2024-04-30T13:48:59.170Z

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Trägt nicht mehr das Trikot des FC Cleeberg: Henrik Keller (l.), hier im Duell mit Zeilsheims Konstantin Fujiwara. 	Foto: Katrin Weber
Trägt nicht mehr das Trikot des FC Cleeberg: Henrik Keller (l.), hier im Duell mit Zeilsheims Konstantin Fujiwara. Foto: Katrin Weber

Torjäger geht mit gutem Gewissen

VL MITTE: +++ Henrik Keller verabschiedet sich nach drei Jahren beim FC Cleeberg +++

Wetzlar/Gießen. Vergangene Woche hat Henrik Keller noch einmal mit seinen Teamkollegen trainiert. Passübungen standen auf dem Programm. Nach knapp 90 Minuten war Schluss. Für Keller nicht nur die Einheit, sondern auch seine Zeit beim Fußball-Verbandsligisten. Denn ab Sommer schließt er sich dem Ligakonkurrenten SG Kinzenbach an.

Drei Jahre lang ging der Stürmer für die „Raubritter“ auf Torejagd. Sein Weg ins beschauliche Cleeberg ist durchaus als Zufall zu sehen. Denn Kellers Mama Andrea und Steffen Viehmann, bis heute Sportlicher Leiter beim FCC, sind Arbeitskollegen. Irgendwann sprechen die beiden über Fußball. Mama Keller berichtet von ihrem Sohn, der bei seinem aktuellen Verein, der SG Laubach/Ruppertsburg/Wetterfeld, nicht mehr richtig glücklich ist. Steffen Viehmann, der noch auf der Suche nach einem Stürmer ist, fackelt nicht lange. Zügig geht der Wechsel über die Bühne – und wird eine Erfolgsgeschichte für beide Seiten. Gleich in seiner ersten Saison schießt Keller 22 Tore in 14 spielen. In der folgenden Spielzeit sind es sage und schreibe 39 Treffer. „Es hätten aber auch 50 sein können, ich habe einiges ausgelassen“, sagt Keller mit einem Lachen.

Dennoch: Auch dank der Qualitäten des heute 28-Jährigen steigt die Truppe aus der Gemeinde Langgöns erstmals in ihrer Vereinsgeschichte in die Verbandsliga auf. „Das schönste Jahr meiner bisherigen Laufbahn“, betont Keller, der dem Club trotz mehrerer Angebote, darunter vom TSV Eintracht Stadtallendorf, treu bleibt. „Es hätte sich nicht richtig angefühlt, nach so einer erfolgreichen Runde zu gehen“, erklärt er.

Mutter Andrea stellt den Kontakt nach Cleeberg her

Doch wie so oft im Sport folgt nach einem Hoch auch ein Tief. Schnell merken sie beim FC Cleeberg, dass die Verbandsliga eine andere Hausnummer als Gießens höchste Klasse ist. Beim Abbruch der Saison aufgrund der Corona-Pandemie findet sich der Liganeuling auf dem letzten Rang wieder. „Wir haben uns alle gewünscht, dass es besser läuft. Wir waren sehr unerfahren und hatten dazu enormes Verletzungspech“, nennt der Hüne (1,95 Meter) Gründe für die Misere. Auch Keller erwischt es. Am 1. September und gerade mal vier Partien in der neuen Klasse (ein Treffer) verletzt er sich bei der 1:3-Niederlage bei der Spielvereinigung Eltville am Knie. Nach mehreren Arztbesuchen steht die Diagnose schließlich fest: Das Kreuzband ist angerissen, eine mehrmonatige Pause unumgänglich. Ab November kämpft sich der Stürmer, für den es die erste schwere Blessur seiner Karriere ist, Stück für Stück zurück. Nach der Winterpause nimmt er erstmals am Mannschaftstraining teil und kommt bei einem Testspiel zu ein paar Minuten Einsatzzeit.

Beim FC Cleeberg und Coach Daniel Schäfer hoffen sie, dass er zumindest als Einwechselspieler für die Schlussphase noch zur Verfügung steht. Bis die Corona-Pandemie alles verändert. Zwar nutzt Keller die spielfreie Zeit, um an seinem Knie zu arbeiten („Ich habe keine Beschwerden mehr“), doch durch den (voraussichtlichen) Abbruch der Saison steht auch fest: Das Trikot des FC Cleeberg trägt der 28-Jährige nicht mehr. Das teuflische Virus verwehrt ihm einen Abschied auf dem Rasen. Was bleibt, ist das letzte Training vergangene Woche unter Trainer Daniel Schäfer. Um Siege und Punkte kann er nicht mehr für den FCC kämpfen. Für Keller ist das aber so in Ordnung: „Mir war es wichtiger, dass ich mich persönlich verabschieden und den Jungs meinen Wechsel erklären konnte. Der größte Teil hat meine Gründe verstanden.“

