2024-05-02T16:12:49.858Z

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Für die Hertha-Traditionsmannschaft 2017 im Derby-Einsatz: Michael Eckhardt gegen Union-Spieler Torsten Mattuschka (links).	Foto: Imago
Für die Hertha-Traditionsmannschaft 2017 im Derby-Einsatz: Michael Eckhardt gegen Union-Spieler Torsten Mattuschka (links). Foto: Imago

Weder Hertha noch Arsenal

PORTRAIT: +++ Michael Eckhardt hat sein Glück in Berlin und London gesucht, es aber in der Wetterau gefunden +++

Dennis Diekmeier spielte 203 Mal in Liga eins für den HSV und den 1. FC Nürnberg, ein Treffer aber war ihm nie vergönnt. Zoltan Sebescen machte als „Eintagsfliege“ von sich reden. Beim VfL Wolfsburg gesetzt, spielte ihm Boudewijn Zenden im Februar 2000 beim Test in Holland Knoten in die Beine. Es sollte sein erster, zugleich auch letzter Auftritt im Nationaltrikot gewesen sein. Die beiden eint, dass ihnen nachgesagt wird, sie hätten mächtig daran zu knabbern gehabt, vor dem Durchbruch gestanden, die Klinke aber nicht gefunden zu haben. Was sie unterscheidet vom glücklichen Mittelhessen Michael Eckhardt.

Um im Bild zu bleiben: Der heute 41-Jährige fand den Schlüssel nie, das Tor zur großen Fußballwelt aufzusperren. Er drückte sich die Nase platt, er wurde aber nicht hereingelassen.

Doch er blickt ohne Gram zurück, er hat sein Glück gefunden. An der Seite seiner Frau Melanie, Tochter Melina (14) sowie Hund Meiko. Und als Teamleiter im Zentrallager des Discount-Riesen Aldi in Butzbach, in dem er jeden Morgen ab 6 Uhr eine Abteilung von 130 Leuten leitet. „Der Job ist ein Traum. Ich bin wahnsinnig glücklich, diese Aufgabe gefunden zu haben.“ Nicht jeder, der es in zwei der bedeutendsten Metropolen Europas nicht geschafft hat, lässt den Kopf hängen.

Doch der Reihe nach und zunächst 20 Jahre zurück nach Berlin, wo Michael Eckhardt einst ein Anruf seines Beraters Dieter Heimen ereilte, dass die Hertha noch einen Torwart suche. Jürgen Röber hatte im Olympiastadion als Trainer das Sagen, Marko Rehmer dirigierte die Abwehr, Sebastian Deisler sorgte für die kreativen Momente und der heutige Manager Michael Preetz für die Tore. Es war eine bärenstarke Mannschaft, die in der Bundesliga Fünfter wurde und in der Europa League erst in Runde drei unglücklich an Inter Mailand scheiterte. In der der Keeper aus dem Bad Nauheimer Stadtteil Schwalheim, in dem er heute noch lebt, aber nicht an Ungarns Nationalkeeper Gabor Kiraly und dessen Verteter Christian Fiedler vorbeikam.

Auf dem offiziellen und vom Fußball-Fachmagazin „Kicker“ abgedruckten Mannschaftsfoto saß Eckhardt im Sommer 2000 noch zwischen Kiraly und Mittelfeldrenner Benjamin Köhler, in Wirklichkeit aber spielte er keine Rolle und deshalb auch nur bei den Amateuren. Als er sich einen Leistenbruch zuzog, zweimal operiert werden musste und ihn dann noch eine schmerzhafte Schulterverletzung plagte, war der Traum von einer Karriere in der Hauptstadt schnell beendet. „Ich wurde abserviert, niemand schenkte mir noch Beachtung“, blickt der Torsteher zurück, ohne Groll zu hegen. „Plötzlich war ich nur noch die Nummer fünf.“ Da löste Michael Eckhardt seinen Vertrag auf.

Um zwei Jahre später – zumindest kurzfristig – wieder ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Es war die Winterpause der Saison 2002/03, als in der Wetterau abermals eine ungewöhnliche Anfrage eintrudelte. Der FC Arsenal meldete aus Londons Norden „Land unter“. Stammtorwart David Seaman war schon 39, sein Stellvertreter Stuart Taylor könnte verletzungsbedingt länger nicht spielen, zur Nummer drei Rami Shaaban hatte Arsene Wenger, der Grandseigneur der europäischen Trainerszene, kein Vertrauen. Also ließen die „Gunners“ verfügbare Torwächter aus halb Europa einfliegen, um sie einige Tage zu testen. Darunter Michael Eckhardt.

„Was ich da erlebt habe, war schon gigantisch. Trainingszentrum, Stadion, Versorgung, Unterkunft – alles vom Feinsten“, gerät der Familienvater heute noch beim Gedanken an die Tage an der Themse ins Schwärmen. Die Topstars wie Sol Campbell, Ashley Cole, Patrick Vieira, Fredrik Ljungberg, Giovanni van Bronckhorst, Robert Pires, Thierry Henry, Dennis Bergkamp, Sylvain Wiltord und Nwankwu Kanu kümmerten sich rührend um ihn, absolvierten mit dem jungen Mann aus Mittelhessen Extraschichten, zeigten ihm die Stadt und sprachen ihm Mut zu. „Am Ende aber hatten die Verantwortlichen wahrscheinlich Angst, jemanden aus Deutschlands vierter Liga unter Vertrag zu nehmen“, glaubt Eckhardt. Arsenal entschied sich für eine Verpflichtung des Franzosen Guillaume Warmuz von AS Monaco. Der Schwalheimer kehrte erhobenen Hauptes nach Mittelhessen zurück im Wissen, in London eine gute Figur abgegeben zu haben, obwohl er auch die zweite große Chance seines Lebens hatte nicht nutzen können.

- Auch wenn es für Michael Eckhardt weder bei Hertha BSC Berlin noch beim FC Arsenal zum Durchbruch gereicht hat, so blickt der heute 41-Jährige auf eine lange und intensive Fußballer-Karriere zurück. Die ihn von seinem Heimatclub SV Schwalheim über Berufungen in verschiedenen Kreis- und Bezirksauswahlen in die Jugend von Eintracht Frankfurt führte. Mit 17 holte ihn Coach Bernhard Lippert zu den Amateuren der Riederwälder, 1997/98 stand er sogar im Profikader von Trainer Horst Ehrmantraut, drückte 16 Mal die Bank, kam aber am „ewigen Oka“ Nikolov nicht vorbei. 1999 wechselte er in die Oberliga Hessen zu Viktoria Aschaffenburg, wo er auch bis 2002 von der Hertha kommend nochmals unter Vertrag stand. Nach einem Intermezzo beim KSV Klein-Karben kam Eckhardt beim 1. FC Eschborn mit Trainer Ali Reza Marzban nicht zurecht und schloss sich seinem Heimatclub SV Schwalheim, für den er in der A-Liga als Libero auf dem Feld stand, an. Zur Saison 2003/04 wechselte er zum FSV Fernwald und schaffte dort schließlich mit Coach Stefan Haßler auch den Liga-Verbleib in der Hessenliga. Als A-Liga-Spielertrainer in Schwalheim und als Torwart beim Gruppenligisten SKV Beienheim ließ Michael Eckhardt schließlich seine Laufbahn ausklingen. (afi)

Aufrufe: 016.6.2020, 08:00 Uhr
Alexander FischerAutor