2024-06-14T14:12:32.331Z

FuPa Portrait
Jürgen Press hängt bei Deportivo Valdivia in Chile noch ein Jahr dran. Foto: Hernandez/Valdivia
Jürgen Press hängt bei Deportivo Valdivia in Chile noch ein Jahr dran. Foto: Hernandez/Valdivia

Press' Abenteuer geht weiter

Der Regensburger Trainer hat turbulente Monate hinter sich. Trotz der Unruhen fühlt er sich richtig wohl in Chile.

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Chile ist ein fußballverrücktes Land. Über Fußball sprechen dort derzeit aber nur wenige. Das südamerikanische Land steckt in einer großen Krise. Seit mehreren Wochen demonstrieren Tausende Chilenen gegen die hohen Kosten im Nahverkehr, im Gesundheitssystem und gegen Niedriglöhne. Die Proteste schlugen immer wieder in Gewalt um. Auch am Rande von Fußballspielen kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, die mittlerweile schon 23 Todesopfer gefordert haben sollen.

Die Unruhen haben auch dazu geführt, dass der chilenische Fußballverband ANFP die Saison in der ersten und zweiten Liga vorzeitig für beendet erklärt hat. Heuer wird es keinen Aufsteiger und keinen Absteiger geben. Und Letzteres interessiert vor allem einen Regensburger. Durch das vorzeitige Saisonende feierte Jürgen Press mit dem Zweitligisten Deportivo Valdivia den Klassenerhalt. Press, der früher unter anderem als Co-Trainer beim Jahn und Chefcoach in Ingolstadt und Burghausen fungiert hatte, weilt seit Juni in Südamerika und arbeitet in Valdivia als Sportdirektor. Weil es sportlich nicht recht rund lief, sprang Press im Oktober zusätzlich auch noch als Trainer ein. Für den Tabellenletzten standen eigentlich noch drei Spiele auf dem Programm. Und das bei sechs Punkten Rückstand auf den Vorletzten. Da hätten wir ein kleines milagro, ein kleines Wunder, gebraucht”, sagt Press, der durch seine zahlreichen Aufenthalte in Mittel- und Südamerika gut spanisch spricht.

Verständnis für Demonstranten
Die Entscheidung, das Fußballjahr vorzeitig zu beenden, kommt seinem Klub natürlich gelegen. Ganz abgesehen davon, hat Press aber absolutes Verständnis für die Demonstranten: Es ist alles unglaublich teuer hier. Teilweise teurer als in Deutschland - und das bei einem deutlich geringeren Lohnniveau.” Ganz Chile sei in den ersten Wochen auf den Straßen gewesen. Press berichtet sogar von einer Ausgangssperre. Da mussten wir von acht Uhr abends bis 7 Uhr in der Früh alle zu Hause bleiben.”

Zu Gewalt kommt es vor allem in der Hauptstadt Santiago. Hier ist das Leben nicht gefährdet”, sagt Press über seine aktuelle Wahlheimat Valdivia. Die Stadt habe generell Ähnlichkeiten mit Regensburg. Im Videotelefonat mit der Mittelbayerischen gewährte er einen kurzen Einblick in sein neues Zuhause. Vom neunten Stock seines Appartements blickt Press auf einen der zwei Flüsse in der 150000-Einwohner-Stadt, in der es ebenfalls viele Studenten gibt. Zudem hat Press den Pazifik fast vor der Haustüre. Aber dorthin hat es ihn bisher erst einmal gezogen. Ich bin ja schließlich zum Arbeiten hier”, erzählt er und schmunzelt.

In Chile fühlt sich Press richtig wohl. Chile hat wenig mit Südamerika zu tun”, sagt Press und fügt hinzu: Die Chilenen haben sehr viele deutsche Tugenden verinnerlicht und einen Schuss Zuverlässigkeit mehr als das woanders der Fall ist. Das erleichtert den Umgang natürlich sehr - sowohl privat, aber vor allem auch in der Arbeit.

Doppelfunktion in Valdivia
Die Ansiedlung zahlreicher Deutscher, Österreicher und Schweizer im 19. Jahrhundert hat Chile geprägt. Meine Friseurin heißt Barbara Hölzl”, berichtet ein schmunzelnder Press. Er hat noch nicht genug von Chile. Ganz im Gegenteil! Der 53-Jährige hat für ein weiteres Jahr unterschrieben. Dieses Mal in Doppelfunktion als Trainer und Sportdirektor. Es macht mir unheimlich Spaß, hier zu arbeiten. Dieses interessante Projekt hier will ich noch weiter begleiten”, erklärt Press, der die chilenische zweite Liga vom Niveau her mit der 3. Liga in Deutschland vergleicht.

Press hofft, dass bald im Land wieder Ruhe einkehrt und die neue Saison wie geplant am 21. Januar starten kann. Zuvor gönnt er sich eine Verschnaufpause. Weihnachten verbringt er gemeinsam mit seiner Frau Doris in Chile. Im Januar wird Press dann mal wieder in Regensburg vorbeischauen. Aber nur kurz. Denn dann ruft das Abenteuer in Chile wieder. Am 12. Januar geht es von Regensburg aus aber wieder zurück ins rund 13000 Kilometer entfernte Valdivia. Und dann will Press mit Valdivia mit Abstiegssorgen nichts mehr zu tun haben.

Die Stationen
Co-Trainer: Beim SSV Jahn Regensburg feierte Jürgen Press als zweiter Mann zwei Aufstiege - den ersten unter Cheftrainer Karsten Wettberg in die damalige dritte Liga, die Regionalliga Süd. Der zweite gelang 2003 mit Günter Sebert in die zweite Liga.

Ausbildung: Press hatte seit 1989 die A-Lizenz, machte 2009 seinen Fußballlehrer. Auslandsstationen waren Brasilien, Kuba, Panama, Costa Rica und Nigeria.

Aufrufe: 020.12.2019, 18:00 Uhr
Felix KronawitterAutor