2024-05-24T11:28:31.627Z

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Viele Fußballer aus Eritea haben beim TV89 Zuffenhausen eine neue sportliche Heimat gefunden.
Viele Fußballer aus Eritea haben beim TV89 Zuffenhausen eine neue sportliche Heimat gefunden. – Foto: Günter Bergmann
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TV89 Zuffenhausen: Die Kunst des Zusammenspiels

Der TV89 stellt seit dieser Saison eine dritte Mannschaft - bestehend aus Flüchtlingen

Gelebte Integration: Die dritte Mannschaft des TV89 Zuffenhausen rekrutiert sich aus Flüchtlingen.

Es ist nur ein kurzer Moment, da wird es Yohannes Mahari zu viel des Guten. Er winkt rasch ab, lächelt kurz, wobei durch die Augen leichte Verlegenheit zu erkennen ist, und er sagt: „Jetzt reicht es auch.“ Zuvor hat ihn der 18-jährige Fithawi in höchsten Tönen gelobt: „Er ist alles für uns, wir alle blicken zu ihm auf.“ Der Blick Fithawis wiederum ist nicht verlegen, sondern entschlossen. Er meint es ernst.

Yohannes Mahari ist vor mehr als 30 Jahren von Eritrea nach Deutschland geflüchtet. Der 56-Jährige weiß also bestens Bescheid um Geschichten wie die Fithawis, der einst nach dem Tod seines Vaters, der im Krieg gefallen war, mit seiner Mutter und seinen beiden Brüdern nach Deutschland floh. Mahari weiß, wie es ist, seine Heimat verlassen und sich in einem fremden Land beweisen zu müssen. Er lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern im Raum Stuttgart. Mahari ist schon lange angekommen. Eine Aufgabe, die für viele in den vergangenen Jahren Geflüchtete aus Eritrea noch ansteht. Die Eritreer fliehen vor einem autoritären System, das keine anderen Meinungen zulässt und junge Männer zu lebenslangem Militärdienst verpflichtet. Sie sind in Deutschland als politisch Geflüchtete anerkannt.

Einige Eritreer haben sich in Zuffenhausen zusammengetan, um ihre Alltagssorgen wie Wohnungs- und Jobsuche auch mal in den Hintergrund rücken zu lassen. Sie spielen Fußball für den TV89 Zuffenhausen und haben dort eine dritte Mannschaft gebildet. Der Spielleiter heißt Yohannes Mahari. Er hat diese besondere Konstellation erst vermittelt, er fungiert als Sprachrohr zwischen seiner Mannschaft und dem Nord-Stuttgarter Verein.

Noch gar nicht allzu lange ist es her – im April des Jahres 2019 war das – da kickten an der Langen Allee noch recht unorganisiert einige wenige Eritreer. Ganz von sich aus taten sie das. Sie wollten eben einfach zusammen Fußball spielen. „Sie wussten nicht, dass sie hier eigentlich nicht einfach so spielen dürfen“, erklärt Mahari. Für den TV89 Zuffenhausen war das jedenfalls erst einmal kein Problem, zumindest auf kurze Sicht. „Wir haben das laufen lassen, ihnen dann aber zwei Optionen geboten“, erzählt der Spielleiter der ersten Mannschaft, Christian Bauer. „Die eine war, eine Platzmiete zu entrichten. Die andere, sich in den Verein zu integrieren.“ Die Eritreer entschieden sich für die zweite Option und wollten dann sogar zügig mehr.

Die Teams sollen vermischt werden

„Die Jungs wollten sofort in den aktiven Spielbetrieb“, sagt Bauer, der für das Passwesen beim TV89 zuständig ist und direkt einen großen Berg an Arbeit zu bewältigen hatte. Zwischen Juli und August beantragte Bauer mit Mahari, der die Personaldaten der Spieler sammelte, im Zusammenspiel mit den Verbänden aus Eritrea und Deutschland innerhalb von vier Wochen mal eben 30 Pässe. Die neu formierte Mannschaft machte ebenso schnell die Runde, wie sie in den Ligabetrieb einsteigen wollte. Aus Stuttgart, Ludwigsburg, Kornwestheim, Korntal und teilweise sogar noch weiter weg kamen die Geflüchteten. Und der Aufwand scheint sich gelohnt zu haben: Mittlerweile kickt das Team in der Staffel 5 der Kreisliga B.
Zumindest sportlich läuft es auch recht solide; das Flüchtlingsteam steht im Tabellenmittelfeld. Wobei es auch mit so manchen Problemen zu kämpfen hat. In einer Partie soll es rassistische Beleidigungen gegeben haben. „Das ist aber die Ausnahme“, sagt Mahari. In einer anderen Partie ging die Mannschaft geschlossen vom Platz, weil sie sich vom Schiedsrichter ungerecht behandelt fühlte. „Wir haben ihnen gesagt, dass ungerechte Behandlungen leider Themen sind, die ihnen passieren werden“, sagt Bauer. Den Platz zu verlassen, das sollte sich dennoch nicht wiederholen. „Aus welchen Gründen auch immer ein Schiedsrichter sie ungerecht behandelt – wenn ein Team ein Spiel abbricht, das sieht der Württembergische Fußball-Verband nicht gerne.“

Langfristig möchte der TV89 Zuffenhausen die Integration voran treiben. „Wir wollen unsere drei Mannschaften durchmischen“, sagt Bauer – was größtenteils noch nicht der Fall ist. Ein Geflüchteter, Bereket Kidane, spielt bereits in der ersten Mannschaft in der Bezirksliga, weitere sollen folgen. Um das Zusammenleben zu optimieren, sind zeitnah Mannschaftsabende geplant. „Ansonsten kommst du nicht wirklich in Kontakt“, sagt Bauer, der von der Rolle Maharis eine klare Meinung hat. „Er ist der Macher der Mannschaft, ohne ihn hätte das nicht geklappt.“ Mahari gibt in seiner bescheidenen Art zurück: „Dass wir hier spielen dürfen, dafür sind wir sehr dankbar.“ Integration ist eben ein Zusammenspiel – beim Fußball im wahrsten Wortsinn.

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Aufrufe: 022.11.2019, 13:40 Uhr
Aus den Stadtteilen / Simon ValachovicAutor