2024-05-08T14:46:11.570Z

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Eine Szene, die Klaas Kurzke (links) gut kennt: Das Laufduell mit Alemannias Kraftpaket Dimitry Imbongo hat er als WhatsApp-Profilbild.
Eine Szene, die Klaas Kurzke (links) gut kennt: Das Laufduell mit Alemannias Kraftpaket Dimitry Imbongo hat er als WhatsApp-Profilbild. – Foto: Jerome Gras
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Unvergessliche Minuten gegen die Alemannia

Erst Kreuzbandriss, dann Knorpelschaden: Klaas Kurzke beendet mit 25 Jahren seine Fußballkarriere. FVM-Pokalspiel als Highlight.

Wenn Klaas Kurzke an das FVM-Pokalhalbfinale zwischen dem 1. FC Düren und Alemannia Aachen am 1. Mai 2019 denkt, hat er viele Bilder vor Augen. Er sieht dann die altehrwürdige Westkampfbahn, die von 5900 Zuschauern in einen Hexenkessel verwandelt wird. Er erinnert sich an die Stimmung auf den Rängen, „die sich auch ein bisschen auf den Platz übertragen hat“. Und natürlich hat der Sechser des FCD Szenen aus dem Spiel im Kopf, die er für immer abgespeichert hat. Der Pokalfight gegen den großen Favoriten, den Traditionsverein, den ambitionierten Regionalligisten.

„Das schönste Spiel"

„Das war das schönste Spiel meiner Karriere“, sagt der gebürtige Aachener, „aber auch das bitterste.“ Dass Kurzke, 25, das in seinem Alter sagen kann, eigentlich ja sogar sagen muss, ist eher ungewöhnlich, es hat aber einen guten Grund, der sehr unerfreulich ist: Der talentierte Mittelfeldspieler, der auch für Viktoria Arnoldsweiler, Alemannia Aachen II und den SV Rott (> Infobox) am Ball war, hat sich dazu entschlossen, seine Fußballschuhe an den Nagel zu hängen.

Das hat auch mit dem Pokalspiel zu tun. Um genau zu sein, mit einer Szene: als er nach knapp einer Stunde in einen Zweikampf mit David Pütz ging. Einer, wie er in einem Spiel unzählige Male vorkommt, „ein ganz harmloser“, und doch war er folgenschwer. „Ich habe einen leichten Kontakt gespürt, bin außer Tritt geraten und auf mein Knie gefallen“, sagt Kurzke. Dass er sich dabei das hintere Kreuzband gerissen hatte, erfuhr er erst eine Woche später, nachdem er mehrere Ärzte konsultiert hatte. Es war der Beginn seiner Leidenszeit, die sich länger hinziehen sollte, als es letztlich geplant war.

Von der Bank erlebte Kurzke, dass seine Mannschaft unmittelbar nach seiner Auswechslung den zweiten Gegentreffer kassierte, der die aufopferungsvoll kämpfenden Dürener endgültig auf die Verliererstraße brachte. Dass er am darauffolgenden Wochenende im Ligaspiel beim FC Hennef nicht wieder auf dem Platz stehen würde, „war mir schnell klar“. Die Schmerzen waren zu groß. Als die Diagnose feststand, entschieden sich die Ärzte für eine konservative Behandlung. „Das ist bei einem Riss des hinteren Kreuzbandes häufig der Fall. Ich bekam zuerst eine feste Schiene, später dann eine bewegliche. Und dann ging die Reha los.“ Fünf Mal die Woche ging es in den Kraftraum, um die Muskeln um das Knie herum zu stärken.

