2024-05-02T16:12:49.858Z

FuPa Portrait
– Foto: Andreas Zobe

Yatma Wade: "Walk of racism"

In der neuen FuPa-Ostwestfalen-Serie „Rassismus im Fußball“ geht es diesmal um die Geschichte von Yatma Wade vom VfL Theesen. Ein Kämpfer, der sich trotz Rassismus nicht unterkriegen lässt.

Jeden Morgen das Gleiche. Ab 7 Uhr staut es sich auf der Jöllenbecker Straße Richtung Bielefeld. Der Berufsverkehr. Viele Autofahrer sind genervt. Doch eines Tages guckten die Autofahrer verwundert an den Straßenrand. Dort lief ein junger Mann mit dunkler Hautfarbe. Er trug eine kurze Hose, Trikot und Stollenschuhe. Morgens, um 7 Uhr im April?! Viele dachten, der Typ sei verrückt. Falsch. Yatma Wade ist nicht verrückt. Er hatte die Nacht zuvor in Polizeigewahrsam verbracht, weil ihn ein Mann der mutmaßlichen illegalen Einwanderung, Schwarzarbeit und angeblicher weiterer Straftaten bezichtigt hatte.

Am Abend zuvor:

Das erste Anschwitzen war geschafft. In wenigen Minuten würde der intensive Teil des Trainings folgen. Das wusste Yatma Wade und freute sich darauf. Der Abend nahm jedoch einen anderen Verlauf als gedacht. Plötzlich kamen drei Männer auf den Platz und steuerten direkt auf die erste Mannschaft des VfL Theesens zu. Zwei von ihnen gehörten zum Ordnungsamt und der dritte war das Vereinsmitglied Ronny C. (Name geändert). Sie suchten in der Trainingsgruppe scheinbar eine Person und fanden sie: Yatma. Strategisch clever umstellten sie ihn. „Du brauchst gar nicht versuchen wegzulaufen. Wir haben eine Waffe dabei und benutzen sie auch. Wo sind deine Papiere?“, fuhren ihn die Männer im ernsten Ton an. Der damals 23-Jährige antwortete irritiert: „Zuhause.“ Dann behaupteten sie, Yatma sei illegal in Deutschland und besäße auch keine Arbeitserlaubnis. Immer und immer wieder beharrten sie auf dieser Aussage. Yatma verstand nicht was los war.


„Wenn ich heute daran denke, werde ich wieder sauer und traurig“

Zum einen, weil Yatma zu diesem Zeitpunkt nur sehr rudimentär Deutsch sprach und vieles nicht verstand. Zum anderen, weil er spanischer Staatsbürger ist und die zwei Personen vom Ordnungsamt immer wieder etwas von illegaler Einwanderung sagten. Yatma verstand die ganze Aufregung nicht. Wo war genau das Problem? Weil er seine Papiere nicht mit beim Training hatte? Immer wieder versuchte er, mit den beiden Männern vom Ordnungsamt zu reden. Ohne Erfolg. Sie waren von ihren Anschuldigungen zutiefst überzeugt und führten ihn vor seinen ganzen Fußballfreunden ab - wie einen Verbrecher.


„Wenn ich heute daran denke, werde ich wieder sauer und traurig“, erinnert sich Yatma. Der seelische Schmerz ist bei diesem Satz in seinen Augen zu sehen. Unterdessen diskutierte Theesens Trainer Andreas Brandwein mit dem dritten Mann, Ronny C. Brandwein war mehr als wütend über die „Festnahme“ von Yatma. In letzter Sekunde rief er seinem Spieler nach, dass er ihm gleich folgen und helfen würde. Wenige Minuten später kam es zu einer handfesten Auseinandersetzung zwischen den Beamten und Yatma. Der 23-jährige Spanier war und ist temperamentvoll, wie er selbst über sich sagt. In der Situation wahrscheinlich nachvollziehbar. Die Beamten brachten ihn zur Polizeiwache in Bielefeld. Andreas Brandwein und der erste Vorsitzende des VfL Theesen, Heinz-Werner Stork, fuhren sofort hinterher. Sie konnten aber an dem Abend nichts für ihren Spieler ausrichten.

– Foto: Dennis Angenendt, Andreas Zobe

„Sie haben Fotos von mir gemacht. Von vorne und der Seite. Ich fühlte mich wie ein Verbrecher, aber ich war unschuldig“, erinnert sich Wade. Eine Nacht musste er in Polizeigewahrsam bleiben. Dann ließen sie ihn frei. In seiner Trainingskleidung. Ohne Handy. Ohne Geld. Er lief den ganzen Weg zurück zu seinem damaligen Zuhause. In Stollenschuhen. Stork und Brandwein schalteten einen Anwalt ein. Später wurden alle Punkte gegen Yatma fallen gelassen.


