2024-04-25T14:35:39.956Z

Interview
Bis September 2014 leitete Schiedsrichter Dominik Tryankowski Spiele auch im Kreis Bad Kreuznach. Seitdem ist er im Rheinland unterwegs, schließt eine Rückkehr in den Südwesten jedoch nicht aus. Foto: Timo Schlitz
Bis September 2014 leitete Schiedsrichter Dominik Tryankowski Spiele auch im Kreis Bad Kreuznach. Seitdem ist er im Rheinland unterwegs, schließt eine Rückkehr in den Südwesten jedoch nicht aus. Foto: Timo Schlitz

Rückkehr nicht ausgeschlossen

Schiedsrichter Dominik Tryankowski fühlt sich wohl im Rheinland +++ Gewalt auf dem Fußballplatz hat meist mehrere Gründe +++ Unklare Zukunft

BAD KREUZNACH. Große Aufmerksamkeit erhielt vor etwas mehr als zweieinhalb Jahren Schiedsrichter Dominik Tryankowski. Nachdem ein E-Jugendspiel zwischen degenia Bad Kreuznach und dem TSV Hargesheim im September 2014 in einer handgreiflichen Auseinandersetzung zwischen Zuschauern der Gäste und dem Schiedsrichter geendet hatte, wollte Tryankowski in seinem nächsten Spiel ein Zeichen setzen. Für fünf Minuten wollte er die A-Klassen-Begegnung zwischen der SG Guldental und dem TuS Hackenheim unterbrechen und dadurch auf die steigende Aggressivität und Gewaltbereitschaft aufmerksam machen. Über die Presse erfuhr Obmann Christian Wendel von diesem Plan und entzog Tryankowski das Spiel, der daraufhin zurücktrat und in den benachbarten Verband Rheinland wechselte. Wir sprachen mit dem Schiedsrichter, der zum Thema Gewalt gegen Referees und der Arbeit des Verbands eine klare Meinung hat und eine baldige Rückkehr in den Südwesten nicht ausschließt:

Herr Tryankowski, Ihre Aktion vor drei Jahren hat große Wellen geschlagen. Würden Sie heute genauso handeln?
Nein definitiv nicht, ich wollte damals ein Zeichen setzen, hätte das aber niemals ohne Absprache durchgezogen. Der Artikel war viel zu schnell online, als dass ich hätte reagieren können. Damals war ich bei der Geburt meines Sohnes im Kreißsaal und hatte in dem Moment keine Möglichkeit, mich mit Christian Wendel zu besprechen. Dass war es, was mich damals so verärgert hat und warum ich gesagt habe, dass ich so nicht mehr weitermachen werde. Dann kam der Kontakt zum Rheinland. So eine Idee werde ich aber definitiv nie wieder fahren, da ich jetzt weiß, welche Ausmaße das annehmen kann. Daran habe ich gar kein Interesse gehabt.

Sie meinten damals mit den beiden Vereinen gesprochen zu haben, vom Verband wurde das bestritten. Wie lief es damals ab?
Ich hatte mit beiden Trainern gesprochen, vom Kreisausschuss heißt es, die Vereine hätten das verneint. Da halte ich dagegen. Auch Erhard Blaesy (Schiedsrichter-Obmann des SWFV, die Red.) bot mir damals ein klärendes Gespräch an. Dies sagte ich ihm auch zu, aber auf eine Antwort warte ich leider noch immer.

Nach dem Vorfall haben Sie pausiert und sind dann ins Rheinland gewechselt, wo Sie nun für den TuS Ellern pfeiffen. Was ist denn bei den Nachbarn anders?
Die Pause dauerte im Endeffekt nicht sehr lange, denn am 23. November habe ich schon mein nächstes Spiel geleitet. Unter den Schiedsrichtern und in den Vereinen kann man schon von einer anderen Mentalität sprechen. Da gibt man sich ein bisschen mehr Mühe. Die Schiedsrichter bekommen eine zusätzliche Aufwandsentschädigung und die Ausrüstung von den Vereinen gestellt. Auch was die Kosten der Schiedsrichter angeht, sind die Klubs etwas lockerer. Teilweise haben wir ja schon deutlich weitere Wege, aber es meckert kaum Jemand, wenn es mal wieder teurer wird.

Da Sie an der Verbandsgrenze abrechnen müssen, fällt bei Ihnen ja jedes Mal ein gewisser Betrag weg. Bleibt da genug übrig?
Es geht mir nie um das Finanzielle, ich investiere für dieses Hobby gerne weil es Spaß macht, um Geld geht es mir überhaupt nicht. Die Einnahmen habe ich alle wieder in Schiedsrichter-Ausrüstung investiert. Der Keller ist also voll (lacht). Der Soonwald oder der Hunsrück ist schon so eine Grenze, wo einige nicht wissen, wie man dort organisiert ist. Ich glaube, wenn manche das wüssten, würden sie glaube ich auch über einen Wechsel nachdenken. Es ist schon lukrativer. Da würde ich mir im Südwesten manchmal noch wünschen, dass der Verband sich mehr um seine Schiedsrichter kümmert.

