2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview

Von harten Urteilen und kuriosen Fällen

Ex-Mosel-Spruchkammervorsitzender Jakob Schmitz erinnert sich an seine langjährige Tätigkeit.

Hinter Jakob Schmitz liegen zwei Jahrzehnte in der Spruchkammer des Fußballkreises Mosel. Alleine 17 Jahre davon war er deren Vorsitzender. Unzählige Urteile hat er in dieser Zeit gegen Kreisligakicker gefällt und so einiges erlebt. Inzwischen hat der 66-Jährige, der aus Schladt bei Großlittgen stammt und inzwischen in Osann-Monzel lebt, das Amt an den Reiler Florian Barzen übergeben. Im Gespräch mit dem TV blickt Schmitz auf sein langjähriges Engagement zurück und erinnert sich auch an so manche Kuriosität.

Warum haben Sie in der Kreisspruchkammer aufgehört?

SCHMITZ Schon vor eineinhalb Jahren entschloss ich mich mit einigem zeitlichen Vorlauf, diese Tätigkeit im Sommer 2020 beenden zu wollen. Nach dieser langen Zeit sollten andere Personen, idealerweise jüngere, dieses Ehrenamt ausüben.

Wie kamen Sie vor zwei Jahrzehnten eigentlich zu diesem Amt?

SCHMITZ Zum Spieljahr 2000/01 wurde ich vom Beirat des Fußballverbandes Rheinland (FVR) auf Vorschlag des damaligen Kreisvorsitzenden Hermann Heil in die Kreisspruchkammer Mosel berufen. Als mit Berthold Niklaus nach der Saison 2002/03 der damalige Vorsitzende sein Amt niederlegte, war ich sein Nachfolger. Es macht mich stolz und ich bin dankbar darüber, dass ich in all den Jahren stets von denselben Personen als Beisitzer unterstützt wurde. Mit an Bord waren Herbert Gerstel, Peter Esslinger, Franz-Josef Molitor und Werner Schmitz. Seit der Saison 2018/19 kam anstelle von Werner Schmitz Florian Barzen, der jetzt auch Spruchkammervorsitzender ist, hinzu. Dank einer vertrauensvollen Zusammenarbeit und einer großen Übereinstimmung in der Bewertung der sportrechtlichen Angelegenheiten war Kontinuität in unserer Arbeit gegeben. Die Arbeit mit Paragraphen und Rechtsprechung im Fußballwesen hat mir stets Freude bereitet.

Was bleibt nach den 20 Jahren an Erinnerungen und Eindrücken hängen?

SCHMITZ Trotz der oftmals gegenteiligen Ansichten – hier die Satzung und Ordnungen des Verbandes, dort die Interessen der Vereine – gab es einen sportlich fairen Umgang miteinander. Schön ist, dass ich viele nette und sympathische Vereinsvertreter und Fußballer mittlerweile zu meinem Bekanntenkreis zählen darf. Die Spruchkammer hat in vielen Sitzungen mit den FVR-Rechtswarten Willibald Hannappel und Norbert Weise stets Neuerungen und Änderungen der Satzung und Ordnungen besprochen. Das war sehr hilfreich für unsere Arbeit.

Welche Urteile bleiben Ihnen besonders in Erinnerung?

SCHMITZ Einige. In meiner Anfangszeit fand in Traben-Trarbach ein Hallenturnier statt. Es wurde abgebrochen, da eine Mannschaft eine Schlägerei angezettelt hatte und in der Halle demolierte. In der mündlichen Verhandlung waren als Zuhörer der damalige Polizeichef sowie einige Kommissionsmitglieder des FVR anwesend. Spielabbrüche gab es in diesen Jahren häufiger, oftmals verbunden mit Tumulten unter Zuschauern, Trainern und Betreuern. Die Urteile folgten oft erst nach stundenlangen Verhandlungen. Dann gab es da noch einen Fall, in dem es um Punktabzüge gegen einen Verein ging. Dieser bot gleich drei Juristen auf. Doch sie scheiterten an den Satzung und Ordnungen des FVR. Einige Urteile wegen Mitwirkung von Vertragsamateuren, deren Verträge nicht ordnungsgemäß verlängert worden waren, gab es in der Saison 2008/09. Ein Urteil aus dem Jugendbereich beschäftigte sich damit, dass bei einer klar auf Meisterschaftskurs liegenden E-Jugendmannschaft einige Spieler ohne Einsatzberechtigung mitgewirkt hatten. Betreuer wurden mehrfach vom Spielleiter darauf hingewiesen. Doch es wurde von Vereinsseite nichts unternommen, so dass Anzeige erstattet wurde und per Urteil so viele Punkte abgezogen werden mussten, dass diese E-Jugend keinerlei Chancen mehr auf den Titel hatte.

