2024-05-02T16:12:49.858Z

Ligabericht
– Foto: Henrik Martinschledde

SCHOCK: SV Spexard meldet 1. Mannschaft ab!

Vorstand des größten Gütersloher Sportvereins entschließt sich aus Sorge um die wirtschaftliche Zukunft zu einem Rückzug aus der Westfalenliga. Trainer Robert Mainka wusste von nichts und ist geschockt.

Es ist das Ende einer Fußball-Ära im Kreis Gütersloh. Der SV Spexard, eine Traditionsmannschaft („Die Spechte“) melden ihre 1. Mannschaft vom Spielbetrieb der Westfalenliga ab. Das hat FuPa Ostwestfalen aus Vereinskreisen erfahren. Viele Spieler wurden überrumpelt und wussten von der Entscheidung der Vereinsführung überhaupt nichts. Bereits im Winter wurde eine massive Etatkürzung beschlossen. Trainer Simov gab daraufhin seinen Posten zur neuen Spielzeit ab, Manager Klaus Rickmann erklärte seinen Rücktritt und sechs Spieler verließen den Verein.

Künftig ist der Verein mit der bisherigen 2. Mannschaft nur noch in der Kreisliga A vertreten. „Wir ziehen uns aus dem bezahlten Amateursport zurück“, erklärte der 1. Vorsitzende Volker Stickling bei einem kurzfristig anberaumten Pressegespräch. Grund für die Entscheidung, die der sechsköpfige Geschäftsführende Vorstand nach reiflicher Beratung einstimmig beschlossen habe, sei das unkalkulierbare wirtschaftliche Risiko: „Wir dürfen den Gesamtverein nicht in finanzielle Gefahr bringen.“

Die ersten Reaktionen:

Martin Simov, scheidender Trainer des SV Spexard: „Ich wurde vom Verein nicht informiert. Ich gehe davon aus, dass das überhaupt keiner wurde. Ich muss die ganze Situation auch erst einmal sacken lassen. Auf meinem Telefon sind über 100-WhatsApp-Nachrichten. Stand jetzt: Ich weiß nichts vom Aus und wusste davon auch bisher rein gar nichts.“

Robert Mainka, eigentlich zukünftiger Trainer des SV Spexard: „Ich habe das auch zuerst aus der Presse erfahren. Von daher kann ich da auch nichts zu sagen. Sollte das so eintreffen, weiß ich natürlich nicht, ob es für mich eine interessante Möglichkeit gibt. Aufgrund des späten Zeitpunktes gehe ich nicht davon aus.“

Philip Kunde, Stürmer: „Ich bin schockiert.“

Yannick Ellguth, Torhüter: „Wenn man so etwas aus der Presse erfährt, ist das schon ein Stück weit traurig. Es gab auch intern absolut keine Anzeichen dafür, dass ein derartiger Schritt bevorstehe. Schließlich wurden die Kürzungen für die kommende Saison auch noch einmal im März mit allen Spielern, die die Zusage für über den Sommer hinausgegeben hatten, gesprochen. Wir, die Spieler, hatten das akzeptiert. Dass eine mögliche Abmeldung der 1. Mannschaft bevorstehe, konnte niemand ahnen. Jetzt muss man natürlich sehen, wo man als Spieler bleibt. Es macht mich aber sehr traurig.“

Fatih Gürer, Mittelfeld: „Ich habe davon durch den FuPa Ostwestfalen Artikel erfahren. Im Winter gab es dieses Thema tatsächlich mal, dass die Mannschaft abgemeldet werden solle. Aber das dieser Schritt dann wirklich vollzogen werden sollte, damit hat wohl niemand gerechnet. Wir Spieler wissen offiziell von nichts. Bitter ist es, wenn man Angebote anderer Vereine ausgeschlagen hat, um weiterhin dem SV Spexard zu helfen. Wie es weitergeht, weiß ich im Moment wirklich nicht.“


Die Hintergründe

von NW-Redakteur Wolfgang Temme

Stickling (54) sowie der ebenfalls anwesenden 2. Vorsitzenden Delia Spexard (33) und Schatzmeister Jörn Grote (37) war anzusehen, wie schwer es ihnen fiel, diesen „massiven Einschnitt“ zu verkünden: „Wir haben aber nicht nur Verantwortung für 22 Fußballspieler und das Trainerteam, sondern für 2.700 Mitglieder“, so Spexard. Der größte Gütersloher Sportverein, der gut zur Hälfte aus der Breitensportabteilung besteht, hatte der Fußballabteilung (600 Mitglieder, und 20 Jugendteams), vor allem aber der 1. Fußballmannschaft schon im Dezember einen Sparkurs verordnet.

Trotz einer Beitragserhöhung hatte der Verein das letzte Jahr bei einem Gesamtetat von 375.895 Euro mit einem Minus von 12.848 Euro abgeschlossen. Aufgefangen hatte der Vorstand das durch einen Griff zu den Rücklagen. In der Winterpause verließen sechs Spieler den Verein. Bei der Jahreshauptversammlung im Februar sprach Grote von „Schritten in die richtige Richtung“, und man war guter Dinge die Trendwende schaffen zu können. Für Klaus Rickmann, der sich im Januar zurückzog, übernahm Norbert Meiertoberens die Funktion des Sportlichen Leiters. Robert Mainka wurde als Trainer für die neue Saison und Nachfolger von Martin Simov verpflichtet. Beide waren die Kaderschmiede und die Saisonplanung emsig angegangen, wurden nun aber komplett ausgebremst.

