2024-06-13T13:28:56.339Z

FuPa Portrait

Vom Traum zum Trauma

Warum Oliver Hampel als Profi-Fußballer ausgestiegen ist, in Düsseldorf eine spanische Tapas-Bar eröffnet hat und Fortunas U23 im Kampf gegen den drohenden Regionalliga-Abstieg hilft.

Für Schnapsideen scheint Oliver Hampel nicht besonders anfällig zu sein. Doch der ehemalige Düsseldorfer Fußball- Profi selbst spricht von „einer Flasche Wein abends zu viel“, die im Spiel gewesen sei – bei der Kopfgeburt seiner neuen Karriere.
Seither beschäftigen den 27-Jährigen mehr die Marktpreise für Muscheln, Champignons oder Kichererbsen als der aktuelle Transfermarkt. Im Oktober vergangenen Jahres hat der gelernte Mittelfeldspieler im Düsseldorfer Stadtteil Bilk die spanische Tapas-Bar „La Olliva“ eröffnet und seine Karriere als Berufsfußballer beendet. Aperitif statt Pressing. „Ich wollte es selbst in der Hand haben“, sagt der Fußballer, „und endlich mein eigener Chef sein.“

Aufgekratzt sitzt der Aussteiger in seinem nicht mal strafraumgroßen Lokal auf der Aachener Straße, das mit seinen hellbraunen Holztischen und Stühlen iberischen Charme verströmt. Er trägt Jeans, Sportschuhe mit Streifen, einen grauen Marken- Pullover und um den Hals einen schwarzen Neckwarmer, wie er derzeit bei Torhütern in Mode ist. Ein lässiger Fußballer-Dresscode. Doch die gängigen Klischees des Bundesliga-Business hat Hampel nie erfüllt. „Ich fahre kein dickes Auto und habe keine Penthouse-Wohnung“, betont er. Die Glitzerwelt des Bussi-Bussi-Fußballs mit ihrem oberflächlichen Getue empfand er eher abstoßend als anziehend. „Je höher du spielst, desto weniger Freunde hast du.“

Bereits mit zehn Jahren gehörte der Fußball für den gebürtigen Ossi zum Alltag. In Halle ging er damals auf eines der ehemaligen DDR-Sportinternate, das die Wende überlebt hatte. „Wir haben dort bereits acht Mal in der Woche trainiert“, erzählt Hampel. Fußball stand auf dem Stundenplan. In der Kaderschmiede überkam ihn die Sehnsucht nach dem heimischen Bitterfeld. Hampel verließ das Internat und kehrte vorübergehend zu seiner Familie zurück. Doch der Traum vom Fußball-Profi war größer als das Heimweh. Der Jugendspieler wechselte erneut zum Halleschen FC. Dort fielen die Fähigkeiten des talentierten Rechtsfuß Rene Tretschok, einer lokalen Fußball-Größe, auf.

Mit 17 Jahren spielte Hampel beim Nachwuchs des Bundesligisten Hertha BSC und in der Jugendnationalmannschaft, für die er in den unterschiedlichen Altersklassen insgesamt 19 Spiele absolvierte – gemeinsam mit Spielern wie Rene Adler, Lukas Podolski und Mario Gomez. Dabei endeckten ihn die Scouts des Hamburger SV. Zwischen 2004 und 2007 machte Hampel 52 Spiele für das U23-Regionalligateam der Hansestädter. Obwohl er regelmäßig mit dem HSV-Profikader trainierte, blieb dem talentierten Allrounder dort der Sprung in die Bundesliga verwehrt.

Im letzten Regionalligaspiel von Fortuna Düsseldorf gegen den HSV (3:2) in der Saison 2006/2007 erzielte Hampel beide Hamburger Tore und landete wenig später in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt. Dort trug er zwischen 2007 und 2010 bei der Operation Zweitliga-Aufstieg das Fortuna-Trikot – mit großen Ambitionen, Hoffnungen und Perspektiven. In der dritten Liga zählte der Mittelfeldakteur zeitweise zu den hoffnungsvollsten Spielern dieser Spielklasse. Die Namen seiner prominenten Trainer lesen sich wie ein Bundesliga-Lexikon: Huub Stevens, Norbert Meier, Klaus Toppmüller, Thomas Doll, Uwe Weidemann und Karsten Bäron.

Doch der Traum vom Berufsfußballer wurde für Hampel zum Trauma. Der Raubbau an seinem Körper machte ihn nachdenklich. Seit dem 16. Lebensjahr sei er „netto viereinhalb Jahre verletzt gewesen“, bilanziert Hampel. „Ich hätte nicht bis 30 Fußball spielen können.“ Nasen-, Schien- und Wadenbeinbruch, Schambeinentzündung und Leistenoperation. Der Stoff dieser Fußball- Vita stammt in Teilen aus dem Pschyrembel, dem medizinischen Wörterbuch. Womöglich aber haben dem robusten Sechser im Laufe der Jahre auch innerliche Verletzungen zugesetzt. „Es gibt keine Fairness in diesem Geschäft“, klagt Hampel, der sich selbst einen „Gerechtigkeitsfanatiker“ nennt.

