Es war im Mai, und das Erdbeben, das über die Fußballer des TSV Plattenhardt hereinbrach, kam plötzlich und heftig. Bis dahin galt ihr Trainer Sascha Krammer als stets besonnener, ruhiger Typ. Eher, so schien es, wäre im Weilerhau die Sonne um die Erde gekreist, als dass der Coach öffentlich auf den Putz gehaut hätte. An diesem Abend aber kam alles anders. Seine Kicker waren gerade in die nächste Schlappe getaumelt, ein peinliches 0:4 beim MTV Stuttgart, als Krammer der Kragen platzte. „Arbeitsverweigerung.“ „Lustlosigkeit.“ „Katastrophe.“ So lauteten nur einige seiner Worte. Rückblickend räumt der 40-Jährige ein, dass er sich seinerzeit die Sinnfrage gestellt habe: „Warum tue ich mir das noch an? Warum stelle ich mich sonntags noch an den Sportplatz, wenn die Jungs eh keinen Bock haben.“
In der Retrospektive, heute und mit dem Abstand von drei Monaten, lässt sich allerdings auch noch anderes sagen: nämlich dass es sich vielleicht um ein reinigendes Gewitter gehandelt hat. Womöglich wird die Begebenheit ja sogar einmal als markanter Wendepunkt in den Abteilungsannalen zu notieren sein. Endgültig bestärkt waren die Plattenhardter Verantwortlichen damit jedenfalls in ihrem Beschluss, dass etwas geschehen muss – zumindest dann, wenn das große Ziel Landesliga-Aufstieg nicht dauerhaft eine Fata Morgana bleiben soll.
Einen prominent bestückten Kader hatten sie auf Filderstadts Höhen ja bislang schon. Schmerzhaft mussten Krammer und sein Trainerpartner Paulo Bayrak jedoch erkennen, dass große Namen nicht automatisch gleichbedeutend mit großer Leistung sind. Manch einer schien im Bezirksligisten zuletzt eher eine gemütliche Vorruhestandsstätte im eigenen Herbst der Karriere zu sehen. Nun, nach dem selbst gewählten Ausstieg einiger Kräfte, haben die Plattenhardter einen Schnitt gemacht. Jünger, hungriger, ehrgeiziger – das waren bei der Suche nach Verstärkungen die Kriterien. „Wir wollten nicht noch mal fünf 30-Jährige verpflichten, sondern Leute mit Lust und Perspektive, die dann vielleicht auch für längere Zeit bei uns sind“, sagt Krammer.
Vier von ihnen bringen gleichwohl weitere höherklassige Erfahrung ein und gelten als heiße Startelfkandidaten. Robin Rueff (Innenverteidigung), Xenofon Manafis (rechter Verteidiger) und Theofilaktos Spiridopoulos (Sechserposition) sollen die bisher anfällige Defensive stärken. 61 Gegentore in der vergangenen Saison – insbesondere damit hinkte die Mannschaft dem erhofften Prädikat „Spitzenteam“ hinterher. Mangelhaft war das Umschaltspiel nach Ballverlusten. Um es mit Krammer zu sagen: „Da waren wir einfach zu langsam.“
Hinzu kommt der aus Bonlanden verbandsliga-erprobte Marcel Stannull für die linke Angriffsseite. Dass sich ihr Verein darüber hinaus von weiteren Wunschkandidaten wie dem Torjäger Fatih Özkahraman (TSV Oberensingen), Steven Jordan und Marvin Kuhn (beide Spvgg Möhringen) Absagen eingehandelt hat, nimmt das Trainerduo mit Gelassenheit. Fest steht für Krammer auch so: „Wir sind sehr gut aufgestellt.“
Gut genug, um nun den nächsten Anlauf zu starten. Wie gesagt: Sehnsucht Landesliga. Sieben Jahre ist es her, dass die Plattenhardter letztmals dort waren. Eine lange Zeit. Eine Zeit der gescheiterten Rückkehrversuche, nach welcher der Filderclub allmählich aufpassen muss, dass er nicht ein unliebsames Image erhält: das des Verlierers. Das der Unaufsteigbaren. Das der Papiertiger, die dann, wenn es auf dem Rasen gilt, doch wieder zahm den Kürzeren ziehen.
Für die Konkurrenz sind Krammer und die Seinen diesmal der Titelfavorit Nummer eins. Der Coach selbst unternimmt anders als in der Vergangenheit gar keinen Versuch, sich einer solchen Rolle zu erwehren. „Wir werden alles daran setzen, am Ende ganz oben zu stehen. Mindestziel ist die Relegation“, sagt er.
Nach dem Abschied der Überteams NAFI Stuttgart und SV Bonlanden aus der Staffel lautet die Devise: wenn nicht jetzt, wann dann? Im Mai oder Juni 2019 gern ein weiteres Erdbeben – allerdings bitte nicht wut-, sondern jubelbedingt.
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