2024-05-16T14:13:28.083Z

Ligabericht
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte: Simon Wildfeuer vom SV Schöfweg gibt Vollgas auf dem Platz - immer.
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte: Simon Wildfeuer vom SV Schöfweg gibt Vollgas auf dem Platz - immer. – Foto: Helmut Weiderer

Unter Dauerstrom

Sobald der Ball im Spiel ist, schaltet Simon Wildfeuer komplett ab, wie er zugibt +++ Neben dem Spielfeld ist der 24-Jährige vom SV Schöfweg die Freundlichkeit und Zurückhaltung in Person

Der Moment des Zusammenpralls mit seinem Gegenspieler war außerordentlich schmerzhaft - aber dann doch irgendwie nebensächlich. Im Frühjahr 2019 brach sich Simon Wildfeuer im Totopokal-Duell mit der Spvgg Ruhmannsfelden das Sprunggelenk. Viel schwerer als die körperlichen wogen vom ersten Moment an aber die seelischen Beschwerden. Die Operation und die folgende Reha - irgendwie verkraftbar. Was den 24-Jährigen wirklich tief im Innersten traf war die Tatsache, dass er zum einen seinen SV Schöfweg nicht beim Kampf um den Klassenerhalt helfen konnte. Und dass er seinen Bewegungsdrang lange Zeit nicht stillen konnte.

Keine Frage, ein Porträt mit einer derart schweren Fußballer-Verletzung zu beginnen, ist starker Tobak. Aber: Die Fraktur des Sprunggelenks, die inzwischen längst wieder ausgeheilt ist, und vor allem deren individuellen Randerscheinungen machen wie kein anderes Ereignis deutlich, wie Simon Wildfeuer tickt. Auf dem Platz ist der Außenspieler ein Heißsporn. Einer, der nicht verlieren kann. Abseits des Spielfeldes ist der Feinmechaniker ein emphatischer, freundlicher und hilfsbereiter junger Mann.

Und schon sind wir beim Image des 24-Jährigen. Wegen einer kompromisslosen Art Zweikämpfe zu führen, seinen unbedingten Willen und seiner absoluten Leidenschaft gilt Wildfeuer oft als Rauhbein. Als einer, der eigentlich mit Technik und Taktik nichts am Hut hat, nur "auf'd Hax'n geht". Beschäftigt man sich näher mit den Vorurteilen gegenüber dem Schöfweger, werden diese schnell ausgeräumt. Denn der Bezirksliga-Kicker ist sehr wohl ein Spieler, der die feine Klinge schlagen kann. Seine fußballerische Ausbildung bei Grün-Weiß Deggendorf und dem TSV Regen, wo er bereits im Jugendbereich auf Verbandsebene aktiv war, sind genauso ein eindrucksvoller Beweis für seine Fähigkeiten wie die inzwischen zahlreichen Einsätze in der Herren-Bezirksliga. Ein "Holzhauer" hätte dieses Leistungsniveau nie erreichen können, so weit darf man sich aus dem Fenster lehnen.


Ihn will man in der eigenen Mannschaft haben und nicht als Gegner.

Auch charakterlich ist der Waidler alles andere als aggressiv. Im Interview mit FuPa spricht er sehr leise und eher wenig - wirkt schüchtern. "Ja, das stimmt schon", gibt er selber zu. "Wenn man so will, habe ich zwei Persönlichkeiten: Den Simon auf und den neben dem Platz." In eine ähnliche Kerbe schlägt Franz Schmid. Der 55-Jährige ist als sportlicher Leiter des Bezirksligisten Schöfweg nicht nur langjähriger Begleiter von Wildfeuer im Herrenbereich, sondern war unter anderem auch sein erster Jugendtrainer beim Verein aus dem Landkreis Freyung-Grafenau.



