2024-05-17T14:19:24.476Z

Interview
Mehr als nur irgendeine Station: Seit sechs Jahren ist Andre Betz beim TSV Großbardorf beschäftigt - zunächst als U19-Trainer, aktuell als Coach der Bayernliga-Truppe und künftig als Teammanger. In dieser Zeit hat der gelernte Schreiner die Grabfeld-Gallier ins Herz geschlossen.
Mehr als nur irgendeine Station: Seit sechs Jahren ist Andre Betz beim TSV Großbardorf beschäftigt - zunächst als U19-Trainer, aktuell als Coach der Bayernliga-Truppe und künftig als Teammanger. In dieser Zeit hat der gelernte Schreiner die Grabfeld-Gallier ins Herz geschlossen. – Foto: Dirk Meier

Vom Frontkämpfer zum Feuerwehrmann

Andre Betz, in dieser Saison noch Trainer von Bayernligist Großbardorf, wechselt zur neuen Spielzeit die Rollen und wird Teammanager bei den Grabfeld-Galliern +++ Der 38-Jährige im großen FuPa-Interview.

Es ist eine Konstellation, die enormes Konfliktpotenzial birgt, wie die Vergangenheit in vielen Vereinen gezeigt hat. Der bisherige Cheftrainer Andre Betz wird beim TSV Großbardorf künftig als Teammanger fungieren, also zum Funktionär aufsteigen. Andreas Brendler übernimmt als Mann an der Linie und soll mit seinem Vorgänger eng zusammenarbeiten. Betz selbst sieht in dieser Zusammenarbeit - gegen die allgemeine Meinung - keine Explosionsgefahr. Im Gegenteil.

Für den 38-Jährigen sind die neuen Strukturen bei den "Grabfeld-Galliern" eine große Chance, wie er im FuPa-Interview verdeutlicht. Der Angstellte in der chemischen Industrie blickt außerdem auf sein künftiges Profil als Teammanager - und die nicht allzu großen Unterschiede zu seiner bisherigen Tätigkeit. Während er bisher an der Front, also in vorderster Reihe der Bayernliga-Truppe aktiv war, wird er künftig als eine Art Feuerwehrmann im Hintergrund agieren, der vor allem dann zum Einsatz kommt, wenn er gebraucht wird, aber auch in Sachen Brandschutz tätig ist...

FuPa: Andre, was zeichnet einen guten Trainer aus?
Andre Betz (38): Ein guter Trainer sollte ein gutes Gespür für Menschen und Situationen auf und neben dem Platz entwickeln. Er soll sehr kommunikativ sein und motivieren können. Unabdingbar ist in diesem Zusammenhang eine ehrliche Selbstreflexion, um glaubwürdig zu bleiben. Nichtsdestotrotz darf man das klare Ziel, das man sich selber setzt, nicht aus den Augen verlieren. Der rote Faden muss da sein, um ordentliche, sichtbare Arbeit abliefern zu können.

Es geht inzwischen also weit über den fachlichen Aspekt hinaus?
Absolut. Einerseits muss ein guter Trainer fachlich immer auf dem neusten Stand sein. Andererseits ist Taktik und Trainingskonzeption längst nicht mehr alles. Das Menschliche, der inviduelle Umgang mit jedem Spieler, spielt eine immer größere Rolle. Ein Trainer ist alles in allem dafür da, das sportliche Maximale aus der Mannschaft rauszuholen - unter Berücksichtigung aller Faktoren, die dafür nötig sind.

...und was muss ein Funktionär, genauer gesagt ein Teammanager, besonders gut können?
Hat man dieses Amt inne, muss man versuchen, dem Trainer und auch den Spielern den Rücken frei zu halten. Konzentriert sich der Coach, wie vorher beschrieben, rein auf das Sportliche, bleiben im modernen Fußball viele Dinge auf der Strecke - gerade wenn das Alltagsgeschäft in vollem Gange ist. Der Teammanager muss dann - vor allem zwischenmenschliche - Diskrepanzen im Vorfeld erkennen und versuchen, sie aus der Welt zu schaffen, ehe sie zu richtigen Probleme werden.


Diese Aufgaben kommen auf Andre Betz zu

Ein Teammanager ist also eine Art Kummerkasten?
Vielleicht auch ein bisschen, aber nicht ausschließlich. Der sportliche Betrieb soll reibungslos funktionieren, das ist die Hauptaufgabe. Sicher gehört es deshalb dazu, mir Sorgen anzuhören - aber nicht nur. Es gibt viele weitere Themenfelder.