Gedanken an das Karriereende kamen zu diesem Zeitpunkt nicht auf. Im Gegenteil: „Ich wollte so schnell wie möglich wieder gesund werden“, sagt der ehemalige Jugendspieler von Westwacht Aachen. Das Knie reagierte aber immer wieder auf die Belastung, wurde dick, „es hat nie so funktioniert, wie die Ärzte es sich vorgestellt haben.“ Sein Fernziel hat er in dieser Zeit dennoch nicht aus den Augen verloren: Belek. „Ich wollte mit den Jungs unbedingt ins Trainingslager fliegen“, sagt Kurzke. Die ersten harten Trainingseinheiten in der Winterpause warfen erste Zweifel auf, ob er zur Rückrunde wieder auf dem Platz stehen würde. „Am Tag danach konnte ich kaum die Treppen heruntergehen.“

Er flog dennoch mit in die Türkei, im Testspiel gegen den österreichischen Viertligisten SC Retz feierte er sogar ein rund zehnminütiges Comeback. Das Knie hielt der regelmäßigen Belastung aber nicht stand, „ich musste immer wieder mit dem Training aussetzen.“

„Irgendetwas stimmt nicht“

Um herauszufinden, ob die Verletzung ihn im Wettkampf ebenfalls behindern würde, absolvierte er Anfang März ein Landesliga-Spiel in der zweiten Mannschaft der Dürener – über 90 Minuten. „Da habe ich dann endgültig gemerkt: Da stimmt irgendetwas mit meinem Knie nicht.“ Der Student suchte erneut einen Arzt auf, fast auf den Tag genau ein Jahr nach seinem Kreuzbandriss, und in der Praxis wurde dann ein hochgradiger Knorpelschaden festgestellt, der auf den MRT-Bildern im Mai 2019 noch nicht zu sehen war.

„Mir wurde dringend abgeraten, weiter Kontaktsport zu betreiben“, sagt Kurzke. „Und da ich in Zukunft auch gerne weiter ein bisschen joggen oder Fahrrad fahren möchte, habe ich für mich entschlossen, der Empfehlung zu folgen.“

Den Alltag kann er zurzeit beschwerdefrei absolvieren, „dass ich kein Spiel mehr bestreiten werde, habe ich noch nicht ganz realisiert. Das wird wahrscheinlich erst kommen, wenn die Saison wieder läuft und ich dann sonntags zu Hause sitze“, sagt der 25-Jährige. So gesehen macht die Corona-Krise diese schwierige Phase für Kurzke im Moment zumindest ein bisschen erträglicher. Dass die Karriere im besten Fußballeralter vorbei ist, muss der Kopf schließlich erst einmal verarbeiten.

„Ein Geschenk“

Während seiner verletzungsbedingten Auszeit hat er als Co-Trainer die B-Jugendlichen des 1. FC Düren angeleitet. „Ob ich das in Zukunft weiter machen werde, ist noch offen.“ Dass er seinem liebsten Hobby komplett den Rücken kehrt, hält er aber für nahezu ausgeschlossen. „Ich denke, dass ich dem Fußball erhalten bleibe und vielleicht irgendwann als Trainer oder Scout im Einsatz sein werde. Aber wann das sein wird, muss sich noch zeigen.“ Sogar Spiele der ersten Mannschaft des FCD will er sich eines Tages anschauen, „im Laufe der Zeit habe ich viele Freundschaften in Düren geschlossen.“

Selbst dann, wenn der FVM-Pokal in dieser Saison doch noch zu Ende gespielt werden sollte und der 1. FC Düren dann Alemannia Aachen als Gegner zugelost bekommen würde. „Dann ganz besonders“, sagt Kurzke und lacht. „Ich sehe es als Geschenk, dass ich damals mitspielen durfte und werde es nicht als das Spiel in Erinnerung behalten, in dem ich mir das Kreuzband gerissen habe.“ Vor 5900 Zuschauern spielt man schließlich nicht alle Tage. Auch wenn es für Kurzke unter dem Strich nur 60 Minuten waren. Allerdings 60 unvergessliche Minuten.

Aufrufe: 018.6.2020, 09:00 Uhr
Benjamin Jansen | AZ/ANAutor