Diese Zeilen übern "Mich", wie er von seinen Mitspielern genannt wird, ist aber nur mehr als ein Bericht über einen Frühstarter. Es ist auch ein Blick auf einen Spieler, der als Defensivmann weitesgehend unter dem medialen Radar läuft und deshalb in der öffentlichen Wahrnehmung weit hinter Offensivkünstlern wie Ondrej Sima oder Daniel Ranzinger zurückhinkt. Innerhalb der Mannschaft von Spielertrainer Tom Beyer ist der 26-Jährige in der Hiarchie als Vizekapitän hinter dem oft fehlendem Spielführer Leo Molleker jedoch ganz weit oben angesiedelt. Und das kommt nicht von ungefähr.
Da ist zum einen die Verbundenheit von Michael Kern zum TSV Grafenau, dessen Fußballer sich in Anlehnung an den Titel "Bärenstadt" als "Stodbärn" bezeichnen - und das, obwohl der Elektriker als gebürtiger Innernzeller erst im fortgeschrittenen Jugendalter zum ehemaligen Bezirksoberligisten kam. Doch an der Galgenau, wo der Bezirksligist seine Heimspiele austrägt, fühlte sich Kern sofort heimisch. Zum anderen ist da das Wesen des 26-Jährigen, das offensichtlich für Führungsaufgaben gemacht ist.
Der Außenverteidiger ist ein Spieler, der dadurch ausfällt, dass er in 99 Prozent der Spiele seine Leistung abruft. Kern liefert, wenn er liefern muss - also (fast) immer. Gleichzeitig ist er ein beherrschter Zeitgenosse, der allerdings genau weiß, was er will - und deshalb ab und an zu lautstärkeren Mitteln greift. "Ich denke, ich bin schon eher der ruhige Typ. Läuft das Spiel jedoch nicht so, wie ich es mir vorstelle, kann ich das durchaus mal ändern." Mit seiner Art, der vorher beschriebenen Mischung, hat er sich Respekt verschafft - bei den Gegenspielern, bei dem Teamkollegen und bei seinen bisherigen Trainern, zu denen u.a. regionale Größen wie Günther Himpsl oder Tom Beyer gehören.
Dass viele gleichaltrige Amateurfußballer im Alter von 26 Jahren was das Auftreten und die Führungsrolle betrifft noch nicht so weit sind wie Michael Kern, ist ihm durchaus bewusst. Er selbst stört sich allerdings nicht daran bzw. findet es irgendwie normal, wie er im FuPa-Gespräch betont. Und er verspührt auch kein Gefühl der Überforderung, wenn er in schwierigen Situationen Kraft seines Amtes vorangehen muss. "Das ist überhaupt kein Problem", versichert der Vize-Kapitän einer generell sehr jungen Truppe.
Apropos Jugend: Nach aus unterschiedlichen Gründen schwierigen Jahren setzte der TSV Grafenau rund um den vorherigen Jahrzehnt-Wechsel mit voller Kraft auf den eigenen Nachwuchs. Die ersten Profiteure dieser Talent-Offensive war die Generation rund um Michael Kern, die unter Jörg Mittag Bezirksoberliga spielte. Auch im Herrenbereich wurden Kicker wie Kevin Nowak, Alex Brunnhölzl oder der jetzt bei Landesligist Hauzenberg spielende Marco Fernandes de Lima sogleich Vertrauen geschenkt, waren sofort Stammspieler. Michael Kern & Co. wurden gefördert, aber auch gefordert.
Und von diesem Stahlbad profitiert u.a der 26-Jährige noch heute. "Es war schon eine intensive Zeit damals", blickt Kern, der als B-Jugend-Verantwortlicher selbst schon Trainererfahrung gesammelt hat, auf seine ersten Schritte im Herrenbereich zurück. "Samstag haben wir mit der Ersten gespielt. Wenn wir dort nur wenige Minuten zum Einsatz kamen, sind wir Sonntag noch in der Zweiten aufgelaufen. Wir waren unheimlich ehrgeizig, Fußballverückte sondergleichen." Diese Erlebnisse haben dazu geführt, dass sich der Defensivspieler auf dem Platz älter fühlt als er eigentlich ist und dass er wie selbstverständlich die jüngeren Spieler führt, obwohl er selber noch lange nicht zum alten Eisen gehört.
"Genauso wie Leo Molleker ist Michael Kern ein Spieler, mit dem sich der Verein identifiziert - und umgekehrt. Solche Typen sind für das Team und den gesamten TSV Grafenau unverzichtbar", berichtet Daniel Reitberger, Sportlicher Leiter der "Stodbärn" und selbst lange Zeit Mitspieler des 26-Jährigen. "Das sind Vorbilder, die vorangehen und sich auch nicht zu schade sind, mal in der Kreisklassen-Mannschaft auszuhelfen."
Auf das doch noch junge Alter von Michael Kern geht der 35-jährige Grafenauer Fußballchef erst gar nicht ein. Der Außenverteidiger und Vize-Kapitän ist Führungsspieler und Leistungsträger - sein Geburtsjahr dabei nebensächlich. Was zählt ist vielmehr das, was im Kampf ums runde Leder geschieht. Und in dieser Hinsicht ist Michael Kern absoluter Leitwolf bei den Stodbärn.