Gibt es auch im Spielbetrieb konkret Sachen, die Sie besser finden, als hierzulande?
Was ich im Rheinland klasse finde, ist die Zeitstrafe im Jugendbereich. Dadurch, dass man die Jugendlichen einfach mal rausschicken kann, ist da viel mehr Ruhe drin. Ich finde alleine als Disziplinarmaßnahme sollte man das überlegen wieder einzuführen. Es hat doch einen Bildungseffekt und der Trainer kann auch nochmal drauf einwirken. Ab der Regionalliga macht das natürlich keinen Sinn mehr, aber von der Verbandsliga abwärts wäre es eine gute Idee.

Finden Sie, dass Ihr Protest von damals etwas verändert hat?
Leider viel zu wenig, aber es wurde zumindest darüber gesprochen. Das Lustige bei meinen ersten Spielen im Rheinland war, dass einige Spieler und Trainer mich bereits daher kannten. Das kann man sicher positiv oder negativ sehen, aber alle mit denen ich mich unterhalten habe, fanden das auch gut. Zumal ich nochmal betonen muss, dass ich das nie ohne Absprache gemacht hätte und alles sehr unglücklich gelaufen ist.

Nahezu in jedem Spiel treffen starke Charaktere aufeinander, die dem Schiedsrichter als Spielleiter das Leben nicht leicht machen. Wie kann und sollte ein Referee sich profilieren?
Ein Schiedsrichter will sich nicht profilieren, das ist der falsche Ausdruck. Ein Schiedsrichter will oder muss sich durchsetzen können, wenn ein Spieler sich profilieren will. Als Schiri bist du ja nicht der Henker auf dem Platz, sondern derjenige der das Spiel leitet oder begleitet. Wenn ein Spieler also meint, er müsste das Kommando übernehmen, jede Aktion kommentieren und ins Lächerliche ziehen, dann musst du die Hand draufhalten, die entsprechenden Konsequenzen oder ein Zeichen setzen und dann ist Ruhe. Hält sich der Spieler auch daran nicht, dann muss er eben gehen.

Trifft man solche Entscheidungen, sprich Platzverweise und persönliche Strafen gerne?
Natürlich nicht. Ich bin total froh, wenn ein Spiel total ruhig war und nichts passiert ist. Dann war es ein gutes Spiel. Lieber nichts los, als wenn ich Hektik habe. Das baucht kein Mensch. Platzverweise bedeuten ja auch für uns immer mehr Arbeit. Dann sitze ich länger im Büro und muss einen ausführlichen Bericht schreiben. Darauf kann ich verzichten, auch wenn es in der Statistik nach meinem Start im Rheinland anders aussah (lacht). Da hatte ich glaube ich meinen schlimmsten Kartenschnitt .

Auch, wenn der Südwesten sicherlich im Verhältnis ein ruhiges Gebiet ist, warum kommt es dennoch immer wieder zu hässlichen Meldungen in denen Schiedsrichter angegriffen werden?
Zunächst muss ich klarstellen, dass eine solche Handlung niemals gerechtfertigt ist. Es ist niemals ein "Ja", "Vielleicht" oder "Das kann ja mal passieren" das ist Fakt. Aber manchmal spielt sicher auch das Verhalten des Schiedsrichters eine Rolle. Damit meine ich Dinge wie Fitness, ob der Schiri den Kopf frei hat, rechtzeitig zum Spiel angereist ist und sich angemessen vorbereitet hat. Kurzum: Wenn ich nicht 100 Prozent fit bin für das Spiel dann mache ich Fehler und die sorgen für Ärger bei den Beteiligten. So kann die ein oder andere situation auch passieren, aber das rechtfertigt nicht, dass man den Schiedsrichter schlägt, tritt oder sonst irgendwie angeht.

Nun gibt es ja auch Spieler, die teilweise sehr geschickt ihre Beschwerden äußern. Lässt sich da etwas machen?
Klar doch, ein Marco Reich zum Beispiel. Er hat von oben herab gelernt, mir dem Schiedsrichter angemessen umzugehen. Nicht beleidigend oder unsportlich, aber schon an der Grenze. Da wirst du als Schiedsrichter schon ab und an nervös, aber du kannst nichts machen. Irgendwann musst du aber die Konsequenzen ziehen, dann wiegeln sich die Kleinigkeiten auf, ansonsten tanzt man dir auf der Nase herum und du gibst das Spiel aus der Hand. Eigentlich versucht man immer mit wenigen Karten auszukommen, aber manchmal hilft diese gutmütige Ader einfach nicht. Das ist ein schmaler Grad.

