2024-05-29T12:18:09.228Z

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Slaven Skeldzic ist in China als Nachwuchstrainer bei Guangzhou Evergrande tätig.
Slaven Skeldzic ist in China als Nachwuchstrainer bei Guangzhou Evergrande tätig.

Zehn Messis und zehn Ronaldos finden

FUSSBALL-GLOBETROTTER: +++ Globetrotter Slaven Skeledzic arbeitet nun mit den Talenten von Chinas Serienmeister Guangzhou Evergrande +++

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BAD HOMBURG . Diese Meldung hat in der vergangenen Woche am Ende des Jahres 2016 in Fußball-Deutschland für Schlagzeilen gesorgt: Weltmeister Lukas Podolski liegt eine Millionen-Offerte für einen Wechsel vom türkischen Rekordchampion Galatasaray Istanbul zum chinesischen Serienmeister Guangzhou Evergrande vor. Neben Lukas Podolski wird auch der englische Nationalspieler und Top-Star Wayne Rooney von Manchester United vom chinesischen Spitzenclub heiß umworben (angebliches Wochengehalt: 800 000 Euro).

Einer, der bereits bei Guangzhou Evergrande unter Vertrag steht, ist Slaven Skeledzic. Am 20. Juni 2016 hat der ehemalige Torjäger der Spvgg 05 Bad Homburg und der Usinger TSG dort seinen Job als Trainer der U17 angetreten (seit dem 1. Januar ist diese Mannschaft zur U18 geworden), wobei sein Kontrakt noch bis Jahresende 2017 läuft.

Zustande gekommen ist der Kontakt zwischen dem südchinesischen Club mit der größten Fußball-Akademie der Welt und dem ehemaligen Nationaltrainer Afghanistans durch Marco Pezzaiuoli. Pezzaiuoli, der Anfang 2011 Chef-Coach beim Bundesligisten TSG 1899 Hoffenheim war und zuvor mit Deutschlands U17 Europameister geworden war, kannte Skeledzic bereits aus dessen Zeit als Nachwuchstrainer bei der Frankfurter Eintracht.

14 Millionen Einwohner

„Da brauchte ich keine zehn Sekunden lang zu überlegen“, erinnert sich Skeledzic noch sehr gut an den Anruf von Pezzaiuoli, der bei Guangzhou Evergrande für die Nachwuchs-Akademie mit rund 2600 Internatsschülern von der U10 bis zur U18 verantwortlich zeichnet und überdies die dortige Provinz-Auswahl trainiert.

Der Industrie- und Handelsstandort Guangzhou (im Deutschen auch als Kanton bekannt) hat rund 14 Millionen Einwohner und liegt knapp 200 Kilometer von Hongkong und Macau entfernt. „Zwölf bis 16 Stunden beträgt die Flugzeit von Hannover oder Frankfurt. Je nachdem, ob ich die Route über Amsterdam oder die über Dubai wähle“, ist der Trip von Deutschland nach China für Skeledzic inzwischen zur Normalität geworden.

„Alles optimal und alles maximal – wir sind quasi der FC Barcelona oder FC Bayern München Chinas“, schwärmt der Fußball-Globetrotter von den Bedingungen, unter denen er beim sechsmaligen chinesischen Meister, viermaligen Pokalsieger und zweimaligen Champions-League-Sieger in Asien Nachwuchs-Förderung auf höchstem Niveau betreibt. Er selbst ist in einem Fünf-Sterne-Hotel untergebracht, verfügt über einen 24-Stunden-Hotel-Fahrdienst und einen Dolmetscher („Rainer“ Xu), der seine in Deutsch formulierten Ansprachen sowohl im Training als auch während des Spiels unmittelbar an die Akteure weitergibt.

Zum aufstrebenden Fußball-Unternehmen Guangzhou Evergrande gehören allein 60 Rasenplätze und Cheftrainer der Profis ist kein Geringerer als Luiz Felipe Scolari, Trainer der brasilianischen Weltmeister-Elf von 2002. Zum Berater-Stab der Akademie gehört Marcello Lippi, der aktuelle Coach der chinesischen Nationalmannschaft, der Italien 2006 in Deutschland zum WM-Titel geführt hatte.

Wie im Märchen

Geklotzt statt gekleckert wird auch bei den Junioren: 25 Trainer von Real Madrid stehen neben rund 300 Chinesen für die U10 bis U16 unter Vertrag und mit den „Königlichen“ von der iberischen Halbinsel unterhält Guangzhou seit Jahren eine enge Beziehung bis hin zum Austausch von kompletten Teams.