Immer wieder kocht im Amateurfußball das Thema körperliche Gewalt hoch. Inwiefern waren Sie in solche Fälle involviert?

SCHMITZ In einer Kreisligapartie ging ein zuvor des Feldes verwiesener Spieler nach dem Abpfiff zum Schiedsrichter in die Kabine und fing an, diesen zu würgen. Glücklicherweise hatten zwei Zuschauer das bemerkt und konnten durch ihr Eingreifen Schlimmeres verhindern. Gegen diesen Spieler haben wir die höchstmögliche Sperre von zwei Jahren ausgesprochen. In einer anderen Partie ging ein Spieler, der mit Gelb-Rot vom Platz gestellt wurde, nach dem Spiel zum Schiedsrichter, beleidigte ihn massiv und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht. Je nach Schwere der Tat ergingen schon mal Sperren über mehrere Monate, wenn es Tätlichkeiten unter Spielern gegeben hatte. Auch gegen Schiedsrichter gab es Sanktionen, sei es wegen Nichtmeldung eines herausgestellten Akteurs oder durch mehrfaches Nichtantreten zu einer Partie oder durch mehrfaches unentschuldigtes Fehlen bei Pflichtbelehrungen. Gerade durch das Ahnden von nicht angezeigten Platzverweisen verlor der Fußballkreis so manch erfahrenen Schiri.

Welche Trends konnten Sie ableiten? Ist der Amateurfußball wirklich unfairer geworden, wie oft vermutet wird?

SCHMITZ Am Anfang meiner Zeit als Vorsitzender belief sich die Anzahl der Urteile auf 400 bis 450. Zuletzt waren es noch rund 250. Zwar hat die Zahl der Mannschaften in diesen Jahren abgenommen, doch nicht in dem Maß wie die Urteile. Deshalb bin ich der Meinung, dass unser Amateurfußball insgesamt fairer geworden ist. Zudem ist die Schwere der Vergehen mittlerweile bei weitem nicht mehr so gravierend wie noch vor Jahren.

Gab es besonders kuriose Urteile?

SCHMITZ Einige Urteile ergingen nach Spielen, in denen drei oder mehr Rote Karten gezeigt worden waren. Ein Urteil wurde gegen einen Schiedsrichter ausgesprochen, der absichtlich einen Spielabbruch verschuldet hatte. Ein Frauenteam brach ein Spiel ab, weil es unter dem Schiri nicht mehr weiterspielen wollte.

Was machen Sie jetzt nach dem Ende Ihrer Spruchkammertätigkeit und als pensionierter Beamter des Vermessungs- und Katasteramts Bernkastel-Wittlich?

SCHMITZ Als Zuschauer bei Kreis- und Bezirksligaspielen werden mich einige noch sehen, sobald halt wieder gespielt werden kann. Ob ich nochmals eine Tätigkeit aufnehme, weiß ich nicht. Man soll im Leben bekanntlich niemals nie sagen. Als Pensionär kann ich mich auch mehr meinen Hobbys widmen. Das ist Rad fahren, auch mit ehemaligen Fußballkollegen, der Gesang im Männerchor Hupperath-Minderlittgen mit derzeit 26 aktiven Mitgliedern und weiter an meinem bescheidenen Klavierspiel feilen.

Interview: Lutz Schinköth

Aufrufe: 021.1.2021, 18:32 Uhr
Lutz SchinköthAutor