Doch warum überhaupt der Abgang? Keller klärt auf: „Ich hatte den Verantwortlichen bereits vor Monaten informiert, dass ich aus beruflichen Gründen auf Vereinssuche bin. Alle Beteiligten wussten Bescheid. Wir sind daher auch harmonisch auseinandergegangen.“

Eigentlich, so der Plan, des Torjägers, wollte er ein, zwei Klassen tiefer weiterspielen. Doch da sich die SG Kinzenbach sehr um den 28-Jährigen bemühte und schon seit Jahren anfragte, machte sie das Rennen. „Ich hatte das Gefühl, mich noch einmal neu beweisen zu wollen“, nennt er weitere Gründe für seinen Abgang.

Bei der SGK möchte er den nächsten Schritt in seiner Entwicklung gehen. Einen „guten einstelligen Tabellenplatz“ peilt er mit seinem neuen Team an, aber auch dem FC Cleeberg traut er in der nächsten Saison einiges zu: „Die Neuzugänge dort bringen viel Qualität mit. Sie werden sicherlich eine bessere Runde spielen.“

Sobald diese losgeht, stehen zwei Duelle gegen den FCC auf dem Programm. Vorfreude, Anspannung und auch Nervosität, spüre der 28-Jährige schon jetzt, wenn er an diese Spiele denkt. Doch auch dort wird Henrik Keller wieder versuchen, Tore zu machen. So, wie er es in den vergangenen Jahren in fast schon selbstverständlicher Manier für den FC Cleeberg tat.



Zur Person

Henrik Keller stammt aus Freienseen, ein Stadtteil von Laubach- Mittlerweile wohnt er in Gießen. Mit dem Fußball startete er bei der SG Laubach/Ruppertsburg/Wetterfeld. Nach einem kurzen Ausflug zu Hessenligist FSV Fernwald kehrte er zu seinem Heimatverein zurück, 2017 zog es ihn zum FC Cleeberg, im Sommer schließt er sich der SG Kinzenbach an. Kurios: Bis zu seinem Engagement bei den „Raubrittern“ wechselte er zwischen Sturm und Innenverteidigung ständig hin und her. Selbst im defensiven Mittelfeld kam er in Laubach zum Einsatz. Der 28-Jährige ist in den Endzügen seines dualen Studiums. An der THM in Wetzlar studiert er Prozessmanagement. Aus Bewunderung für den damaligen Fußballer Marcelinho, der am gleichen Tag wie er Geburtstag hat (17. Mai), wurde er Fan von Hertha BSC. (tis)

Videobweis, die Bayern und Yannik Baier

Nach insgesamt 62 Toren in 50 Spielen ist für Henrik Keller Schluss beim FC Cleeberg- Mit dieser Zeitung sprach der 28-Jährige zum Abschied noch über ...

... Cleebers Trainer Daniel Schäfer: „Er ist ein exzellenter Trainer. Ich habe mich unter ihm enorm weiterentwickelt. Er versteht nicht nur viel vom Fußball, sondern ist auch menschlich ein sehr angenehmer Typ. Eine Eigenschaft, die im Amateurbereich vielleicht sogar noch wichtiger als das fachliche Wissen ist. Ihm und vor allem dem FC Cleeberg wünsche ich alles Gute für die Zukunft.“

... das Niveau in der Verbandsliga: „Da ich nicht viele Spiele gemacht habe, kann ich dazu nicht viel sagen. Klar ist, dass diese Klasse deutlich stärker ist als die Gruppenliga. Die Taktik steht vielmehr im Vordergrund. Dennoch glaube ich, dass ein Aufsteiger in dieser Liga dennoch mithalten kann.“

... seinen härtesten Gegenspieler im Training beim FC Cleeberg: „Yannik Baier hat unglaublich hart verteidigt. Überhaupt nicht zurecht kam ich mit Pascal Kühn. Da hatte ich immer viele Ballverluste.“

... den Videobeweis: „Er bringt ein Stück weit Gerechtigkeit. Allerdings kann gerade ein Stürmer nach einem Tor sich nie sicher sein, ob der Treffer zählt. Daher sehe ich das mit gemischten Gefühlen.

... den kommenden Deutschen Meister: Die Bayern aus München lassen sich das nicht mehr nehmen. Da ist schon ein zweiter Corona-Ausbruch wahrscheinlicher. Ich habe, wie wohl fast jeder, der nicht Bayern-Fan ist, darauf gehofft, dass mal ein anderes Team an der Reihe ist. Bis zur Rückrunde hat bei RB Leipzig viel gepasst, doch nach Corona haben sie stark nachgelassen und waren nicht mehr konstant genug.“ (tis)

Aufrufe: 015.6.2020, 08:00 Uhr
Tim StraßheimAutor