"Simon ist mein Freund, ich mag ihn einfach sehr gerne", sind die ersten Worte, die der Funktionär über seinen Schützling findet. Schmid und auch dem Angesprochenen selbst ist aber sehr wohl bewusst, dass die Spielweise der Schöfweger Nummer 27 polarisiert. Simon Wildfeuer ist einer derjenigen Fußballer, die man unbedingt in der eigenen Mannschaft und keinesfalls als Gegenspieler haben will. "Privat ist er der liebste Kerl überhaupt, sehr hilfsbereit und immer nett", erzählt Schmid weiter. "Sobald der Ball im Spiel ist, ist er extrem ehrgeizig. Er will immer gewinnen. Eigentlich muss man froh sein, einen solchen Spieler in seinen Reihen zu haben."


Augen zu und durch: Simon Wildfeuer ist für seine kompromisslose, aber keinesfalls unfaire Zweikampfführung bekannt.
Augen zu und durch: Simon Wildfeuer ist für seine kompromisslose, aber keinesfalls unfaire Zweikampfführung bekannt. – Foto: Helmut Weiderer


Während der Spiele - vor allem auswärts - wird Simon Wildfeuer oft in die böse Ecke gestellt, wegen seiner Haarfarbe abwertend als "Rotschädel" bezeichnet und aufs Übelste beschimpft. Situationen, in denen Franz Schmid seinem Freund ohne Wenn und Aber zur Seite steht. "Er wird immer wieder ins falsche Licht gerückt. Er ist leidenschaftlich, ja. Aber keinesfalls unfair oder boshaft. Auch deshalb ist es nicht nötig, ihn irgendwie einzubremsen." Auch der Außenspieler selbst beteuert in diese Richtung: "Keine Sorge, ich habe mich immer unter Kontrolle."

Ein Blick in die Statistik unterstreicht diese Aussagen. Der 24-Jährige hat zwar zahlreiche gelbe Karten gesammelt, die nicht umsonst "Verwarnungen" heißen, aber nicht verhältnismäßig viele direkte Platzverweise. Und Grund für die persönlichen Strafen sind nicht nur Fouls, sondern oftmals auch Meckereien, wie er mit einem Augenzwinkern zugibt: "Hier habe ich mich aber schon gebessert, ich werde ja auch älter." Als müsste er sich noch einmal für seine eigene Art und Weise entschuldigen, fügt er schnell hinzu: "Mir ist bewusst, dass ich während der 90 Minuten keine Freunde kenne. Nach dem Spiel ist mir aber ein guter Umgang sehr wichtig. Nicht selten lade ich deshalb meinen direkten Gegenspieler zu einem Bier ein."


Michael Kern - sein Lieblings-Gegner!

Ein Außenstehender, aber irgendwie auch Beteiligter, der die Selbstreflexion von Simon Wildfeuer bestätigen kann, ist Michael Kern vom TSV Grafenau. Beide Flügelflitzer haben sich in den vergangenen Jahren bei hitziger Derbystimmung so manchen Fight entlang der Auslinie geliefert. Auf dem Platz kriegen sie sich in die Haare, privat fahren sie sogar gemeinsam in den Urlaub. "Wir sind halt beide ziemlich ehrgeizig und geben gerne Vollgas", berichtet Michael Kern. "Nach dem Schlusspfiff ist aber alles wieder in Ordnung, wir sind nicht nachtragend und machen auch nie was unter der Gürtellinie."

Fußballerische Aggresivität und kompromisslose Zweikampfführung hin oder her. Für seinen Spielstil muss Simon Wildfeuer topfit sein. Zu seiner angeborenen Schnelligkeit kommt glücklicherweise eine Pferdelunge hinzu. Der 24-Jährige ist körperlich in der Lage, mehr als nur 90 Minuten im Vollgas-Modus zu agieren. Umso schwerer fallen ihm Phasen ohne Fußball - wie während seiner Verletzung oder der aktuellen Zwangspause. "Ich kann einfach nicht ruhig sein, das stimmt. Zurzeit laufe ich deshalb sehr viel und fahre mit dem Rad", gibt Simon Wildfeuer zu. Ganz leise und zurückhaltend, wie man ihn kennt.


Aufrufe: 019.4.2020, 09:00 Uhr
Helmut WeigerstorferAutor