Es seien „die immer gleichen Mechanismen“, die ihn „mehr und mehr genervt“ hätten, offenbart der Ex-Profi. „Selbst wenn du dich voll reinhängst und eine gute Leistung anbietest, bist du stets von irgendwelchen Dritten abhängig.“ Vom Wohlwollen des Trainers, des Managers, maßgeblicher Vereinsfunktionäre. „Da wird Politik gemacht mit Vitamin B.“ Zudem machten sich in der Branche zunehmend windige Spielerberater breit, die mit den Profi- Klubs verdeckte Doppelpässe spielten. „Die haben ihre drei, vier Vereine an der Hand und transferieren da ihre Spieler hin und her.“ Für Hampel grenzt das schon „an modernen Menschenhandel“. Es sei zwecklos, sich dagegen aufzulehnen. „Du machst die Faust in der Tasche, weil du weiter dein Geld verdienen willst.“

Hampel ist kein geborener Rebell, aber ein gescheiter Kopf mit Abitur und abgeschlossenem Fernstudium. Die Gesetzmäßigkeiten des Fußballgeschäfts hat er durchschaut. „Das alles ist mir sehr unangenehm aufgestoßen.“ Dabei blendet er die angenehmen Seiten keineswegs aus. „Es ist schon schön, wenn man sehr viel Geld verdienen kann und die allermeisten Leute einen mögen.“ Gute Zeiten, schlechte Zeiten. Doch der bodenständige Hallenser hat sich nicht wirklich wohl gefühlt in der Umgebung großspuriger Sprüche- und schleimender Schulterklopfer. Hampel wollte nicht mehr mitschwimmen in diesem Haifischbecken. Die so genannten Gesetze der Liga mochte er für sich nicht mehr akzeptieren, weil sie mit seiner Selbstachtung kollidierten.

Er hat den Schnitt gemacht. Und scheint seine Entscheidung keine Sekunde zu bereuen. Keine Tränen, keine Wehmut. Hampels Abschied aus dem Profi-Fußball sei „völlig untypisch“ verlaufen, heißt es in einer wissenschaftlichen Untersuchung über das vorzeitige Ende bundesdeutscher Kicker-Karrieren. In den Füßen hat es Hampel aber weiter gekribbelt. Nach Auflösung seines Profivertrags bei Fortuna Düsseldorf spielte er zunächst für die Sportfreunde Lotte in der Regionalliga und für Turu Düsseldorf in der fünftklassigen Oberliga. „In diesen Klassen laufen Leute rum, die schon ganz gut kicken können“, urteilt Hampel, „die wollen sich nur nicht den großen Druck machen, um höherklassig zu spielen.“

Zwischenzeitlich lief der ehemalige Berufsfußballer sogar für den Sportring Eller in der Kreisliga A auf. „Das ist schon ´ne harte Nummer“, feixten die User im „Fortuna- Forum“ über den „Abstieg eines Ex-Profis“. Hampel versteht die ganze Aufregung nicht. „Ich habe denen einen Gefallen getan, weil ich mit Ellers Trainer Bernd Holzhauer befreundet bin.“ In der laufenden Rückrunde will er jetzt der U23 von Fortuna Düsseldorf helfen, den drohenden Regionalliga-Abstieg zu verhindern. „Die haben mich angesprochen und da hat’s bei mir noch mal gejuckt“, gesteht Hampel. „Meine Liebe zum Fußball habe ich ja nie verloren.“

Dabei war er auch zu seinen Zeiten als Berufskicker nie ausschließlich auf den Fußball fokussiert. In vielen Ländern hat er auf seinen Reisen intensiv Kulturen und Küchen studiert. Am meisten fasziniert ihn die spanische Esskultur. „Die Tapas sind das beste Beispiel dafür, dass man aus ganz einfachen Dingen etwas ganz Besonderes mit eigenem Charakter entstehen lassen kann“, lautet Hampels Credo.

Seit Monaten dribbelt der Ex-Profi in seinem „La Olliva“ jetzt zwischen Leber in Rioja auf Kartoffelpüree, Kroketten vom Stockfisch oder zartem Huhn in pikanter Barbecue- Soße. Mitunter zählen auch Fortuna-Spieler zu seinen Gästen. Doch das Thema Fußball sei in seiner Tapas-Bar weitgehend tabu, versichert Hampel. Zu Bundesligaspielen in Düsseldorf gehe er nur ganz selten. Selbst im Fernsehen verfolge er den großen Fußball nicht mehr. Wenn er sein Lokal gegen Mitternacht abgeschlossen habe, schaue er sich im Internet die Bundesliga-Ergebnisse an. „Das war’s dann aber auch schon.“

Aufrufe: 08.3.2013, 09:03 Uhr
Johannes NitschmannAutor