2024-05-02T16:12:49.858Z

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"Ich bin keiner, der da hinterherweint": Zingerle, seit vier Jahren nicht mehr in München, ist zufrieden in Paderborn. Foto: mis
"Ich bin keiner, der da hinterherweint": Zingerle, seit vier Jahren nicht mehr in München, ist zufrieden in Paderborn. Foto: mis

Paderborns Zingerle: "Einmal im Jahr bin ich gegen Bayern"

Ex-Reserve-Keeper im Interview

Bis 2015 hielt Leopold Zingerle den Kasten der FCB-Amateure sauber. Inzwischen steht er beim SC Paderborn im Tor und freut sich auf den Pokalkracher gegen die "großen Bayern".

“Schade“, sagt Leopold Zingerle – und da hat er Recht. Weil beim SC Paderborn vor der Saison beschlossen wurde, dass im Pokal der zweite Torhüter Michael Ratajczak spielen darf, muss der 23-Jährige heute (18.30 Uhr) ausgerechnet gegen seinen Heimatverein zusehen. Das Münchner Kindl, bis 2013 elf Jahre lang beim FC Bayern, ist aber ein echter Sportsmann: „Ich finde es fair, wenn es dabei bleibt.“ Über das für ihn besondere Spiel spricht der eigentliche Stamm-Keeper des Drittliga-Tabellenführers trotzdem im Merkur-Interview.

Herr Zingerle, Fußballer denken ja gerne „von Spiel zu Spiel“ – wie schwer fällt das in einer Woche, in der die Bayern kommen?

So ein Spiel wirft schon seine Schatten voraus. Es ist mehr Aufmerksamkeit da, mehr Medienpräsenz, man merkt, dass da was Besonderes ansteht. Trotzdem haben wir das bisher gut hinbekommen. Hoffe ich zumindest (lacht).

Nach der Auslosung ging in Ihrem Team-Chat die Nachricht rum: „Gegen die Bayern können wir auch in Laufschuhen spielen.“ Sie ziehen aber schon Fußballschuhe an, oder?

Das Wort Laufschuhe ist in der Tat gefallen (lacht), aber keine Sorge: Wir laufen schon mit Stollen auf. Trotzdem müssen wir läuferisch eine enorme Leistung bringen.

Wie steht es denn um den Rasen im Stadion?

Ich sag mal so: Unser Rasen ist nicht in Top-Form. Auch für uns wird es also eine kleine Überraschung.

Ihre Mannschaft ist aber geübter darin, auf nicht allzu gepflegtem Rasen zu spielen. Die Bayern taten sich in Mainz schwer.

Das könnte gut sein. Für uns ist das gewohntes Terrain – für die Bayern nicht. Aber unserem Spiel würde ein guter Rasen schon auch nicht schaden.

Wie muss man denn gegen die Bayern spielen?

Es wird wichtig sein, dass wir uns selber treu bleiben. Das hat uns in dieser Saison erfolgreich gemacht, dass wir immer unser Spiel durchsetzen. Gegen Bayern werden wir das nicht immer machen können. Die sind eine Nummer ballsicherer als wir. Die Herausforderung wird sein, ohne Ball alles richtig zu machen.

Sven Ulreich sagte am Samstag: „Die werden sich hinten reinstellen und auf Konter lauern.“ Der hat noch kein Spiel von Ihnen gesehen, oder?

Ohne ihm da zu nahe treten zu wollen: Es sieht so aus (lacht).

Eine Zeitung aus der Region Paderborn hat zehn Gründe veröffentlicht, aus denen der SC die Partie gewinnen könnte. Einer davon war der Rasen – der andere Sie als Geheimagent.

Das wäre schön – aber ich glaube, dass ich da nicht mehr ganz so gut in geheimer Mission unterwegs sein kann. Klar kenne ich noch ein paar Spieler, habe auch unter Jupp Heynckes die ein oder andere Einheit mitgemacht. Aber ich bin jetzt schon zu lange weg für aktuelle Eindrücke. Und mal ehrlich: Man sieht die Bayern jede Woche – da muss man kein Geheimagent sein.

Und trotzdem ist es für Sie ein doppelt besonderes Spiel, oder?

Natürlich. Ich bin in dem Verein groß geworden. Wenn du dann wirklich mal in einem Pflichtspiel auf die Bayern triffst, ist das noch mal etwas anderes als in der Saisonvorbereitung. Das ist ja wirklich mein erstes Mal, zumindest gegen die „großen“ Bayern, wie man so schön sagt.

Jubeln Sie bei einem Sieg überhaupt?

