.

Aufrufe: 015.7.2021, 14:55 Uhr
Heiko WeissingerAutor