Für Robert Preuer (50), Jugendgeschäftsführer des TuS Kranenburg, zeugt die Aktion von wenig Fingerspitzengefühl. Was er meint, ist eine aktuelle Kampagne des Fußballvereins BVC‘12 aus Beek. Der Klub ist direkt hinter der Grenze zu Hause und will seine Jugendabteilung vergrößern. Dabei helfen soll Nachwuchs aus Deutschland.
So ziehen Vereinsmitglieder des BVC‘12 derzeit durch die Dörfer Wyler und Zyfflich, werfen Flugblätter in Briefkästen und klingeln an Haustüren. „110 Jahre BVC wird Mitglied für 110 Euro“, steht auf den Flyern. Kleingedruckt heißt es am Ende wie bei einem abgeschlossenen TV-Abo: Wer nicht rechtzeitig kündigt, bleibt automatisch Mitglied. Es geht dem Beeker Verein jedoch nicht allein um Spieler. Auch Sponsoren sollen in Deutschland gewonnen werden. Beim TuS Kranenburg geht man nicht davon aus, dass die Werbeaktion der Niederländer Früchte trägt. „Wir sind so gut aufgestellt und machen uns hier keine Sorgen“, sagt Preuer.
Dabei hat der BVC‘12 reichlich Jugendmannschaften. Für ein 3500 Einwohner großes Dorf sogar extrem viel. Aber offenbar nicht genug. 210 Nachwuchsspieler verteilen sich auf 16 Mannschaften. Hinzu kommen zwei Altherren- und zwei Seniorenteams. Der Verein besitzt 750 Mitglieder. Doch denkt man hier an die Zukunft. Der Königliche Niederländische Fußballbund (KNVB) hat prognostiziert, dass auf Dauer nur Vereine eine Perspektive haben, die mehr als 1000 Mitglieder besitzen. Dabei sollen die in Deutschland wohnenden Jugendlichen offenbar helfen.
Für den Vorsitzenden des Beeker Fußballvereins ist die Aktion legitim. „Wir ziehen lediglich durch die Orte, in denen es keine Jugendabteilung mehr gibt“, sagt Paul Braam (54), der in Zyfflich wohnt. So spart man sich etwa das niederländische Groesbeek aus, wo es mehrere Vereine gibt. Doch wohnen auch in Wyler noch einige Nachwuchsspieler. Insgesamt knapp 20. So bilden unter anderem die A-Jugendlichen des SV Wyler-Zyfflich zusammen mit dem TuS Kranenburg eine Mannschaft. Der BVC ‘12-Vorsitzende wohnt in Zyfflich und hat einige Jahre den SV Wyler-Zyfflich trainiert. Er kennt sich also aus. Für ihn ist die Entfernung zu den Sportplätzen ein Argument, sich um Verstärkung zu bemühen. „Man ist aus Zyfflich schneller in Beek als in Kranenburg“, erklärt er. Aus Wyler aber schon nicht mehr. Für den Verein aus Beek dreht ein Urgestein des Klubs seine Runden und verteilt die Zettel. „Bennie ist 72 Jahre alt und für uns unterwegs. Ob sich schon Spieler angemeldet haben, weiß ich nicht. So lange läuft die Aktion noch nicht“, sagt Braam.
Für den niederländischen Verein wären mehr Mitglieder in diesem Jahr so etwas wie ein Geschenk zum Geburtstag. Denn der Klub feiert sein Jubiläum. Auf 110 Jahre Vereinsgeschichte kann der BVC ‘12 zurückblicken. Damit der Einsatz in der Grenzregion auch Früchte trägt, gibt es für Wechselwillige Präsente. Jedes neue Mitglied wird mit einem Trikot und Fußball, Trainingsanzug und Sporttasche ausgestattet. Alles umsonst gibt es bei den niederländischen Fußballern jedoch nicht. Den Vereinsbeitrag muss auch jedes Neumitglied überweisen. 110 Euro sind fällig. Dafür darf man den Rest dieser Saison hier spielen und die nächste Runde 2022/23.
Paul Braam erklärt: „Wir müssen an die Zukunft denken. Wir sind jetzt ein gesunder Verein. Aber wie lange bleibt das so?“ Erst im vergangenen Jahr wurde Braam zum neuen Vorsitzenden gewählt. Er hat einen Dreijahresplan vorgelegt. Dazu gehöre auch, das Potenzial jenseits der Grenze im Auge zu behalten, so berichtet de Gelderlander. Ebenso die finanzielle Unterstützung. Was die Beiträge betrifft, so liegen die Niederländer trotz des Jubiläumsrabatts immer noch knapp über denen des TuS Kranenburg. Hier kostet er ohne Geburtstagsnachlass 72 Euro jährlich. Das zweite Familienmitglied zahlt denselben Betrag. Alle weiteren sind frei. Regulär muss ein 14-Jähriger in Beek 180 Euro bezahlen, Senioren 270 Euro. Die beiden Vereine SV Nütterden und TuS Kranenburg haben zusammen mehr als 900 Mitglieder. Im Nachwuchsbereich bilden die Klubs eine Spielgemeinschaft. 16 Teams gibt es. Doch könnten es noch drei mehr sein. Allein Trainer sind Mangelware.
Michael Heyl, Vorsitzender des SV Wyler-Zyfflich, ärgert sich über die Werbeaktion. „Ich sehe das kritisch. Doch bin ich mir sicher, dass nicht einer meiner Jungs durch den Handzettel den Verein wechseln wird“, sagt er. Für ihn steht fest, dass man sich nicht für einen Klub entscheidet, weil der Weg zum Sportplatz kürzer ist. „Wir bieten immer noch Jugendfußball an. Nur eben gemeinsam mit dem TuS. Dafür brauchen wir den BVC ‘12 nicht.“
Etliche Wyleraner sind Mitglied beim SV Wyler-Zyfflich oder beim TuS Kranenburg. Einige fühlten sich von der Werbeaktion überfallen. „Die laufen hier teilweise durch die Gärten. Wir wollten schon die Polizei rufen“, sagt ein Anwohner. Er ist Mitglied beim TuS, kennt die Situation im Verein. „Es wird unter anderem damit geworben, dass die Nachwuchsabteilung des TuS es in absehbarer Zeit schwer haben wird. Ich weiß, dass es nicht stimmt“, so der Wyleraner. Für SV-Vorsitzender Heyl steht auch fest: „Wenn wir das bei unseren Nachbarn tun würden, dann wird hier ein ganz großes Fass aufgemacht.“