Nun fragten sich alle, wie kamen die Beamten überhaupt darauf? Das damalige Theesener Vereinsmitglied Ronny C. arbeitete beim Zoll. Aufgrund von Yatmas Hautfarbe war es ihm scheinbar ein Dorn im Auge, dass dieser bei Theesen mittrainierte. Er gab wahrscheinlich dem Ordnungsamt den „Tipp“, dass Wade illegal nach Deutschland gekommen sei. „Letztendlich stellten sich alle Anschuldigungen Yatma gegenüber als falsch heraus. Ronny C. ist nicht mehr beim VfL - und wenn er hier auftaucht, dann geh ich weg“, so Brandwein.



Die Theesener sind froh, ihn im Verein zu haben

Seine fußballerischen Qualitäten sind nicht von der Hand zu weisen. Bereits mit 16 Jahren debütierte er in der spanischen dritten Liga. Auch dort kämpfte Yatma bereits in jungen Jahren gegen Rassismus. „Mich hat ein Gegenspieler gefragt, ob ich Ebola habe. Die Krankheit ging damals in Afrika rum“, erinnert sich Wade. Trotz des traumatischen Vorfalls mit den Behörden im April 2018 entschied sich Yatma in Deutschland zu bleiben. Er wollte sich hier etwas aufbauen. Bei Theesen lernte er Mitja Schierbaum, seinen besten Freund, kennen. „Yatma war von Anfang an ein Kämpfer und hat immer gelacht. Das fand ich sympathisch, obwohl wir uns zunächst nicht unterhalten konnten. Am Anfang standen wir immer mit Handys und Übersetzern da“, erinnert sich Mitja lachend. „Hab direkt gedacht, er ist ein sympathischer Mensch. Treffen uns immer noch wöchentlich.“


Sie erlebten gemeinsam einiges. Mitja half ihm, eine Wohnung zu finden und eine dauerhafte Arbeitserlaubnis zu bekommen. Letzteres war jedoch nicht einfach. Anträge über Anträge mussten sie ausfüllen und häufig gemeinsam zum Amt gehen. Wer die beiden nun zusammen sieht, merkt schnell, dass sie sich blind verstehen. Sprachliche Probleme gibt es nicht mehr. Mitja weiß genau, welche Worte Yatma kennt, und kann ihm alles erklären. So klappte es dann auch mit der Arbeitserlaubnis, die Wade dringend braucht, denn er unterstützt seine Familie in Spanien finanziell.


Über Engin Acar (damals noch Theesen) kam Yatma zu seinem heutigen Job bei der Post. Er absolviert dort die Nachtdienste und ist für die Pakete zuständig. Harte körperliche Arbeit in der Nacht - am Abend spielt er Fußball. Die Sportart, die er so liebt, wo er jedoch immer noch mit Rassismus zu kämpfen hat.


Rassismus auch in der Westfalenliga

Ein Beispiel: Im Westfalenliga-Spiel im Kreis Steinfurt wäre es in diesem Jahr fast zu einem Spielabbruch gekommen. Es gab rassistische Äußerungen gegenüber Yatma - das bekam Theesens Trainer Andreas Brandwein mit. Dies führte zu einer Diskussion mit dem anderen Verein. „Wir überlegten abzubrechen, aber ich wollte weiterspielen“, so Wade. Nicht immer wird rassistischen Äußerungen mit einer Diskussion begegnet.


Oft geht es viel subtiler zu und auch unterschwelliger. „Du ‚schwarze Perle‘ sei die klassische Prototypbezeichnung für einen Schwarzen Spieler. "Jemand, der das sagt, ist nicht gleich Rassist. Trotzdem würde ich behaupten, dass in dieser Bezeichnung die Hautfarbe nicht völlig wertfrei benutzt wird. Es gibt einige Bezeichnungen in der Fußballwelt, die so ähnlich sind. Da muss es nicht immer um dunkle Hautfarbe gehen. Die Spieler, die so bezeichnet werden, finden das nicht so positiv, wie es eventuell gemeint sein soll. Dafür muss man sensibilisieren", so Mitja Schierbaum. Yatma hat sich an solche Ausdrücke in seinem Alltag schon gewöhnen müssen. Er akzeptiere, dass die Ausdrücke nicht immer böse gemeint sind. Trotzdem ist es Rassismus und für ihn ist diese Form alltäglich. „Nicht jeder ist so stark wie ich, andere sind schneller traurig“, so Wade.


Aufrufe: 03.5.2020, 14:00 Uhr
Teresa KrögerAutor