Zum Beispiel?
Gegner- und Spielerbeobachtung. Das Leiten kleinerer, gesonderter Trainingsgruppen - mit positionsspezifischen Individualtraining oder Aufbaueinheiten mit nach Verletzung zurückgekehrter Spieler. Außerdem das Leiten von Meetings in Vertreterung der sportlichen Leitung, Transfergespräche, Vertragsverhandlungen, generell Kaderplanung und gegebenenfalls Organisatorisches.

Du bist also insgesamt ein besserer Teammanger als Trainer, weil Du in der neuen Saison die Rollen tauscht?
Schwierig zu beantworten. Ich muss deshalb etwas weiter ausholen. Als Trainer ist man mittlerweile, wie schon eingangs erwähnt, etwas mehr als nur Übungsleiter. Mir ist aber während meiner bisherigen Zeit als Coach der Gallier aufgefallen, dass eben vieles auf der Strecke bleibt - eigentliche Aufgaben des Trainers, die dann einfach der Teammanager übernimmt. Aus diesem Grund sind sich beide Funktionen sehr ähnlich.

"Es ist eine Ehre, Teil dieser Gemeinschaft sein zu dürfen": Großbardorf und Andre Betz - diese Liebe beruht auf Gegenseitigkeit.
"Es ist eine Ehre, Teil dieser Gemeinschaft sein zu dürfen": Großbardorf und Andre Betz - diese Liebe beruht auf Gegenseitigkeit. – Foto: Mario Wiedel

Ganz allgemein: Warum hast Du Dich dazu entschieden, von der Linie einen Schritt in den Hintergrund des Alltagsgeschäftes zu machen?
Ich verlasse ja nicht komplett den Trainerbereich, wie bereits erklärt. Andi Brendler wird natürlich der Cheftrainer sein, aber ich werde nach wie vor Aufgaben im Trainerteam übernehmen - genauso wie Udo Eckert (Co-Trainer/Anm. d. Red.) und Otto Dietz (Torwart-Trainer/Anm. d. Red.). Auch ich bin bei allen Trainingseinheiten und Spielen vor Ort - und springe, falls gewünscht und nötig ein.

Was mich dazu bewogen hat, diesen Schritt zu machen, ist das unwahrscheinliche Potenzial, das Großbardorf noch immer hat. Was hier außerhalb des Spielbetriebs gemacht wird, ist Wahnsinn - der Jugendbereich wird immer größer, der neue Campus ist hinzugekommen. Die Aufgaben werden immer mehr für diejenigen, die gerade da sind. Es ist deshalb unabdingbar, weitere Funktionsträger zu installieren, um die bisher Verantwortlichen wie Andi Lampert (Sportvorstand/ Anm. d. Red) oder Gerhard Schüler (Sportlicher Leiter/Anm. d. Red) zu entlasten. Und hier bin eben ich ins Spiel bekommen. Mich reizt es, neue Wege zu gehen und somit was voran zu bringen. Deshalb habe ich zugesagt.

Man hört raus: Der TSV Großbardorf ist inzwischen "Dein" Verein.
Ja, das kann man so stehen lassen. Ich gehe ins sechste Jahr in Bardorf - und in dieser Zeit habe ich den Verein absolut lieb gewonnen. Fährt man nach Großbardorf hoch und sieht die vielen Leute, die sich rund um die Uhr um den TSV kümmern, bleibt einem fast nichs anderes übrig. Das Team um das Team ist phänomenal. Es ist eine Ehre, Teil dieser Gemeinschaft sein zu dürfen. Ich hatte von Anfang an das Gefühl, dass ich dazugehöre.


Gibt es schon zu viele Funktionsträger?

Es ist immer die Rede davon, dass Trainer zu Funktionären "befördert" werden. Siehst Du das ähnlich? Ist ein Funktionärsposten wertiger als der Platz auf der Bank?
Wertiger... befördert... (überlegt)... so würde ich es nicht bezeichnen. Es ist eine andere Aufgabe, das ist klar. Man ist ein Stück weit näher am Verein wie als Trainer. Man schaut über den Tellerrand des Sportlichen hinaus und hat das Große und Ganze im Blick, man schaut hinter die Kulissen in den Maschinenraum. Es ist ja verstärkt zu beobachten, dass nur das geschätzt wird, was auch sichtbar ist. Doch das ist der falsche Ansatz. Der Vordergrund ist nur strahlend, wenn der Hintergrund bestellt ist.