Wenn wir gegen Bayern weiterkommen würden, glaube ich nicht, dass ich mich zurückhalten könnte. Ein Mal im Jahr bin ich also gegen die Bayern. Ich glaube, sie werden mir verzeihen.

Sie waren unter Jupp Heynckes 2012 das erste Mal mit in Katar. Waren Sie ehrfürchtig?

Die Erinnerung ist total eingeprägt. Das war für mich eine riesengroße Sache. Ich konnte es – im Nachhinein gesagt – aber nicht so genießen, wie ich es mir jetzt wünschen würde. Dazu war ich zu ehrgeizig. Trotzdem war es eine Ehre.

Heynckes gilt als einer, der jeden fördert. Auch die jungen Spieler damals?

Das war eine harmonische Einheit, genau so, wie es die Spieler jetzt auch wieder sagen. Da muss man aber auch Peter Hermann und Hermann Gerland erwähnen, die sich da auch viel Zeit für uns genommen haben. Es ist kein Wunder, dass er die beiden wieder dabei haben wollte. Das ist ein perfektes Trio.

Bei Ihrem zweiten Auftritt in Katar traten Sie gegen Pep Guardiola im Elfmeterschießen an. Pep schoss und traf vier Mal.

Im Nachhinein kann ich darüber lachen, in dem Moment war mir gar nicht bewusst, wie das jetzt rüberkommt. Es gibt ja Schlimmeres, als gegen Pep ein paar zu kassieren (lacht).

Heynckes hat es aber nie versucht, oder?

Nein. Zum Glück. Ich erinnere mich nicht, dass der jemals verschossen hat (lacht).

Wie war die Zeit damals: Zwischen Amateuren und Profis, Regionalliga und Champions League?

Total förderlich. Es war mir in dem Moment schon bewusst, was das für eine Bedeutung hat, wenn man nur dabei sein kann. Klar war es am Anfang schwierig vom Niveau her. Aber die Einheiten, das Training mit Weltstars haben mich enorm nach vorne gebracht.

Was geht einem als Ersatzkeeper auf der Bank durch den Kopf, wenn Bayern gegen Real spielt. „Manuel Neuer, bitte verletz’ Dich nicht“?

Beim ersten Mal, wenn einem bewusst wird, um was es da jetzt heute geht, denkt man schon: Ich weiß nicht, ob sich der Manu unbedingt heute verletzen sollte. Aber jetzt sage ich: Wenn ich die Chance gehabt hätte, da mal reinzukommen, wäre es cool gewesen. Dann hätte ich sagen können, ich habe in der Champions League gespielt.

Viele junge Spieler träumen von dem Sprung zu den Profis. Gab es bei Ihnen diesen einen Moment, in dem Sie gemerkt haben: Es reicht nicht bei Bayern?

Das hat sich nach und nach herauskristallisiert. Ich war ja nur bei Verletzungen bei den Profis und sonst bei den Amateuren. Die vierte Liga war eine gute Zeit, aber irgendwann will man auch persönlich weiterkommen. Deswegen war es für mich klar, dass es sinnvoller ist, in einer niedrigeren Liga Spielpraxis zu bekommen. Ich bin keiner, der da hinterherweint. Sondern glücklich, wie alles gelaufen ist.

Sie schwärmten von der räumlichen Nähe zu den Profis, die Sie als Jugendspieler hatten. Das Nachwuchsleistungszentrum ist nun weit weg von der Säbener Straße.

Das neue Zentrum bringt aber trotzdem viele Vorteile. Ich plane für einen meiner nächsten Heimatbesuche eine Stippvisite. Und ich habe gehört, dass Platz, Räumlichkeiten und Arbeitsmöglichkeiten beeindruckend sind. Wir hatten auch super Bedingungen, aber das jetzt ist noch mal ein bis zwei Schritte weiter. Und die Allianz Arena ist ja immerhin in Sichtweite. Das ist doch Motivation genug.

Tom Starke ist für die Torhüter verantwortlich. Auch Sie haben viel von ihm gelernt, oder?

Sehr viel sogar. Ihn noch mal zu treffen, freut mich fast am meisten. Der kommt aus dem Ruhestand nach Paderborn – das ist doch schön (lacht).

Eine Meisterfeier haben Sie schon miterlebt, eine Aufstiegsfeier – oder einen Pokal-Erfolg gegen die Bayern – noch nicht.

So ist es. Mir wurde gesagt, dass eine Aufstiegsfeier ziemlich nah an eine Meisterfeier kommt. Es wäre schön, wenn ich das erleben würde. Und den Pokal-Sieg gegen die Bayern würde ich schon auch mitnehmen (lacht).


Aufrufe: 06.2.2018, 11:05 Uhr
Hanna Raif - Münchner MerkurAutor