2024-06-06T14:35:26.441Z

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Vom Provinzclub bis in die 2. Liga

VfR Bürstadt: Kurzfilm über den Auf- und Abstieg des VfR Bürstadt

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So wie jeder Fußballer davon träumt irgendwann einmal bei einer WM Endrunde teilzunehmen, so träumt jeder Provinzverein davon bis in den Profibereich aufzusteigen. Dieser Traum erfüllte sich für den VfR Bürstadt vor mehr als 46 Jahren. Am 20. Mai 1972, mit einem 3:0 Erfolg über die Amateure der Offenbacher Kickers, feierte der VfR Bürstadt den Aufstieg in die Regionalliga Süd (damalige 2. Liga).

Federführend für diesen Erfolg war Mäzen Robert Kölsch, der im Jahre 1953 den Club aus dem Kreis Bergstraße übernahm. Unter seiner Regie veränderte sich das Image der Bürstädter. Neben der Mannschaft veränderte Kölsch auch das Stadion gewaltig. Der Waldsportplatz wurde zum Waldstadion umgebaut, das seit 1994 seinen Namen trägt.

Im Laufe der nächsten 15 Jahre träumte man beim VfR groß. Mit der Neuausrichtung des Vereins hieß der Auftrag, in naher Zukunft den Traum vom Profifußball wahr werden zu lassen. Doch in der Saison 1966/67 stieg der VfR von der Hessenliga in die Gruppenliga ab. Man sah das jähe Ende aller Fußballträume bevorstehen. Aber schon im Moment des Abstiegs feilte Kölsch am Neuanfang.

Erfahrene Kräfte wie Werner Seider, Dieter Münch, Klaus Schlappner und nicht zuletzt Lothar Buchmann wurden verpflichtet. Letzterer wurde von der Wormatia Worms verpflichtet und fungierte in Bürstadt als Spielertrainer. In den kommenden Jahren sollte Buchmann den Fußball in Bürstadt prägen, wie es niemand zuvor tat. Auf Anhieb gelang der Wiederaufstieg in die Hessenliga. Dort etablierte Buchmann den VfR und machte Bürstadt zu einer Fußballhochburg. 1970 sorgten beim Jubiläumsspiel gegen den FC Bayern München mehr als 10.000 zahlende Zuschauer für eine Rekordkulisse. Das damalige 1:1 gegen Gerd Müller, Sepp Maier und die Lichtgestallt des deutschen Fußballs Franz Beckenbauer ist bis heute unvergessen.

Durch die zusätzlich finanzielle Unterstützung der Metallwarenfabrik „OLI“ sah sich der VfR nochmals neuen Möglichkeiten voraus. Im vierten Jahr nach dem Wiederaufstieg war es dann so weit: Der Aufstieg in den Profibereich. Nicht zuletzt durch den sensationellen 4:3 Heimerfolg im Spitzenspiel gegen den FSV Frankfurt vor rund 10.000 Zuschauern, wurde der Aufstieg festgemacht. Lothar Buchmann und Robert Kölsch waren am Ziel angelangt. Die „grauen Mäuse“, wie die Bürstädter anfänglich in Liga 2 genannt wurden, sahen sich einer turbulenten Saison im Unterhaus entgegen. Die Krönung bis Dato war das Heimspiel gegen den großen Nachbarn Waldhof Mannheim, den man mit 2:1 in die Knie zwingen konnte. Doch trotz eines respektablen Platz zwölf flossen am Ende der Saison Tränen. Denn die Untergliederung der 2. Bundesliga Süd und Nord bescherte den Bürstädtern den Zwangsabstieg am grünen Tisch. Doch wer einmal Blut leckte, bekommt davon nicht genug. Die Mannschaft konnte trotz des Abstieges größtenteils gehalten und sogar verstärkt werden. Obwohl sie 51:3 Punkte in Folge erzielten, musste sich der VfR ausgerechnet im entscheidenden Endspiel gegen den FSV Frankfurt mit einem 2:2 begnügen. Dieses Resultat verhinderte den Wiederaufstieg, den stattdessen der FSV Frankfurt einnahm.

Das Jahr darauf verlief ähnlich dramatisch. Trotz einer starken Saison zog man als Tabellenzweiter wieder den Kürzeren. Der KSV Baunatal war dem VfR diesmal voraus. Nach neun Jahren sagte dann Trainer Lothar Buchmann Ade. Neuer Coach wurde Ex-Nationalspieler Wolfgang Solz. Unter Neutrainer Solz gelang auch der sofortige Wiederaufstieg. Der 2:0 Sieg im letzten Saisonspiel auf der Bad Homburger Sandelmühle besiegelte am 8. Mai 1977 die Meisterschaft und den abermaligen Aufstieg in den Profifußball. Am selben Abend versammelte sich die 16.000 Einwohner-Gemeinde vor dem alten Rathaus, um ihre Helden zu feiern.

Doch wieder sah sich der VfR einer schweren Aufgabe entgegen. Im Dezember 1977, nach einer Niederlage bei Hof, die zugleich die vierte Pleite in Folge war, entließ man Solz. Dem Nachfolger Josef Becker gelang es nicht das Ruder nochmal herumzureißen. Trotz des erneuten Abstieges verlor man um den ersten Vorsitzenden Hiltl nicht die Nerven. Erneut am Scheideweg verlief die Darauffolgende Saison wie gemalt. Unter Becker-Nachfolger Fritz Fuchs gelang der direkte Wiederaufstieg und damit das dritte Jahr in Liga 2. Vor der Rekordkulisse von 23.000 Zuschauern bewies der VfR im Kasseler Auestadion Nervenstärke und entschied das Gipfeltreffen mit 3:1 für sich. Diesmal gelang die Etablierung in der 2. Liga. Aber erst als Lothar Kleim das Training übernahm. Mit sensationellen Auswärtssiegen wie das 3:0 in Saarbrücken oder ein 1:0 in Worms, sowie ein 2:1 bei Waldhof Mannheim bedeuteten schließlich den ersten Klassenerhalt in Liga 2.

