2024-06-14T14:12:32.331Z

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Ich bin in der Kabine zusammengebrochen. Daniel Deli über den Abstieg des TSV Bernbeuren aus der Kreisliga. Ein Trainer mit Ecken und Kanten: Daniel Deli (links) geriet in seiner Zeit als Bernbeurens Trainer vor allem mit den Schiedsrichtern gern einmal aneinander. 
Ich bin in der Kabine zusammengebrochen. Daniel Deli über den Abstieg des TSV Bernbeuren aus der Kreisliga. Ein Trainer mit Ecken und Kanten: Daniel Deli (links) geriet in seiner Zeit als Bernbeurens Trainer vor allem mit den Schiedsrichtern gern einmal aneinander.  – Foto: halmel

TSV Bernbeuren: Daniel Deli beendet mit 43 Jahren Trainerlaufbahn 

Rückzug für die Familie

Coach Daniel Deli hört beim Kreisligisten TSV Bernbeuren auf. Der 43-Jährige beendet zudem seine Karriere als Coach.

Bernbeuren Im vergangenen November war noch nichts vom neuen Selbstbewusstsein der Trainer zu lesen. Zu diesem Zeitpunkt ahnte noch niemand, dass im Frühjahr Hansi Flick sein höchst erfolgreiches Projekt beim FC Bayern München beenden würde, dass Marco Rose die Offerte von Borussia Dortmund annehmen und ihn Adi Hütter von der Frankfurter Eintracht in Mönchengladbach ablösen würde. Mitten im Herbst war Daniel Deli seiner Zunft um Monate voraus.

In aller Stille kündigte der Coach im Einvernehmen mit den Verantwortlichen sein Engagement beim Kreisligisten TSV Bernbeuren auf. „Mir war es wichtig, dass ich als Trainer durch das große Tor gehe“, begründete der 43-Jährige seine selbstbestimmte Entscheidung. „Mir ist es lieber, wenn die Leute sagen: Schlimm, dass er jetzt aufhört, als: Wann ist er endlich weg?“

Daniel Deli über Abscheidsspiel: „Ich habe dann relativ schnell das Weite gesucht“

Gewöhnungsbedürftig war der Abschied trotzdem. Es war irgendein Spiel im November, von dem Deli nicht mehr genau weiß, wer überhaupt der Gegner war. Der Wettbewerb nannte sich Ligapokal – den hat Corona auch schon wieder eingestampft. Deli stand in der Kabine mit einem riesigen Knödel im Hals. Seine Mannschaft wusste nicht, dass er sich innerlich bereits von ihr verabschiedet hatte.

In diesem Moment hielt es der Übungsleiter für das Beste, das Geheimnis, in das nur wenige Spieler und Funktionäre eingeweiht waren, für sich zu behalten. „Ich habe dann relativ schnell das Weite gesucht.“ Somit gab’s auch keine tiefschürfenden Worte, keine Blumen und schon gar keine Umarmungen, die wegen der Pandemie ohnehin verboten gewesen wären. Daniel Deli verließ Bernbeuren ohne großen Bahnhof und mit dem flauen Gefühl, dass diese Inszenierung keinen Stil hatte. „Das war nicht das, was ich wollte“, räumte er ein.

TSV Bernbeuren: Ganz besonder Dorfcharakter

Als Deli im Sommer 2015 nach Bernbeuren kam, hatte er seine erste Etappe als Trainer schon hinter sich. Fünf Jahre betreute er den FC Sulzschneid. Auf dem ersten Blick haftet dem Ort nichts Außergewöhnliches an. Mit der Zeit erfuhr Deli jedoch, dass die 440 Einwohner des Orts, ein wenig südlich von Marktoberdorf im Allgäu, ein eigener Menschenschlag sind. Noch immer sind sie stolz auf ihre Vorfahren aus Tirol, die nach der Pest im Mittelalter das ausgestorbene Dorf wieder belebten. „Ich habe gelernt, dass man offen mit solchen Sachen umgehen muss“, sagt Deli. Er sammelte in Sulzschneid eine nützliche Erfahrung, die ihm später auch in Bernbeuren weiterhelfen sollte.

Daniel Deli: „Ich wollte sehen, ob ich meine Idee von Fußball umsetzen kann“

Sulzschneid war der ideale Platz für Deli, der auch ein bisschen eigen ist und lieber seinen persönlichen Weg geht, ohne dabei gleich mit dem Kopf durch die Wand zu rennen. Der Diplom-Betriebswirt führt seit zehn Jahren die Geschäfte des Edelstahlverarbeiters D&D in Biessenhofen. Dass ausgerechnet er seine sportliche Zukunft in der tiefsten Fußball-Provinz sah, obwohl er seit seinem 17. Lebensjahr nie niedriger als in der Kreisliga gespielt hat, führt er auf einen gewissen missionarischen Impetus zurück: „Ich wollte sehen, ob ich meine Idee von Fußball umsetzen kann.“