Wie genau entstehen dann solche Situationen, in denen der Schiedsrichter zu Schaden kommt?
In 20 Jahren wollte mir noch nie einer an die Gurgel oder hat mein Auto verkratzt. Aber ich würde sagen, dass sich auch oft der Frust untereinander hochschaukelt und dieser dann am Schiedsrichter abgelassen wird. Dabei hat der auch mal einen schlechten Tag oder kann das Tor einmal verfehlen, um im Sprachgebrauch zu bleiben. An sich sehe ich das Level an Aggressivität ebenso gleichbleibend, wie das Interval, in dem solche Angriffe passieren. Für unseren Verband ist es sicherlich noch etwas zu hoch, aber im Vergleich zu NRW oder Berlin noch human. Aber man muss aufpassen und irgendwann auch sagen: "Jetzt ist es genug!"

Sie meinen bei den Strafen gegen die Täter härter durchgreifen?
Die länge der Strafen setzt ja der Verband beziehungsweise die Satzung fest, aber wenn es nach mir geht sollte ein Spieler, der einen Schiedsrichter schlägt, mehrere Jahre oder vollständig aus dem Verkehr gezogen werden. Diese Leute sollten wissen, dass sie mit so einer Tat die eigene fußballerische Karriere beenden könnten.

Das ist schon eine ordentliche Hausmarke, die Sie da nennen. Worin sehen Sie dies gerechtfertigt?
Naja drehen wir den Spieß doch einmal um. Was passiert wenn ein Schiedsrichter sich mal gegenüber einem Spieler vergisst und handgreiflich wird? Der wird eliminiert und hochkannt rausgeschmissen. So einen Fall gab es vielleicht noch nicht, aber ich bin mir sicher, dass die Konsequenz die Suspendierung wäre.

Gehen wir weg von diesen unschönen Geschichten, wie ist es im Ihre Zukunft bestellt?
Das mache ich davon abhängig, wie die Leistungschecks und die Gespräche laufen. Was definitiv etwas wehtut, ist die Fahrerei und auch von den Spielklassen her, hätte ich im Südwesten mehr Optionen. Hier pfeiffe ich mehr Teams, in mehr Ligen, die näher dran sind. Beim SWFV hätte ich mehr Abwechslung. Die Perspektive ist allerdings im Rheinland besser, da man dort erst mit 30 aus der Talentförderung raus ist. Im Südwesten dagegen mit 25. In meinem Alter (31, die Red.) plant man höchstens noch mit der Bezirksliga und als Assistent maximal bis zur Oberliga.

Sie schließen eine Rückkehr also nicht aus?
Weil die Sache damals so gelaufen ist, wie sie gelaufen ist, kann ich sagen: Solange Christian Wendel noch Vorsitz in Bad Kreuznach ist, werde ich auf keinen Fall in diesen Kreis zurückkehren. Bad Kreuznach ist also absolut ausgeschlossen, aber egal in welchem Kreis ich hier pfeiffe, der Verein muss nur im SWFV liegen. Schon bei meinem Abschied habe ich meinem ehemaligen Verein (TuS Roxheim, die Red.) versprochen, dass ich wenn dann nur zum TuS zurückkehren würde. Ein anderer Verein spielt da keine Rolle.

Aber Ihr aktueller Verein und der jetzige Fußballkreis macht Ihnen die Entscheidung nicht leichter?
Das ist richtig. Mein Gewissen hängt auf jeden Fall auch am TuS Ellern. Wenn ich mich entscheide, dann aber für drei Jahre. Dies war ein Versprechen, welches ich schon vor einigen Monaten gegeben habe. Das Pokalfinale im Rheinland, das ich als "Verbands-Ausländer" direkt leiten durfte, macht mir die Entscheidung nicht leichter. Wenn du neu im Verband bist, braucht es eigentlich seine Zeit, bis du solche Spiele bekommst. Es gibt ja noch genug andere Kollegen, die darauf hoffen, dieses Bonbon zu bekommen. Das Ganze fällt mir sehr schwer, bereitet mir Bauchschmerzen und schlaflose Nächte, denn ich bin Keiner, der hin und her wechselt. Es war auf jeden Fall wichtig, mal woanders reinzuschauen auch für meine Entwicklung.

Die Frist endet wie bei den Spielern am 30. Juni. So viel Zeit bleibt also nicht mehr.
Das wird eine ganz enge Kiste. Mit den jeweiligen Kreisen sowie deren Obmännern bin ich im Gespräch. Ich werde in beiden Landesverbänden meine Leistungsprüfung ablegen und am Ende entscheiden, wie die Perspektiven in der neuen und den darauffolgenden Saisons ausschauen. Vorstellen könnte ich es mir schon, aber es hängt ja doch an sehr vielen Faktoren. Bis zur Entscheidung heißt es täglich Trainieren, ein paar Kilos verlieren und mit Unterstützung top fit in eine neue Saison starten.

Aufrufe: 07.6.2017, 11:30 Uhr
Martin ImruckAutor