2024-04-29T14:34:45.518Z

Interview
Gesund, fit, energiegeladen: So präsentierte sich Florian Niederlechner (27) bei seinem Heimatbesuch. Foto: Rossmann
Gesund, fit, energiegeladen: So präsentierte sich Florian Niederlechner (27) bei seinem Heimatbesuch. Foto: Rossmann

Profi Niederlechner auf Heimatbesuch beim SV Hohenlinden

„Würde schon noch gerne für Sechzig spielen“

Er hat eine lange Leidenszeit hinter sich. Am 2. November des vergangenen Jahres brach sich Florian „Flo“ Niederlechner im Training die Kniescheibe im rechten Bein. Nach acht Spielen bereits das vorzeitige Saison-Aus für den Stürmer des Bundesligisten SC Freiburg.

Acht Monate danach bereitet sich der Hohenlindener voller Tatendrang auf seine Rückkehr in den Profi-Alltag vor. Besuche beim Physiotherapeuten, Krafttraining oder Laufeinheiten gehören da dazu. Bei einem Heimatbesuch sprach der 27-Jährige mit der Ebersberger Zeitung über den Unfall und seine Folgen, seinen langen Kampf zurück auf den Platz und seine nächsten Ziele.

Herr Niederlechner, man sieht nur die Narbe am Knie. Sie können wieder laufen?

Florian Niederlechner: Ja, alles funktioniert wieder. Ich bin fit für die neue Saison.

Es war die schwerste Verletzung in Ihrer Karriere?

Ja, auf jeden Fall. Ich hatte mal einen Innenbandanriss im Knie, aber da war ich nach drei Wochen wieder auf dem Platz und nicht erst nach sieben Monaten.

Wie war es Anfang November überhaupt dazu gekommen?

Ich hab im Trainingsspiel den Ball gehabt, als ein Mitspieler auf mich zu gelaufen kam und nicht mehr ausweichen konnte. Das war ein unglücklicher Zusammenprall mit meinem Knie. Ich hab sofort gemerkt, dass da mehr kaputt war. Glücklicherweise war unser Teamarzt sofort zur Stelle. Er hat mir noch auf dem Platz die Diagnose Kniescheibenbruch mitgeteilt und von sechs Monaten Ausfall gesprochen.

Das war ein Schock.

Natürlich. In der Kabine auf der Liege bin ich zum Überlegen gekommen und habe es dann erst richtig realisiert. Da sind sogar Tränen bei mir geflossen. Von einer auf die andere Sekunde fällst du sechs Monate aus – das ist schon heftig.

Wie ging es dann weiter?

Ich bin in die Uni-Klinik gebracht, dort geröntgt und sofort operiert worden. Nach drei Tagen durfte ich aber schon wieder raus aus der Klinik.

Und ab in die Reha?

(lacht) Ja, dann ging es los. Das war schon krass, wenn du nichts mehr mit dem Bein machen kannst. So was habe ich noch nie gespürt. Du verlierst deine Muskulatur, deine ganze Kraft und kannst das Bein gar nicht mehr abwinkeln. Einige Tage konnte ich es gar nicht heben. Das wurde erst langsam besser. Nach zwei Wochen waren das erst 40 Grad, dann 60, nach sechs Wochen 90 Grad. Aber noch lange kein Anschlag am Oberschenkel.

Das heißt, das Fahrrad wurde zu Ihrem besten Freund?

Und wie…. (lacht). Das war das erste, was ich wieder machen durfte. Ich musste ja an meinem rechten Bein wieder Muskulatur aufbauen. Statt einem Baum war da ja nur noch ein Bambus (lacht). Zuerst war ich auf so einer Art Bewegungsmaschine, dann das Ergometer, irgendwann wieder das normale Fahrrad. Es ist halt gut für mein Knie. Aber jetzt möchte ich so lange wie möglich kein Fahrrad mehr fahren (lacht).

Dennoch hat es lange gedauert.

Ja, es ging halt nur stückchenweise voran. Die Muskulatur wuchs fast gar nicht, obwohl ich täglich zweimal Krafttraining absolvierte. Ich war zwar beim bekannten Physio Klaus Eder in Donaustauf, doch die Drähte und Schrauben im Knie behinderten den Fortschritt. Mit denen ging gar nichts voran. Erst als sie heraus waren.

Also nochmals unters Messer?

Ja, nach vier Monaten ging das. Eigentlich sollte das Metall drin bleiben. Doch ab dem Zeitpunkt, wo es raus war, ging es wieder besser.

Dennoch war es eine schwere Zeit. Da half bestimmt der viele Zuspruch von den Teamkollegen, der Familie und guten Freunden.

Klar, ohne die geht es nicht. Es haben so viele angerufen und mir gute Besserung gewünscht. Im Krankenhaus haben mich beispielsweise sofort mein Bruder und mein Papa besucht. Für meine Familie war das auch ganz schwer.

Und Ihr Trainer Christian Streich?

Er war auch sehr schockiert. Für den Verein lief es zu dem Zeitpunkt ja nicht so gut, und ich war gut drauf und hatte mir so viel für die Saison vorgenommen.

Die Besuchsrate und der Zuspruch im Krankenhaus war da sicherlich hoch...