Die U17 von Evergrande spielt in der vierthöchsten chinesischen Senioren-Liga um Punkte und belegt derzeit einen der vorderen Plätze. „In der unteren Hälfte der A-Jugend-Bundesliga“ würde Skeledzic die U18-Guangzhous von der spielerischen Qualität her ansiedeln.

In der Talentsichtung und im Heranführen der Nachwuchsspieler an den Profi-Bereich sieht der ehemalige Bad Homburger seine Aufgaben in China, der über reichlich Erfahrungen aus dem deutschen Junioren-Bereich verfügt (siehe nebenstehenden Artikel). „Unter 1,3 Milliarden Chinesen befinden sich rein rechnerisch zehn Messis und zehn Ronaldos. Die müssen wir versuchen zu finden und sie entsprechend auszubilden.“

Die Mission gleicht einem Märchen aus 1001er Nacht, der Verein ist unfassbar gut aufgestellt und sehr ehrgeizig, die Bedingungen vor Ort sind perfekt, dennoch geht der Kontakt zur Heimat nicht verloren. Nach einem kurzen Aufenthalt über Weihnachten bei den Eltern und Kindern in Bad Homburg ist Skeledzic am gestrigen Montag von Hannover aus wieder gen China geflogen, betreut seine Mannschaft dort am 7. und 14. Januar bei zwei Spielen und kehrt dann für zwei Wochen nach Europa zurück. Für eine Woche zu seiner Frau Anke nach Hannover und dann für eine Woche mit ihr zusammen zum Skifahren nach Österreich. „Ich kann mir durchaus vorstellen, für die nächsten 20 Jahre bei Guangzhou Evergrande zu arbeiten“, spricht Stand heute für den deutschen Fußball-Lehrer mit den familiären Wurzeln im Taunus nichts dagegen, in China mittel- und langfristig zu arbeiten.



Zur Person

- Slaven Skeledzic wurde am 15. November 1971 in Vares (Bosnien) geboren und stürmte nach der Ausbildungszeit in der Jugend von Eintracht Frankfurt in den 1990er Jahren bei Rot-Weiss Frankfurt, der Spvgg 05 Bad Homburg sowie der Usinger TSG. Seine ersten Schritte als Nachwuchs-Trainer machte er als noch aktiver Spieler bei der UTSG in der damaligen A- und B-Jugend der Jugendspielgemeinschaft Usingen/Pfaffenwiesbach.

1999 wurde er bei Eintracht Frankfurt Co-Trainer in der von Armin Kraaz betreuten A-Jugend. Von 1996 bis 2010 gehörte er dem Trainerstab von Eintracht Frankfurt im Nachwuchs-Bereich an, wobei er zunächst die B-Junioren (U 17) und später die A-Junioren (U 19) unter seinen Fittichen hatte.

Mit dem Königsteiner Sebastian Jung, Patrick Ochs, Marco Russ, Jan Kirchhoff oder Sonny Kittel sind viele seiner Schützlinge inzwischen in der Fußball-Bundesliga angekommen. Mit Jermaine Jones (Deutschland/USA), Marko Marin (Deutschland), Cenk Tosun (Türkei), Timothy Chandler (USA) und Daniel Dziwniel (Polen) haben es fünf Spieler sogar bis in die A-Nationalmannschaft ihres Landes gebracht.

2011 übernahm Skeledzic die U 17 von Hansa Rostock und wurde 2012 Leiter des Nachwuchs-Leistungszentrums von Hannover 96 (und Trainer der U 17), ehe er von Februar 2014 bis Februar 2015 in gleicher Funktion beim Zweitligisten FSV Frankfurt (als U 23 und U 19 Trainer) tätig war. Von 11. Februar bis zum 25. Oktober 2015 war er Trainer der Nationalmannschaft von Afghanistan sowie Verantwortlicher für das Jugend-Konzept des Verbands. Seit dem 20. Juni 2016 steht er beim chinesischen Meister Guangzhou Evergrande in der größten Fußball-Akademie der Welt unter Vertrag. Die Trainer-A-Lizenz hatte Skeledzic 2002 erworben und sein Fußball-Lehrer-Diplom 2009 an der Sporthochschule in Köln. (jf)

Aufrufe: 03.1.2017, 08:00 Uhr
Gerhard Strohmann (Usinger Anzeiger)Autor