2024-05-17T14:19:24.476Z

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Gladbachs Talente wollen durchstarten.
Gladbachs Talente wollen durchstarten. – Foto: Heiko van der Velden

Wie Gladbachs Jugend wieder in den Fokus rücken soll

Die Spielanteile von Eigengewächsen sind bei Borussia extrem zurückgegangen. Die große Wende ist nicht in Sicht.

Luiz Skraback wollte vergangene Saison im zweiten U19-Jahr durchstarten. Zu Beginn der A-Junioren-Bundesliga spielte er zweimal durch, dann drückte die Pandemie wieder auf die Stopp-Taste.

Chance genutzt

Borussias Mittelfeld-Talent könnte nun wie viele seiner Altersgenossen ein verlorenes Jahr beklagen, doch beim gebürtigen Brandenburger ist das Gegenteil eingetreten: Für Skraback lief es zuletzt richtig gut. Erst nutzte er seine Chance in der U23, anfangs noch als 17-Jähriger, bis eine Verletzung ihn nach 15 Einsätzen in der Regionalliga West aufhielt. Aber der Eindruck, den Skraback hinterließ, war nachhaltig. Nun steht er mit den Profis auf dem Trainingsplatz, darf sich Trainer Adi Hütter zeigen und am Samstag im Testspiel gegen Viktoria Köln auflaufen.

Dass Borussia nicht alles probiert, um Talente aus ihrem Nachwuchsleistungszentrum, dem Fohlenstall, in die Bundesliga zu bringen, kann niemand behaupten. Allerdings hat es in den vergangenen Jahren zahlreiche Skrabacks gegeben – mit wenig Ertrag auf höchstem Niveau. Ein Marlon Ritter, einst Trainingslager-Juwel unter Lucien Favre, spielt drittklassig in Kaiserslautern, ein Ba-Muaka Simakala (Debüt unter Dieter Hecking) in Osnabrück, ein Justin Hoffmanns stand mal im Profi-Kader und kickt heute in der Regionalliga beim FC Wegberg-Beeck.

Talente sollen wieder durchstarten

2020/21 kam in Rocco Reitz mal wieder ein Talent durch, als 25. Eigengewächs der Borussia-Park-Ära durfte er sein eingerahmtes Trikot im Kabinengang aufhängen, drei Jahre nach seinem Vorgänger Jordan Beyer, der in den kommenden Wochen seine Perspektiven unter Hütter ausloten wird. Neben den Fohlenstall-Veteranen Patrick Herrmann und Tony Jantschke bildeten die beiden vergangene Saison ein Eigengewächs-Quartett im Kader.

Von der Stammelf waren sie alle weit entfernt, 1377 Einsatzminuten in der Bundesliga bedeuteten in Summe die wenigsten für Spieler aus der eigenen Jugend seit dem Wiederaufstieg 2008. Damals kamen unter Jos Luhukay und Hans Meyer gleich sieben Eigengewächse zum Einsatz, die ganz große Qualität brachte indes nur Marko Marin mit.

ter Stegen ist der größte Name

In den Folgejahren gelang es, die Qualität zu steigern und die Quantität zu stabilisieren. Neben Jantschke und Herrmann wuchs eine goldene Generation heran: Marc-André ter Stegen, Julian Korb und Amin Younes spielten mindestens U21-Nationalmannschaft, ter Stegen verkörpert heute Weltklasse im Tor. 2011/12 setzte Favre seine Eigengewächse 7643 Minuten ein, 2012/13 8800 und 2013/14 sogar 10.640. Heißt: Im Schnitt standen immer mehr als drei Eigengewächse auf dem Rasen. Vom Höhepunkt ging es stetig bergab, wobei die 5224 Eigengewächs-Minuten von 2016/17, getrieben unter anderem von Mo Dahoud, ein weiterer Nationalspieler aus dem Fohlenstall, heute ein ordentlicher Wert wären.

Borussias neuer Trainer Hütter setzt in diesem Tagen unter anderem deshalb auf die Jugend, weil ihm in Abwesenheit der EM-Fahrer gar keine Wahl bliebe. Trotzdem sind die ersten beiden Wochen der Vorbereitung eine spannende Talenteschau, der sich Hütter und sein Trainerteam widmen. Da tragen im Übereifer plötzlich elf Spieler ein Tor, weil sich jeder von ihnen noch im Kreis der Jüngsten wähnt, die traditionell solche Aufgaben erledigen müssen. Dabei zählt ein Andreas Poulsen mit 21 Jahren aktuell zur älteren Hälfte des Kaders.

Gladbach muss zwangsweise jünger werden

So wird es nicht bleiben, so sah es auch vergangene Saison nicht aus. Da stellte Borussia mit 27,3 Jahren im Schnitt die fünftälteste Mannschaft der Liga – Hütters Eintracht (27,7) wurde nur von Union Berlin (27,8) übertroffen. „Manchmal ist es einem gar nicht so bewusst. Am Ende des Tages geht es darum, Spiele zu gewinnen und Qualität zu haben. Ob ein Spieler jünger oder älter ist, ist komplett egal“, sagte Hütter, als unsere Redaktion ihn auf diese Bilanz ansprach.

Und tatsächlich setzte der Österreicher gleichermaßen auf einen Youngster wie Evan N’Dicka (21) und einen Oldie wie Makoto Hasebe (37). In Bern verhalf er dem späteren Borussen Denis Zakaria und dem Ex-Borussen Djibril Sow zum Durchbruch. „Das Ziel ist es auch, junge Spieler einzubauen“, sagte Hütter über sein Vorhaben in Gladbach. „Aber es muss ja nicht brachial sein. Es geht darum, Leistung zu bringen und Ergebnisse einzufahren.“

Und wenn man ehrlich ist: Genau daran wird ein Trainer primär gemessen. Eine junge erfolgreiche Mannschaft ist zusätzlich schön. Trotzdem kann es den Verantwortlichen bei Borussia nicht schmecken, dass nur Union Berlin vergangene Saison seltener auf Eigengewächse setzte, nämlich exakt null Minuten. Spielanteile von 4,1 Prozent hatten sie in Gladbach, dann folgte Frankfurt mit 4,4.

Für Skraback und seine Mitstreiter aus der U23 wie Per Lockl oder Conor Noß geht es nun erst einmal darum, sich für ein Ticket ins Trainingslager zu empfehlen. Dort waren Jacob Italiano und Kaan Kurt vor zwei Jahren unter Rose schon mit dabei, erhielten gute Kritiken. Als die anderen Youngster beim Profi-Training das Tor trugen, hatten sie mit der U23 gerade Feierabend und trotteten vorbei.

Es durch den Flaschenhals in die Bundesliga zu schaffen, war wohl noch nie so schwierig. Marcel Benger schaffte es 2017, es blieb bei einer Minute. Nun ist er nach starken Jahren in der U23 zu Holstein Kiel in die 2. Bundesliga gewechselt. Damit dürfte er für viele der neuen Talente schon ein Vorbild sein.

Aufrufe: 011.7.2021, 11:00 Uhr
RP / Jannik SorgartzAutor