2024-06-03T07:54:05.519Z

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Mittelstürmer im Mittelpunkt: Robert Lewandowski. dpa / Matthias Balk
Mittelstürmer im Mittelpunkt: Robert Lewandowski. dpa / Matthias Balk

Salihamidzic, die Ein-Mann-Wagenburg der Bayern

Attacke auf Hamann

Es hätte ein rundum erfreuliches Wochenende für den FC Bayern sein können. Doch der Sieg über Schalke und das Dortmunder Remis rückten in den Hintergrund, als Sportdirektor Hasan Salihamidzic den TV-Sender Sky und seinen Experten Dietmar Hamann attackierte.

Dietmar Hamann hatte am Samstag frei. Im Studio des Pay-TV-Senders Sky saßen Christoph Metzelder und Reiner Calmund, und auch Lothar Matthäus befand sich im Dienst. Zumindest das war für den FC Bayern erfreulich, denn Matthäus, über den sie sich schon so oft geärgert haben, war diesmal ihr Freund und Verteidiger. Aber dazu später.

Hamann war am Samstag nicht im Stadion, aber trotzdem präsent. Er ist neuerdings an der Säbener Straße so beliebt, wie es Matthäus in jenen Zeiten war, als man ihn nicht mal als Greenkeeper hätte anstellen wollen. Er hat es gewagt, Kritik an Robert Lewandowski zu üben, dem einzigen zentralen Angreifer, von dem die Bayern so abhängig sind wie sonst kein europäischer Spitzenclub von seinem Mittelstürmer. Er hatte die Theatralik des Polen gerügt, sein Abwinken bei missglückten Szenen der Nebenleute, und sich auch nicht davon beirren lassen, dass Lewandowski zuletzt angekündigt hatte, sich mehr denn je als Teamplayer zu verstehen. Von der Trefferquote des Angreifers (aktuell 25 Tore in 29 Spielen) hatte sich Hamann nicht beeindrucken lassen.

Beim 3:1 gegen Schalke 04 hat Lewandowski am Samstag einmal getroffen, dazu ein Eigentor provoziert und mit einem Fallrückzieher, der als Abschluss gedacht war, den Treffer von Serge Gnabry vorbereitet. Diese Bilanz war Hasan Salihamidzic ein willkommener Anlass, vor diversen Kameras ein verbissenes Plädoyer für Robert Lewandowski und gegen Dietmar Hamann zu halten. Auch vor der Sky-Kamera.

Er sagte also, der Stürmer spiele „wie ein Leader“ und bestreite aktuell „seine kompletteste Saison bei uns“. Wer das verkenne, habe keine Ahnung oder, schlimmer noch, unlautere Motive: „Was er macht, ist eine Kampagne gegen ihn, weil er die Spiele nicht richtig schauen kann. Ich glaube nicht, dass Robert Lewandowski ein Problem für Bayern München ist, sondern Didi Hamann ist ein Problem für Sky. Deswegen muss man bei Sky über ihn mal nachdenken.“

Das tat man tatsächlich, allerdings nicht mit dem Ergebnis, das sich Salihamidzic erhofft haben mag. Statt den kritischen Geist Hamann, einen anerkannten Freund klarer Worte und pointierter Urteile, zur Ordnung zu rufen, erhielt er die erwartbare Unterstützung. Sky verwies nicht nur darauf, dass ihr Mann beim Publikum „sehr beliebt“ sei. Hamann ließe sich selbstverständlich auch an seiner Expertise messen, weswegen darüber „jederzeit sachlich diskutiert werden“ könne. Um Sachlichkeit ging es da aber schon lange nicht mehr. Sonst hätte Salihamidzic nicht ausdrücklich Matthäus für seine Lewandowski-Unterstützung gelobt. Sein früherer Mitspieler habe halt „wirklich Ahnung vom Fußball“. Das klang dann nicht mehr wie ein Plädoyer für einen verkannten Teamplayer. Eher wie eine Kampagne.

Man kennt das von den Bayern. Gibt es Angriffe von außen, bilden sie die gute, alte Wagenburg. Auch diesmal ist es so und doch völlig anders. Uli Hoeneß zum Beispiel, der gewöhnlich für jede Medienkritik zu haben ist, blieb die resolute Lewandowski-Fürsprache schuldig und verwies im Weggehen lieber darauf, der Stürmer hätte gegen grotesk defensivschwache Schalker leicht „vier machen können“. Am ehesten sprang noch Karl-Heinz Rummenigge Salihamidzic bei, aber kommentieren wollte auch er Hamanns Meinung nicht („Der ist mir keinen Satz wert“). Streng genommen verschanzten sich die Bayern diesmal also in einer Ein-Mann-Wagenburg.

Die feurige Debatte, die der Profilbildung des Sportdirektors mindestens so sehr galt wie der Verteidigung seines Stürmers, hätte eine Randnotiz sein können an einem Spieltag, der durch den Dortmunder Punkteverlust unerwartet erfreulich verlaufen war. Aber über den BVB und sein spektakulär entgleistes Heimspiel sprachen die Bayern gar nicht so viel. „Das sind immer noch fünf Punkte“, gab Lewandowski zu bedenken. Sie haben genug mit sich selbst zu tun, wie auch der Samstag zeigte, wo sie trotz haushoher Überlegenheit mehrfach in die Bredouille gerieten, am folgenschwersten bei Kutucus Ausgleich, als James vor dem gegnerischen Tor den Ball verlor.

Dieser Treffer ereilte die Bayern wie ein unabwendbares Naturereignis, wie so oft in den vergangenen Wochen. Individuelle Fehler und mangelhafte Abstimmung seien „das Problem, das sich durch die ganze Saison zieht“, tadelte Joshua Kimmich. „Schauen Sie sich mal meinen Bart an“, forderte Niko Kovac auf. „Der ist grau.“ Wenigstens traut er sich inzwischen wieder unrasiert unter die Leute. Im ungemütlichen Herbst wurde ihm sein Bartschatten noch als Zeichen von Stress und Überforderung gedeutet. Heute bietet er zumindest Stoff für einen Scherz.

Allzu sicher kann sich Kovac aber weiterhin nicht sein. Die bisherigen Rückrundenspiele waren nicht viel mehr als das Vorprogramm für die zwei Treffen mit dem FC Liverpool. Ein Team, das noch ein bisschen schneller umschalten kann als die Schalker mit ihrem 18-jährigen Kutucu als Vollstrecker. Dann wird man wieder genau auf den Trainer, seine Taktik und die defensive Absicherung schauen.

Und auf Robert Lewandowski. In den letzten Jahren wurde ihm immer wieder unterstellt, sich seine vielen Tore für die kleineren Gegner, maximal Kaliber wie Schalke 04, aufzuheben. Übertragen wird beide Partien übrigens Sky. Mit dem Experten Dietmar Hamann.

Aufrufe: 010.2.2019, 19:20 Uhr
Münchner Merkur / Marc BeyerAutor