Zu den Auswärtsspielen begleiteten stets gut und gern drei Hundertschaften von Sulzschneidern sein Team. „Wir haben einen richtigen Hype ausgelöst“, erinnert er sich gern zurück an seine erste Trainerstation. Auch in Bernbeuren entfachte er sofort ein Feuer. „Der TSV war sicherlich ein Highlight“, lautet sein Resümee. Gleich im ersten Jahr stieg er mit der Mannschaft über die Relegation in die Kreisliga auf. Im darauffolgenden Winter sah alles danach aus, als würde seine Elf mühelos den Klassenerhalt schaffen, doch dann stieg sie nach einer verheerenden Rückrunde wieder ab. „Ich bin in der Kabine zusammengebrochen“, gesteht Deli, dass er damals die Fassung verlor. „Das konnte nicht sein.“

TSV Bernbeuren: Direkter Wiederaufstieg nach Abstieg

Für einen kurzen Augenblick standen Trainer und Mannschaft an einem Scheideweg. In der trostlosen Stimmung ergriffen die Spieler das Wort: „Trainer, wir reparieren das gemeinsam.“ Bereits ein Jahr später feierte der TSV die Meisterschaft in der Kreisklasse 4 und damit seine Rückkehr in die Kreisliga. Es ist eine außergewöhnliche Beziehung entstanden zwischen Deli und seinen Kicker. „Egal, was ich von ihnen gefordert habe, sie haben einen unfassbaren Willen“, ist er von ihrem Durchhaltevermögen beeindruckt. Das Stadion am Auerberg entwickelte sich unter seiner Ägide zu einer Festung, die manche Gastmannschaft lieber aus der Ferne besichtigt hätte, so hart und herzlich ging es zu.

Die TSV-Kicker dankten es ihrem Coach mit spezieller Zuneigung. Bei zwei Hochzeiten stand seine Name auf der Gästeliste. Als sich sein Abschied über den Winter dann doch im Kreis der Mannschaft herumsprach, erreichten ihn zahlreiche SMS. „Ich bin als Trainer gekommen und gehe als Freund und Fan von dieser Mannschaft“, sagt Deli. Er ist dankbar für alle Beziehungen, die sich in den vergangenen fünfeinhalb Jahren entwickelt haben.

Daniel Deli: Kein Freund der Schiedsrichter

Nur mit einer Spezies konnte sich Deli nie anfreunden: „Die Typen mit der Bierwampe, die aus dem Mittelkreis nicht rauskommen.“ Kommt das Wort „Schiedsrichter“ zur Sprache, wird Deli emotional und redet sich in Rage. Vielleicht liegt das daran, dass die Referees für einen freien und eigenständigen Geist wie ihn zu viel Einfluss auf das Spiel besitzen. „Es ist nicht ihre Aufgabe, bei mir einen pädagogischen Auftrag zu erfüllen.“ Er wehrt sich gegen Bevormundung und fragwürdige Erziehungsmethoden. Am liebsten wäre es Deli jedoch, wenn die Spiele ohne Referees auskämen. Es hätte den vielen unseligen Auseinandersetzungen sicherlich die Spitze genommen, wenn er den aufrichtigen Appell, den er einmal an seine Spieler gerichtet hat, in manchen eskalierenden Momenten selbst beherzigt hätte. „Bildet euch nicht so viel ein. Ihr spielt genauso wie 300 000 andere in Deutschland in den untersten Ligen.“ Gewinnt der Verstand über seine Emotionen wieder die Oberhand, weiß Deli nur zu gut, dass es oft die Strukturen sind, die die Unparteiischen zu ungerechtfertigten Fehlentscheidungen verleiten. „Es kann doch nicht sein, dass ein Schiedsrichter Karten verteilen muss, nur um eine gute Benotung zu erhalten, wenn das Spiel ansonsten fair verläuft.“

Daniel Deli: Ende der Trainerkarriere mit 43 Jahren

Die Debatten am Spielfeldrand werden genauso fehlen wie so manche Versöhnung zwischen Deli und den Schwarzröcken bei einem Bier danach im Vereinsheim. „Irgendwann muss man mal einen Schlussstrich ziehen, wenn man nicht noch mit 58 Jahren auf der Bank sitzen und das Rumpelstilzchen spielen will“, so der 43-Jährige. Er stellt klar, dass seine Entscheidung einen endgültigen Charakter hat. Offerten von anderen Klubs habe er in den vergangenen Jahren zwar immer wieder erhalten, doch selbst ein Engagement in der Bezirksliga oder Landesliga reizt ihn nicht. An erster Stelle stehen für ihn in der Zukunft seine Firma und die beiden Töchter, die nun an den Wochenenden ihren Vater ganz für sich haben werden.

Sein nunmehr ehemaliges Team wird das gern hören, schließlich besteht zwischen beiden Seiten die Abmachung, dass Deli nie bei einem Gegner des TSV auf der Bank Platz nehmen darf. Deshalb ruht sein Spielerpass zur Sicherheit auch in Bernbeuren. Obwohl er in seiner Karriere als Fußballer ganze Heerscharen von Orthopäden und Chirurgen mit seinen Verletzungen beschäftigt hat, steht ihm der Sinn noch immer danach, irgendwann in kurzen Hosen aufs Grün zurückzukehren. „Bernbeuren III gegen Burggen II – das gibt ein Gemetzel“, ist er überzeugt. Es wäre zumindest der willkommene Anlass, ihn so zu verabschieden, wie es ihm gerecht wird: Auf dem Platz und nicht nur durch das große Tor.

(Christian Heinrich)

Aufrufe: 011.5.2021, 09:21 Uhr
Schongauer Nachrichten / Christian HeinrichAutor