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Spielbericht

Schützenfest am Schäfersee

Der BSC Reinickendorf überrollt den ASV Berlin II

BSC Reinickendorf 21 e.V. – ASV Berlin II 7:3

20. Spieltag Berliner Kreisliga B Staffel 4 Saison 2021/2022

Sonntag, 27.02.2022 14:00 Uhr

Sportplatz am Schäfersee

40 Zuschauer

Feierabend. Ich verlasse mein Büro, sofern ich den Tag nicht im Home-Office verbracht habe, und trete in den komplett verglasten Hausflur. Da mir mal irgendjemand gesagt hat, dass es gesund ist, Treppen hinunter zu steigen, verzichte ich auf den Fahrstuhl, um aus dem fünften Stock auf Straßenniveau zu kommen.

Habe ich nun die ersten drei Stufen hinter mir, fällt mein Blick immer direkt auf das große Wappen des BSC Reinickendorf, welches an dessen Vereinsheim angebracht ist.

Wenn ich bei meinen Kollegen im Büro ein Schwätzchen halte, kann ich sogar den Platz des Vereins sehen. Und in der Mittagspause bin ich auch schon oft an diesem Pitch vorbeispaziert.

Gerade im ersten Coronajahr war das eine Art Sehnsuchtsort. Regelmäßig stand ich in meiner Pause am Zaun, der rund um die Plastikwiese verläuft, und habe schwermütig auf das unechte Grün mit den gelben Markierungen geschaut. Warum gibts eigentlich gelbe Spielfeldmarkierungen?

Egal, heute soll das Kreuz am Schäfersee gemacht werden.

Dafür fuhr ich meinen Arbeitsweg auf einen Sonntag. Fast wäre ich nach meiner Zielhaltestelle in den Bürokomplex gelaufen, in dem sich mein Arbeitsplatz befindet.

Gerade noch rechtzeitig bog ich dann doch in die Gartenkolonie ab, deren Hauptweg direkt auf den Sportplatz am Schäfersee zuführt. Nach ein paar Metern und einer kleinen Biegung tauchte er auch schon auf, eingekeilt zwischen eben dieser Gartenkolonie und der Grünanlage, die sich rund um den Schäfersee befindet.

Bevor ich den Platz betrat, steuerte ich das Vereinsheim an, dass ich jeden Tag nach Feierabend sehe. Allerdings ist es aufgrund von Sanierungsarbeiten geschlossen. Ein Verkauf von Kaffee, Kuchen, Kaltgetränken und heißen Würstchen fand aber statt. Dafür musste man ein paar Schritte in den Keller des Gebäudes. Ich entschied mich für einen heißen Kaffee, denn trotz des Sonnenscheins war es wirklich noch kalt. Dann ging es an den Eintritt. Dieser war mit 2 Euro ausgepreist, aber als ich einen zwanziger aus meiner Geldbörse holte, richtete ich damit ein Chaos an. Keiner hatte Wechselgeld. Bevor das ganze hier eskalierte, ließ ich mir 15 Euro wiedergeben und spendete den Rest an die Reinickendorfer. Voll gerne!

Dafür wurde das Spiel dann auch fast vier Minuten zu früh angepfiffen. Das irritierte nicht nur mich, sondern auch einen Spieler der Gäste, der aus der Kabine gesprintet kam, als alle anderen schon hinter dem Schiri aufs Feld liefen.

Während die Akteure kurze Zeit später die ersten Spielzüge auf dem Rasen präsentierten, umrundete ich den Platz einmal, um ein paar Erinnerungsfotos zu schießen. Als ich auf Höhe der Mittellinie, direkt neben dem Linienrichter kurz stehen blieb, weil es auf dem Platz gerade spannend wurde, ließ dieser lautstark ein Lüftchen aus seinem Gluteus Maximus entweichen. Kann man schon mal machen, ist aber ein bisschen assi.

Gut, dass mich das Geschehen auf dem Rasen-ähnlichen Untergrund ablenkte. Nach knapp 20 Minuten führte die Gastgeber durch einen schönen Flachschuss in die linke untere Ecke. Und der Torreigen ging direkt weiter. Nach dem Wiederanpfiff verloren die Gäste sofort den Ball und über die rechte Seite wurde ein BSC-Kicker mustergültig bedient. Er stand dadurch frei vor dem Keeper und schob gelassen zum 2:0 ein. Der Schütze des Tores konnte sich acht Minuten später erneut in die Historie dieses Spiels eintragen. Nach einem Einwurf des BSC bekam der ASV den Ball einfach nicht aus der Gefahrenzone und ein Distanzschuss wurde unhaltbar abgefälscht. Die Pille eierte am rechten Pfosten in die Maschen.