Entscheidungsträger: Als sie bei einem Pressegespräch über den „massiven Einschnitt“ beim SV Spexard und die Gründe dafür informierten, war dem 1. Vorsitzenden Volker Stickling (r.) und Schatzmeister Jörn Grote ihre Betrübnis anzusehen.
Entscheidungsträger: Als sie bei einem Pressegespräch über den „massiven Einschnitt“ beim SV Spexard und die Gründe dafür informierten, war dem 1. Vorsitzenden Volker Stickling (r.) und Schatzmeister Jörn Grote ihre Betrübnis anzusehen. – Foto: Dünhölter

„Wir haben die Befürchtung, den notwendigen Etat nicht zusammenzubekommen“, erklärte Volker Stickling: „Die Gefahr, dass wir Zusagen, die wir gemacht haben, nicht einhalten können, ist uns deutlich zu groß.“ Den Etat der 1. Mannschaft und die Größenordnung der befürchteten Unterdeckung, bezifferte er nicht. Eine erneute Überbrückung mithilfe der Rücklagen, die zuletzt auf rund 70.000 Euro taxiert wurden, schloss der Vorstand aus: „Das wollen wir nicht mehr.“ Zuletzt hatte der Verein wegen der Corona-Pandemie auch noch die fest eingeplanten Einnahmen aus dem Sportfest (Tanz in den Mai, Volkslauf) eingebüßt.

Die Überlegung, die 1. Mannschaft in die Landesliga zurückzuziehen, wurde verworfen. „Das hätte nicht gereicht“, so Volker Stickling. Schließlich habe man sich zu der kompletten Abmeldung entschieden, weil man die Entwicklung im bezahlten Amateurfußball („Da werden ziemlich große Summen bewegt“) schon länger kritisch beurteilte. „Man habe sich gefragt, ob man sich länger an diesem System beteiligen will“, so der 1. Vorsitzende. Die Antwort lautet Nein.

„Man muss auch sehen, wie man das in einem Verein mit mehreren Abteilungen rechtfertigt“, gibt Delia Spexard zu bedenken. Und Jörn Grote, der bei den Heimspielen an der Kasse saß, bemerkte an den mauen Zuschauerzahlen („Für die Bezahlung der Schiedsrichter reicht es noch, aber für viel mehr auch nicht“) die geringer gewordene Unterstützung im Ort. Zudem befürchtet der Verein Einbußen im Sponsoring-Bereich durch die Corona-Krise. „Wir haben einfach keine Planungssicherheit“, sagt Volker Stickling betrübt.

Trainer und Spieler, von denen nur sechs einen am Saisonende auslaufenden Status als Vertragsamateur hätten, erfuhren durch FuPa Ostwestfalen von dem Aus. „Wir haben den Zeitpunkt auch deshalb so gewählt, damit die Spieler noch genug Zeit haben, sich anderweitig zu orientieren“, sagte Stickling. In dem Telefonat mit Robert Mainka, mit dem es keinen schriftlichen Vertrag gebe, wurde ihm klar: „Für den Trainer bricht eine Welt zusammen. Dass er die Entscheidung nicht versteht, kann ich nachvollziehen.“

Verantwortung: Delia Spexard hat den Gesamtverein im Blick.
Verantwortung: Delia Spexard hat den Gesamtverein im Blick. – Foto: Dünhölter

In der Tat fühlt sich der 37-Jährige überrumpelt und mit einem Déjà-vu-Erlebnis konfrontiert. Sein bisheriger Verein, der SC Roland Beckum hatte im Dezember aus organisatorischen Gründen die Abmeldung des Westfalenligateams zum Saisonende beschlossen – und damit quasi das Vorbild für den SV Spexard abgegeben. „Mit mir hat im Vorfeld niemand gesprochen, ich halte die Kommunikation und den Zeitpunkt für nicht vertretbar.“ Mainka sagte, Kaderschmiede und Vorbereitungsplanung sei abgeschlossen gewesen. „Wir sind unfassbare Kompromisse eingegangen und haben die Vorgaben des Vereins sogar noch unterschritten.“ Jetzt sei die ganze Arbeit umsonst gewesen. Dass er selbst gebeutelt sei („Ich habe einige interessante Sachen abgesagt“) mag er nicht zu hoch hängen: „Ich hoffe nur, dass die Spieler noch alle auf einen grünen Zweig kommen.“

Was die Kommunikation angeht, gibt Volker Stickling zu: „Das hätte man besser machen können.“ Er hofft, dass zumindest Norbert Meiertoberens dem Verein nicht komplett den Rücken kehrt. „Er trägt die Entscheidung natürlich nicht mit, das können wir nachvollziehen, das tut uns leid.“ Insgesamt rechnet der 1. Vorsitzende des Sportvereins mit lebhaften Diskussionen, mit Zustimmung, aber auch mit gegenteiligen Meinungen. Er glaubt: „Wir werden in den nächsten Tagen nicht so viele tolle Gespräche haben.“

Aufrufe: 028.5.2020, 17:30 Uhr
FuPaAutor