2024-06-17T07:46:28.129Z

Interview
Konzentiert bei der Sache: Der frühere Ginsheimer Vincent Leifholz arbeitet als Videoanalyst bei Drittligist Hansa Rostock.
Konzentiert bei der Sache: Der frühere Ginsheimer Vincent Leifholz arbeitet als Videoanalyst bei Drittligist Hansa Rostock. – Foto: Toni Rohmann

Via Headset mit dem Trainer verbunden

Dritte Liga: Vincent Leifholz gibt Einblicke in den Beruf des Videoanalysten / Bereits mit 24 Jahren bei Traditionsklub Hansa Rostock

Fast jedes fußballverrückte Kind träumt davon, irgendwann einmal als Profi auf dem Rasen zu stehen. Von diesem Traum war Vincent Leifholz gegen Ende seiner Juniorenzeit gar nicht weit entfernt. Immerhin schaffte der Defensivspieler in seinem letzten Jahr bei den Junioren mit dem TSV Havelse den Sprung in die Nordstaffel der U19-Bundesliga. Knapp fünf Jahre später ist der heute 24-Jährige tatsächlich im Profigeschäft tätig. Doch statt auf dem Platz zu stehen, sitzt Leifholz seit Anfang dieses Jahres beim Traditionsklub Hansa Rostock als Videoanalyst auf der Tribüne. Im Gespräch mit FuPa Darmstadt spricht er über seinen Job als Videoanalyst und erklärt, worauf es ankommt.

FuPa Darmstadt: Vincent, eine Sache vorweg: Du bist in Niedersachsen großgeworden, hast in Hildesheim studiert und bis Ende 2019 in Berlin gewohnt. Trotzdem ist dir auch die Region hier fußballerisch nicht fremd. Wie kommt es dazu?

Vincent Leifholz: Das hängt damit zusammen, dass ich ab 2017 beim FSV Mainz 05 in der Jugendabteilung tätig war. In dieser Zeit wollte ich nebenbei selbst noch bisschen weiterspielen und habe dann in der Saison 2017/18 bei der U23 vom VfB Ginsheim gespielt. Die Saison hat richtig viel Spaß gemacht und ist mir nicht nur durch den Aufstieg in die Gruppenliga in sehr guter Erinnerung geblieben. Leider konnte ich das mit den Jungs nicht so richtig feiern, weil es erst nach einer Verhandlung am Grünen Tisch wirklich feststand. Bei Bekanntgabe war ich dann bedauerlicherweise schon wieder in der Heimat.

FuPa Darmstadt: Über eine Stelle bei Union Berlin hat es dich nun in den Norden zu Hansa Rostock verschlagen. Dort arbeitest du seit Winter als Videoanalyst der Profimannschaft. Was gehört in dieser Funktion alles zu deinem Aufgabenbereich?

Leifholz: Grundsätzlich ist es meine Aufgabe, unseren Trainer Jens Härtel und das gesamte Trainerteam zu unterstützen. Das betrifft vor allem die Gegner- und Spielanalyse. Ich bin bei jedem Spiel und fast allen Trainingseinheiten dabei und somit ganz nah an der Mannschaft dran. In der Woche vor dem Spiel geht man Videoaufzeichnungen des Gegners durch und arbeitet Besonderheiten in dessen Spielweise heraus. Das geht dann auch während dem Spiel weiter: Dort sitze ich auf der Tribüne und bin via Headset mit der Bank verbunden. Von oben hat man einen anderen Blickwinkel auf das Spiel, deswegen ist ständige Kommunikation von sehr großer Bedeutung. Wichtige Sequenzen schneide ich direkt raus, damit man sie bereits in der Halbzeit in der Kabine ansprechen und vor allem zeigen kann. Selbstverständlich geht es dann nach dem Spiel auch noch an eine detaillierte Nachbearbeitung. Da geht teilweise schon mal eine ganze Nacht oder Rückfahrt im Bus drauf.