Ja, das war schön zu sehen, und dafür bin ich auch sehr dankbar. Unser Freiburger SC-Präsident Fritz Keller hat mir beispielsweise sogar ein Hendl mit Kartoffelsalat ans Bett gebracht (lacht). Mein Krankenzimmer war überhaupt voller Süßigkeiten.

Das erleichtert die Situation, oder?

Das war für mich die moralische Unterstützung, die ich gebraucht habe.

Aber wie sind Sie mit dieser psychischen Belastung klar gekommen?

Ich bin ein positiv denkender Mensch und habe nicht groß gehadert. Da wirst du ja blöd, wenn du nur herumheulst.

Also wurden Sie zum Fußball-Profi auf der Spielekonsole bei FIFA18?

(lacht) Ja, irgendwie schon. Aber ich hatte ja ständige Begleiter, wie meine Mitspieler Amir Abrashi oder Mike Franz, die ebenfalls verletzt waren und mit denen ich ganze Nachmittage gespielt habe. Da hatte ich manchmal bestimmt viereckige Augen (lacht). Aber ich habe in der langen Zeit auch viel mit meinen Kumpels wie Christian Günter oder Pascal Stenzel unternommen, um Ablenkung zu kriegen vom Reha-Alltag.

Waren Sie denn auch im Freiburger Stadion?

Ja, natürlich, bei fast jedem Heimspiel und manchen Auswärtsspielen.

Auch bei Ihrem Heimatverein, dem Kreisligisten SV Hohenlinden?

Ja, da war ich zweimal beim Zuschauen. In der Mannschaft ist aber jetzt nur noch Matthias Frick, mit ich zusammen gespielt habe. Und so viel Zeit hatte ich ja nicht, wenn ich daheim war. Familie und Freunde besuchen, etwas gemeinsam unternehmen, das war mir wichtig. Mit meinem Bruder Andreas war ich beispielsweise in Schladming beim Weltcup-Slalom. Für so etwas hast Du unter der normalen Saison ja sonst keine Zeit.

Das sind ungeahnte Freiheiten, die man als Profi nicht hat.

Ich hatte durch die Verletzung halt die Zeit, wieder einmal Dinge zu machen, die ansonsten in dieser Ausführlichkeit nicht gehen – das ist richtig.

Wann haben Sie denn das erste Mal wieder gegen einen Ball getreten?

Das war Ende April/Anfang Mai. Ein schönes, erlösendes Gefühl, das einen glücklich macht. Ich habe mich ja auch schon gefreut, als ich wieder richtig laufen konnte. Aber am Ball ist dann schon wieder was anderes. Nach zwei Wochen konnte ich sogar schon wieder einen Seitfallzieher machen.

Das Knie hält?

Es hält (lacht). Ich spüre nichts mehr, kann wieder normal in die Zweikämpfe gehen und voll belasten.

Aber dass Sie dem SC Freiburg im Abstiegskampf noch helfen könnten, war damals kein Thema?

Nein, das war klar, dass das Spielen nicht mehr geht. Ich war ja noch nicht voll im Mannschaftstraining dabei, sondern habe nur meine Aufgaben an der Seite erledigt.

Wie groß ist die Vorfreude auf den Trainingsstart am 2. Juli?

Riesig, ich brenne drauf. Ich habe ja auch einiges nachzuholen – ein halbes Jahr Pause reicht, oder? (lacht)

Ihre Wünsche für die bevorstehende Saison 2018/19 sind?

Gesund und fit bleiben, und dem SC Freiburg mit guter Leistung und Toren helfen. Wir müssen alle dafür in der Vorbereitung hart arbeiten und wollen eine richtig gute Runde spielen.

Vor sechs, sieben Jahren war es für Sie noch die Bayernliga, nun stürmen Sie das dritte Jahr schon in der Bundesliga. Die Entwicklung, die sie genommen haben, ist ja beeindruckend. Gibt es da noch Ziele?

Premier League wäre sicherlich eines. Die Liga in England ist für mich die beste der Welt, aber kein Thema. Ich bin sehr glücklich in Freiburg. Ich habe hier viel Spaß, viele Freunde, genieße viel Anerkennung im Verein und bei den Fans und fühle mich wohl. Da brauche ich mir über einen Wechsel nicht viele Gedanken machen.

Und was ist mit einer Rückkehr nach München? Ihre ganze Familie bekennt sich ja zu den Blauen des TSV 1860, und Sie waren einige Jahre im Nachwuchs der Löwen aktiv.

(lacht) Das stimmt schon, im Ibiza-Urlaub mit meinem Spezl Vitus Eicher (Anmerkung der Redaktion: Torwart beim 1.FC Heidenheim/2. Liga, mit dem Niederlechner in der Jugend bei 1860 zusammen spielte) habe ich den Löwen die Daumen in der Relegation gedrückt und die Spiele gegen Saarbrücken im Livestream geschaut.

Also doch bald Sechzig?

Nein, (lacht), das ist für mich selber ganz weit weg. Irgendwann in ferner Zukunft ist das vielleicht mal denkbar. Da würde ich schon noch gerne für Sechzig spielen. Wann und wo kann ich nicht sagen. Freiburg ist nach Hohenlinden meine zweite Heimat geworden.

Das Interview führte Olaf Heid.

Aufrufe: 025.6.2018, 10:40 Uhr
Ebersberger Zeitung / Olaf HeidAutor