2024-05-02T16:12:49.858Z

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Steht für einen neuen Ausbildungsansatz: Julia Brinkschröder. Foto: Kristopher Fetz
Steht für einen neuen Ausbildungsansatz: Julia Brinkschröder. Foto: Kristopher Fetz

VfL Osnabrück: Julia Brinkschröder bildet Talente aus - und Trainer

Neuer Ansatz in Nachwuchsförderung im NLZ des Fußball-Zweitligisten

Osnabrück. Weg von gleichförmig gezüchteten Systemfußballern mit austauschbaren Profilen, hin zur freien Entfaltung kreativer Spielerpersönlichkeiten mit unterschiedlichen Stärken: Mit diesem Ziel läuft aktuell im leistungsorientierten Jugendfußball in Deutschland ein durchaus radikaler Umbau der Ausbildung an. Beim VfL Osnabrück haben sie schon zuletzt in Sebastian Klaas oder Felix Agu gefragte Spielertypen abseits der Norm entwickelt – nun will Julia Brinkschröder als pädagogische Leiterin im Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) die nächste Stufe dieser Förderung zünden.

„Unser Leitmotiv ist: Wir suchen nicht nach Fehlern, sondern nach Chancen. Wir fokussieren uns auf positive Dinge – und auf Dinge, die wir beeinflussen können“, sagt die Doktorandin der Psychologie und Sportwissenschaften an der Universität Bielefeld. Seit fünf Jahren arbeitet die 32-Jährige beim VfL: Die A-Lizenz-Inhaberin gehörte zum Trainerteam der U12, U14 und U15, coacht aktuell die U13 – und verantwortet seit Juli federführend die Entwicklung aller NLZ-Spieler und Trainer.

Wissen zum Thema bringt sie reichlich mit: Für ihre Doktorarbeit zum Thema „Einfluss des Umfelds auf die Leistungsentwicklung von NLZ-Spielern“ hat Brinkschröder in Europa über 20 Standorte besucht. Ihre Erekenntnis: Psychologie und Pädagogik sollten viel mehr Gewicht in der Ausbildung der Talente erhalten. „Auffällig war: Wirklich alle NLZs in Deutschland arbeiten nach dem gleichen System. Dagegen war – neben der Offenheit für externe Impulse beim FC Basel – das Jugendtraining bei Real Madrid für mich prägend: immer spielorientiert, mit hoher Wertschätzung für die Talente, viel fragendes Coaching“, sagt Brinkschröder.

Mehr Fragen statt Ansagen

Letzteres soll auch beim VfL zentral werden in der Arbeit auf dem Platz. Autoritäre Trainer-Ansagen, die Talente in schablonenhaftes Agieren drängen, sollen weichen. Statdessen finden Talente auf Fragen der Trainer eigeninitiativ Lösungen für Spielsituationen, die auch kreativ sein dürfen. „Das fördert ihr Selbstbewusstsein und ihre Kreativität“, erklärt Brinkschröder. Vorrang für Training so nah wie möglich am Spiel elf gegen elf soll diese Effekte verstärken. Spielformen in Kleingruppen dienen der Verinnerlichung erarbeiteter Lösungswege.

Die weitere Etablierung dieses Coachings will Brinkschröder nach der corona-bedingten Übungspause bei allen Jugendteams auf den Plätzen der Illoshöhe begleiten. Aktuell legt die gebürtige Osnabrückerin, die bis 2014 bei Arminia Ibbenbüren in der Frauen-Regionaliga kickte, den Fokus auf ihre zentrale Aufgabe: Persönlich-coachende Arbeit mit den NLZ-Trainern.

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„Fachliche Fußballkompezenz haben alle von ihnen. Es geht mehr um Unterstützung in ihrer Karriereplanung und vor allem die Entwicklung ihrer Persönlichkeit“, so Brinkschröder. Trainer, die einen klaren Rahmen setzen, sich aber dann zurücknehmen können und ihre Fußballer in den Mittelpunkt stellen, definiert man im VfL-NLZ jetzt als Basis einer Erfolgspyramide, auf die alles aufbaut: Trainingsmethodik, gute persönliche Beziehungen zu und zwischen den Fußballern – und am Ende die erfolgreiche Entwicklung der Einzelspieler und einer Mannschaft.

Das zugehörige NLZ-Umfeld definiert Brinkschröder in ihrer Doktorarbeit weit: Schule und Ausbildung gehören ebenso dazu wie Berater der älteren Talente sowie deren Freunde und die Familie. „Eltern kommt eine wichtige Rolle zu: Sprechen sie eine ähnliche Sprache wie wir und lassen die selbstbestimmte Entfaltung ihrer Kinder zu, hilft uns das“, so Brinkschröder. Klar koste es Zeit, all diese Faktoren im Sinne des VfL im Blick zu behalten – die 32-Jährige glaubt aber, dass sich das auszahlt: „Investieren wir in diese Prozesse, läuft es besser – umso seltener tauchen später Probleme auf, die ein Nachsteuern erfordern.“

Mit Begeisterung und Eindringlichkeit

So biete sogar die aktuelle Pandemiephase eine Chance: Für ruhige Kommunikation. Mit Masken, auf Abstand, per Video: „Es hindert uns auch im Moment nichts und niemand daran, miteinander zu sprechen“, so Brinkschröder.

Es ist einer ihrer typischen klaren Sätze, die erst recht nüchtern daherkommen, auf Dauer aber Eindringlichkeit und Wirkung entfalten. Fast alle NLZ-Trainer des VfL nutzen inzwischen das Angebot, mit Brinkschröder zu arbeiten. Eltern wie Trainerkollegen sind zudem angetan von der Begeisterung, die sie bei ihrer U13 auf dem Platz entfacht. „Sollte es einmal die Möglichkeit für mich geben, den Fußballlehrer zu machen, sage ich nicht nein“, so die 32-Jährige – aktuell fühle sie sich aber als Trainerentwicklerin mit eigener Elf genau am richtigen Platz.

Podcast kostenfrei hören: Ukrow und Schubbert aus der NLZ-Leitung über den Weg für VfL-Talente in die Profielf

Aufrufe: 020.11.2020, 15:00 Uhr
Neue Osnabrücker Zeitung / Benjamin KrausAutor