Der ASV Berlin II gab aber nicht auf. Nach einer guten halben Stunde kamen sie durch einen Freistoß zum Anschluss. Dabei wurde die Standardsituation auf die Kante vom Fünf-Meter-Raum gezogen und von dort überlegt per Kopf ins lange Eck befördert.

Nun war Reinickendorf wieder dran. Und zwar im direkten Gegenzug. Wieder tauchte ein Spieler des BSC frei vor dem Torhüter der Gäste auf. Der Schlussmann konnte zwar seinen Gegenspieler stoppen aber das Spielgerät schoss quer und landete bei dem Spieler des BSC, der nur Tarzan gerufen wurde. Und Tarzan schob locker zum 4:1 ein. Das war es aber immer noch nicht mit Toren in Hälfte eins. Die Zweite vom ASV kam kurz vor der Pause nochmal ran. Ein guter Pass in die Mitte wurde eingeschoben und dann ging es in die Kabinen.

Für mich ging es erst einmal in die gekachelten Nebenräume des Platzes. Der Kaffee von vorhin wollte mich dringend verlassen. Weil ich aber Kaffee so gerne hab, holte ich mir einen neuen. Dazu gab es dieses Mal einen Keks umsonst. Ich bin ein einfacher Mann und solche Kleinigkeiten machen mich so happy, dass ich in der Zuckereuphorie dieses Kekses eine kleine Fahne vom BSC Reinickendorf kaufte.

Mit meinem neuen Winkelement ausgestattet, machte ich es mir für die zweite Hälfte bequem. Es dauerte eine Weile, bis wieder Aktion auf dem Feld zu sehen war. Das erste Ausrufezeichen setzten die Gäste. Ein schöner Schuss traf nur den Innenpfosten, rollte mit viel Drall auf der Torlinie entlang und verließ dann die Szenerie Richtung Seitenaus. Doppeltes Pech für den ASV: Mit der nächsten Aktion stellten die Reinickendorfer den Drei-Tore-Abstand wieder her. Nach einem Kuddelmuddel im Fünfer musste der BSC nur noch blind auf den Ball eindreschen und er flog ins Tor.

Und es ging munter weiter. In der 68. Minute gab es eine Ecke für den Allgemeinen Sport Verein. Nach ihrer Ausführung irrte der Torwart durch seinen Strafraum und durfte als Dank dafür den Ball aus dem Netz holen. Ansonsten war er heute ein guter Rückhalt für sein Team. Und strahlte auch ordentlich Selbstbewusstsein aus. Als er z.B. den Ball nach einem Fehlpass aufnahm, bedrängte ein Spieler der Gäste den Schiri, nun doch bitte auf die Zeit zu achten. Der Schlussmann würde nämlich vermehrt das Spiel verzögern. Der genaue Dialog klang dann in etwa so:

Spieler ASV zum Schiri: “Ey Schiri, sechs Sekunden ab jetzt!”

Torwart Reinickendorf zum ASV Spieler: “Na los, zähl runter.”

Die nächste Szene aus der Kuriositätenkiste ließ nicht lange auf sich warten:

Ein BSC-Akteur war der Meinung, gefoult worden zu sein und nahm den Ball einfach mit beiden Händen auf. Der Schiri gab ihm, nach einigen Sekunden des Zögerns, recht und sprach ihm den Ballbesitz zu. Das Spiel ging folgerichtig mit einem ruhenden Ball weiter. Aber alles ohne Pfiff.

Eine Viertelstunde vor dem Abpfiff gab es dann aber wieder ein Tor. Tarzan hatte einen langen Ball gut mitgenommen und per Vollspann ins lange Eck befördert. Die Kinder, die ganz oben auf einem Klettergerüst auf dem benachbarten Spielplatz zuguckten, applaudierten bei diesem schönen Treffer.

Den Schlusspunkt setzte ein Freistoß in der Nachspielzeit. Der Keeper des ASV fischte diesen zwar aus dem Winkel, aber der Nachschuss saß. Am Ende stand ein 7:3 in den Geschichtsbüchern des Fußballs.

Ich machte mich auf den Heimweg, total happy darüber, diesen Platz endlich in meiner Sammlung zu haben. Zu Hause stellte ich dann fest, dass hinter dem Spitznamen Tarzan kein geringerer als Aslam Ben Hatira, der jüngere Bruder von Änis, steckt.

Und obwohl heute keine große Feier bei den Reinickendorfer nach dem Abpfiff startete, habe ich die ganze Zeit einen Siegesgesang des BSC im Ohr, den ich einst im Internet fand. Da sangen die Spieler nach einem gewonnenen Spiel: Die Nummer eins am Schäfersee.

Am folgenden Montag wäre ich dann übrigens fast zum Platz statt ins Büro gelaufen.

der Kutten König.

Aufrufe: 028.2.2022, 19:55 Uhr
Jörn KutschmannAutor