2024-06-04T08:56:08.599Z

Allgemeines
Vorerst keine Interviews mehr: Nach 14 Jahren an der Seitenlinie nimmt Wolfgang Lamitschka eine Auszeit  Foto (Archiv): Eibner
Vorerst keine Interviews mehr: Nach 14 Jahren an der Seitenlinie nimmt Wolfgang Lamitschka eine Auszeit Foto (Archiv): Eibner

Wolfgang Lamitschka benötigt eine Pause

Maichingens Trainer will sich mehr Zeit für sich selbst nehmen

Frauen haben oft ein Gespür für bestimmte Situationen, für den Gemütszustand des Partners. „Schau dich an, du brauchst eine Pause.“ Das sagte die Ehefrau von Wolfgang Lamitschka vor zwei Jahren zu dem nunmehr verabschiedeten Trainer der Maichinger Landesliga-Kicker. Der heute 52-Jährige war damals extrem angespannt, unruhig. „Du musst mehr Zeit für dich nehmen“, riet Doris Lamitschka. .
Wolfgang Lamitschka hat sich viel Zeit gelassen zwischen dem Rat seiner Frau und dessen Umsetzung.

Viel Zeit, aber nicht zu viel Zeit. Er hat offensichtlich rechtzeitig die Kurve bekommen und mit dem Abschied nach der abgelaufenen Saison rechtzeitig die Reißleine gezogen, ehe er wirklich Schaden nimmt. „Ich war letztes Jahr nach der Meisterschaft in einer fürchterlichen Verfassung. Ich hatte keine Kraft mehr und darüber nachgedacht, aufzuhören“, erzählt Lamitschka. Auf Bitten von George Berberoglu, spielender Co-Trainer des GSV, habe er dann doch noch ein Jahr weitergemacht.

Über Grenzbereiche gegangen

Der 52-Jährige ist ein Fußball-Verrückter im positiven Sinne. Er liebt diesen Sport in all seinen Facetten, versucht stets, neue Ideen zu entwickeln. „Ich will jede Mannschaft verbessern, will das Optimale aus ihr herausholen. Ich will die Spieler auf eine Reise mitnehmen“, sagt Lamitschka. Dass diese Reise kein Erholungsurlaub ist, sondern ein anstrengender Trip, davon können viele Akteure ein Lied singen, die unter Lamitschka gespielt haben. Er fördert seine Akteure, er fordert aber auch sehr viel. „Ich habe versucht, Grenzbereiche auszuloten, ich bin auch über die Grenzbereiche gegangen.“ Vor allem bei sich selbst ist er an Grenzbereiche gegangen und darüber hinaus. sieben Tage die Woche hatte der Gerlinger Fußball im Sinn, beschäftigte sich mit Trainingsplänen und dem Gegner, mit den eigenen Spielern, der Spieltaktik, der Aufstellung. Viele Gedanken außerhalb des beruflichen Alltags kreisten um den Fußball, letztlich zu viele. Lamitschka: „Ich konnte nicht mehr abschalten.“

"Er muss auch mal fünf Prozent herunterfahren"

Das hatte Folgen für ihn, zunehmend war er von Schlaflosigkeit geplagt, insbesondere vor den Pflichtspielen war das der Fall. Dabei war es keineswegs so, dass Lamitschka seitens der Maichinger Vereinsführung unter Druck stand. Vielmehr hat er sich selbst unter Druck gesetzt, hat stets das Optimum von sich erwartet, ein Höchstmaß an Professionalität. Dabei ist ihm offenbar ein Stück weit die Gelassenheit abhanden gekommen, die notwendige Distanz zum Sport, die bei aller Gewissenhaftigkeit gewahrt bleiben muss. „Ich habe Wolfgang gesagt, dass er auch mal fünf Prozent herunterfahren muss, dann wäre er immer noch über 100 Prozent“, erzählt GSV-Abteilungsleiter Gerd Klauß, „für einen Verein ist es natürlich wunderbar, wann man einen Trainer hat, der sich voll einsetzt. Ich denke, die Pause, die er jetzt macht, wird ihm gut tun.“

Anfänge bei der KSG Gerlingen

Pause, Urlaub, keinen Gedanken verschwenden müssen an einen neuen Kader, eine neue Mannschaft, an die Gegner, an die Trainingsinhalte, an verletzte Spieler, an die Vorbereitungszeit – für Wolfgang Lamitschka ist das eine neue Situation, nachdem er 1998 erstmals als verantwortlicher Trainer tätig war. Er übernahm damals die KSG Gerlingen. 2001 wechselte er zum GSV Maichingen, in der Saison 2009/ 10 trainierte er die SKV Rutesheim. 14 Jahre war Lamitschka beim GSV, in der Kreisliga A hatte er den Club übernommen, auf Platz vier in der Landesliga abgegeben an seinen Nachfolger Sven Hayer. „Für uns war es wichtig, dass wir einen positiven Abschluss haben. Das haben wir erreicht“, sagt Klauß.
Die Entscheidung, den GSV nach Ende der abgelaufenen Spielzeit zu verlassen, hatte Lamitschka schon zu Beginn der Saison im Sinn. Nach einem Gespräch mit den Verantwortlichen der Fußballabteilung in der Winterpause im Rahmen der Hallen-Gala im Sindelfinger Glaspalast war klar, dass es darauf herauslaufen wird. Lamitschka war anschließend aber „nur kurzzeitig erleichtert, als die Entscheidung endgültig gefallen ist. Der Druck ist danach noch viel größer geworden.“ Wieder war er es, der sich selbst unter einen enormen Druck setzte, der unbedingt den GSV in der Landesliga halten wollte. Lamitschka: „Die Anspannung ist erst nach dem letzten Spieltag abgefallen. Wir hatten ein gemeinsames Abendessen, es flossen dabei auch Tränen.“

"Ich brauche diese Pause unbedingt"

Wie geht es weiter mit dem gelernten Heizungsbauer, der anschließend die Ausbildung zum Techniker absolvierte und bei Vaillant in der Planungsabteilung arbeitet? Urlaub ist angesagt, Erholung am Strand. Ob er nach seiner Rückkehr aus den Ferien in ein Loch falle, könne er nicht sagen, betont Lamitschka. „Ich muss diese Phase kennenlernen und freue mich auf den neuen Lebensabschnitt. Ich bin gespannt, was auf mich zukommt.“ Wolfgang Lamitschka wird weiterhin im Trainerstab des Württembergischen Fußballverbands tätig sein. Ein neues Team wird er definitiv nicht übernehmen, sollten auch kurzfristig Anfragen an ihn herangetragen werden. Lamitschka: „Ich brauche diese Pause unbedingt. Ich werde in diesem Jahr auch kein Spiel der Maichinger anschauen.“ Die Zeit beim GSV habe ihn als Trainer geformt, aber auch als Mensch. Vor allem die Situation vor vier Jahren, als der GSV gegen den Abstieg aus der Bezirksliga kämpfte, habe ihn geprägt. „Ich war da weniger als Trainer denn als Psychologe gefordert“, sagt der A-Lizenz-Inhaber. Lamitschka ist einfach „zufrieden“, die Entscheidung für eine Pause getroffen zu haben. Fast zwei Jahre später setzt er den Rat seiner Frau in die Tat um.

Aufrufe: 011.6.2016, 18:44 Uhr
Thomas Oberdorfer, GäuboteAutor