FuPa Darmstadt: Die Videoanalyse ist im Profibereich seit Jahren Gang und Gäbe. Wie versucht man, dadurch einen Vorteil für die eigene Mannschaft zu generieren?

Leifholz: Das ist natürlich ein komplexes Thema. Vereinfacht gesagt gilt es, primär die Spielweise des Gegners offenzulegen. Wir zeigen unseren Spielern, was der Gegner macht und geben ihnen eine Art Plan mit an die Hand. Da kommt einem schnell der berühmte Matchplan in den Sinn. Das ist im heutigen Fußball aber so eine Sache, weil es unmöglich ist, nur einen bestimmten Plan umzusetzen. Viel eher muss man variabel sein und mehre Optionen im Hinterkopf haben. Genau darum geht es dann auch in der Videoanalyse. Wir wollen den Spielern Möglichkeiten aufzeigen, mit denen sie gegen den jeweiligen Gegner erfolgreich sein können. Sie sollen einfach wissen, was auf sie zukommt.

FuPa Darmstadt: Du wirst wahrscheinlich zustimmen, wenn man sagt, dass man ein Spiel gefühlt nie lange genug analysieren kann. Wie gelingt es dir, dich dann auf die wirklich wichtigen Sequenzen zu konzentrieren?

Leifholz: Ich denke das hat vor allem mit Erfahrung zu tun. Dieses Auge für wichtige Szenen entwickelt man, wenn man sich immer und immer wieder mit Spielszenen beschäftigt. Grundsätzlich geht es um all die Dinge, die man unten auf dem Platz oder der Bank nicht erkennt. Da spielen vor allem taktische Feinheiten eine große Rolle. Wie ist der Gegner ausgerichtet? Agiert er so, wie wir es erwartet haben? Und vor allem: Wie reagieren unsere Spieler in bestimmten Spielsituationen?

FuPa Darmstadt: Trotz der wirklich ausgeprägten Möglichkeiten der Spielbeobachtung bleibt der Fußball in gewisser Weise unberechenbar. Läuft man in deiner Position nicht Gefahr, das Spiel etwas zu "zerdenken"?

Leifholz: Da muss man aufpassen, natürlich. Im Endeffekt habe ich die Aufgabe, den Spielern eine gewisse Hilfestellung bereitzustellen. Es ist nicht möglich, einen Spieler durch die Videoanalyse komplett zu ändern - das wollen wir auch überhaupt nicht. Ziel der Spielbeobachtung ist es, den Spielern alle Möglichkeiten zu geben, auf dem Platz erfolgreich zu sein. Klar ist auch, dass es in jeder Mannschaft verschiedene Charaktere gibt. Manche können gefühlt gar nicht genug Feedback aufsaugen, während andere da etwas distanzierter sind. Das ist aber völlig normal, und damit gilt es von meiner Seite aus umzugehen.

FuPa Darmstadt: Abschließend wäre es noch interessant zu wissen, ob du Elemente aus der Spielbeobachtung mit in deine eigenen Spiele nimmst. Helfen dir deine Kenntnisse aus dem Beruf da weiter?

Leifholz: Ich habe es anfangs auf jeden Fall versucht. Da wollte ich das taktische Verständnis, welches man mit dem Blick von oben auf das Spiel entwickelt, auf gewisse Spielsituationen oder meine Mitspieler anwenden. Man merkt allerdings schnell, dass das nicht so viel bringt. Auf dem Feld müssen Spieler innerhalb von Sekunden intuitiv handeln. Wenn man sich da zu viele Gedanken macht, kommt am Ende meistens nichts Gutes bei raus. Ich bin die gesamte Woche über mit Taktik und Analysen beschäftigt, da tut es auch mal gut, einfach nicht nachzudenken. In solchen Momenten bin ich dann ganz der Spieler.

Aufrufe: 031.3.2020, 10:58 Uhr
Johannes WolfAutor