Allerdings ein paar Tage später gab es Folgenschwere Post vom DFB. Dieser plante zur Saison 1981/82 eine Halbierung und Zusammenlegung der beiden Zweitligastaffeln. Den Verantwortlichen im Waldstadion war der Schreck ins Gesicht geschrieben. VfR-Boss Hiltl kämpfte mit aller Macht gegen die umstrittene Ligareform. Er wetterte: „Die 2. Liga wurde nicht im Interesse der Zweitligisten eingeführt, sondern einzig und allein, um den Absteigern aus der Bundesliga ein Auffangbecken zu bieten.“ In der abgelaufenen Saison stand der VfR mit Platz 13 im gesicherten Mittelfeld der Liga. Diesmal jedoch führte der Platz wieder in die Hessenliga. Zum zweiten Mal binnen sieben Jahren waren die Südhessen am grünen Tisch abgestiegen…

Die Folgen waren frustrierend. 1982/83 verlor man lediglich ein Spiel (2:1 in Griesheim) – und kam dennoch nur auf einen Zuschauerschnitt von 869. In der Aufstiegsrunde scheiterte man an Ulm und Saarbrücken. Im darauffolgende Jahr nahm man den erneuten Anlauf auf Liga 2 vor und schafft den Durchbruch. Mit einem 1:0 in Aschaffenburg sicherten sich die Riedstädter zunächst die Oberligameisterschaft, ehe sie in der Aufstiegsrunde mit einem 4:0 zuhause gegen den TSV 1860 München für eine Sensation sorgten.

Doch die einstmals heile Fußballwelt in Bürstadt hatte sich verändert. Hauptsponsor und zugleich Namensgeber „OLI“ meldete nach 1982 Konkurs an. Mit einem Etat von rund 1,2 Millionen DM sah sich Heinrich Hiltl lediglich dem Modell „Feierabend-Fußballer“ entgegengestellt. Zudem musste man den Trainer wechseln. Für den Lizenzlosen Horst-Dieter Strich kam ein alter Bekannter ins Waldstdion zurück: Lothar Buchmann. Daheim waren die Bürstädter in der vierten Zweitligasaison schwer zu schlagen. Auswärts fand man jedoch nicht in die Spur und so kam man nie aus der Abstiegszone heraus. Als Trainer Buchmann dann im März 1985 zum Karlsruher SC wechselte, war der erneute Abstieg längst besiegelt. Als sich im Anschluss langjährige Führungspersönlichkeiten wie Robert Kölsch allmählich zurückzogen, brach über Bürstadt endgültig die Tristesse der Oberliga herein. Nachdem 1985/86 der erneute Wiederaufstieg verfehlt wurde, befand der inzwischen als Schatzmeister tätige Hiltl: „Vom Kaufmännischen her ist ein Versinken in der Mittelmäßigkeit nicht aufzuhalten. Wir werden es aber nochmals versuchen. Mit allen finanziellen Anstrengungen. Gelingt der Aufstieg nicht, dann ist Feierabend.“

Der Aufstieg blieb im Folgejahr 1986/87 mit Platz fünf aus. In den nächsten Jahren ging es in der Hessenliga gegen den Abstieg. Der bis Dato letzte Hoffnungsschimmer war die Vorrunde 1990/91, in der man unter anderem Kickers Offenbach mit 2:0 bezwang und bis auf Rang vier vorstieß. Als 1992 mit Peter Schwarz einer der letzten „Alten“ ging, musste der VfR unter Trainer Djuradje Vasic bis zum letzten Spieltag zittern und verschwand 1995/96 trotz Rückkehrer Lothar Buchmann nach 29 Jahren Zweit- bzw. Drittligajahren in der Landesliga.

Zwar gelang nach einem 2:0 Relegationssieg in Battenberg der sofortige Wiederaufstieg, doch kam man in den folgenden Jahren nicht mehr über den Abstiegskampf hinaus. Nach einer verpatzten Rückrunde im Jahre 1998/99 musste man abermals den Gang in die Landesliga antreten. Zusehend gingen die Lichter aus. In finanzielle Nöte gelangt wurde das Stadion in der Saison 2000/01 an die Stadt verkauft, um Schulden zu tilgen. Mehr als das Überleben des Clubs war aber nicht drin. Zur Spielzeit 2002/03 zog man sich schließlich freiwillig in die Bezirksliga zurück. Eine völlig überforderte Notelf fand sich am Saisonende in der Kreisliga wieder. Unter Spielertrainer Thomas Haberer gelang immerhin der direkte Wiederaufstieg in die Bezirksliga. Doch das Kapitel Profifußball hatte ein Ende gefunden. Lediglich der Rasen und die Tribüne erinnern noch an Zeiten, als man mit den ganz Großen mithielt.

Wir von FuPa haben diese Jahrzehnte in einem Kurzfilm noch einmal Revue passieren lassen und unter anderem mit dem Protagonisten des Aufschwungs in Bürstadt, Lothar Buchmann, gesprochen.

Aufrufe: 019.6.2018, 12:26 Uhr
Pascal WinklerAutor