Zurück zur Zusammenarbeit mit Neutrainer Andreas Brendler: Besteht die Gefahr, dass Du Dich zu sehr in Taktik und Aufstellung einmischt, eben weil Du auch aus diesem Bereich kommst?
(lacht) nein. Das kann ich versichern. Die Aufgaben sind klar verteilt. Und es wird sicher mal vorkommen, dass ich meine Meinung kundtue. Andi Brendler wird aber nicht umsonst als "Cheftrainer" bezeichnet. Im sportlichen Bereich hat er das letzte Wort.

Warst Du bei der Suche nach Deinem Nachfolger bereits als künftiger Funktionär involviert?
Ja, absolut. Von Anfang an. Und das macht die Zusammenarbeit mit Andi auch so interessant. Wir haben uns bereits oft und lange unterhalten und schwimmen auf der selben Welle. Wir sind zwei Fußballverrückte, die stundenland über gewisse Dinge philosophieren können. Des passt einfach zwischen uns. Bereits jetzt das Planen und Organisieren, wofür in der aktuellen Situation viel Zeit bleibt, macht enorm viel Spaß...

Steht bei Dir die aktuelle Saison als Trainer im Vordergrund - oder bereits die Planungen für die neue Spielzeit als Teammanager?
Weder noch. Der Übergang ist fließend. Weil beide Funktionen große Schnittmengen haben, fällt mir die Umstellung sehr leicht.

Sportlicher Leiter, Abteilungsleiter, Teammanager - rund um eine Mannschaft gibt es inzwischen vielerlei Posten. Gibt es vielleicht sogar schon zu viele, die mitreden - weshalb eine Entscheidungsfindung schon sehr langwierig ist?
Nein. In Großbardorf sind diese Strukturen gesund gewachsen. Es wurden erst Posten besetzt, als sie wirklich nötig waren. Deshalb hat jeder in seinem Aufgabenbereich ausreichend zu tun und auch eine gewisse Entscheidungsgewalt. Klar, hat Andi Lampert als sportlicher Leiter bzw. Sportvorstand immer das letzte Wort. Doch er weiß, dass er sich auf Gerhard Schüler, Bernhard Leicht (Abteilungsleiter/ Anm. d. Red.), Manuel Leicht (künftig auch Teammanger/Anm. d. Red.) oder dann auch mich verlassen kann. Wir kennen uns schon lange genug, um zu wissen, dass wir die selben Vorstellungen, Ideen und Vorgehensweisen haben,

Die künftige Sportliche Leitung des TSV Großbardorf (v.l.): Andreas Lampert, Andre Betz, Andreas Brendler und Manuel Leicht, der ebenfalls als Teammanger arbeiten wird.
Die künftige Sportliche Leitung des TSV Großbardorf (v.l.): Andreas Lampert, Andre Betz, Andreas Brendler und Manuel Leicht, der ebenfalls als Teammanger arbeiten wird. – Foto: TSV Großbardorf

Ist der Schritt zum Funktionär gleichbedeutend mit dem Ende Deiner Trainerkarriere?
Nein, auf keinem Fall. Im Gegenteil sogar. Ich denke, dass ich durch die Teammanger-Sache Dinge lerne, die mich als Trainer weiterbringen. Ich habe einen anderen Blick auf eine Mannschaft, habe zudem Zeit, meine Philosophie zu schärfen und vielleicht Fortbildungen zu machen. Das eine hängt mit dem anderen nicht zusammen. Ich stehe absolut gerne auf dem Platz, was ich ja auch nach wie vor tun kann. Gleichzeitig muss ich nicht der tonangebende Chef sein, sondern genieße es, im Hintergrund zu arbeiten.

Welche Ziele verfolgst Du mit dem TSV? Wohin geht die Reise? Zurück in die Regionalliga?
Es ist doch als Sportler völlig logisch, dass man größtmöglichen Erfolg anstrebt - deshalb schwingt das Wort "Regionalliga" immer mit. Mein größtes Ziel ist es zunächst jedoch, die neuen Strukturen kennenzulernen, mich einzuarbeiten und Spuren zu hinterlassen. Alles Weitere ergibt sich dann von selbst.

Vielen Dank für das Interview - alles Gute für die Zukunft und ganz wichtig. Gesund bleiben!

Aufrufe: 01.5.2020, 16:00 Uhr
RedaktionAutor