2024-05-02T16:12:49.858Z

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Hat seinen Spielern keinen Trainingsplan mitgegeben: Arnoldsweilers Coach Thomas Virnich (hinten links), hier gegen Wegberg-Beeck.
Hat seinen Spielern keinen Trainingsplan mitgegeben: Arnoldsweilers Coach Thomas Virnich (hinten links), hier gegen Wegberg-Beeck. – Foto: Michael Schneiders
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„Nicht den Zeitdruck wie die Profis“

Coronavirus: Der Spielbetrieb im Amateurfußball ruht bis mindestens 19. April. Nur Individualtraining möglich.

Wenn man sich mit Thomas Virnich über die aktuelle Situation im Amateurfußball unterhält, wird schnell klar: Der 50-Jährige ist eben nicht nur Trainer des Mittelrheinligisten Viktoria Arnoldsweiler. In seinem Sportgeschäft, das wie unzählige andere Geschäfte für den persönlichen Besuch geschlossen ist, arbeitet er die Bestellungen ab.

Dabei kreisen seine Gedanken häufig um die Ausbreitung des Coronavirus und seine Folgen für die Menschen, besonders die gesundheitlichen: „Wichtig ist, dass alle Erkrankten wieder gesund werden. Und wenn dann irgendwann einmal wieder Fußball gespielt werden kann, dann ist das eine schöne Sache.“ So plagt ihn schon mal das schlechte Gewissen, wenn er sich die Frage stellt, wann denn wieder der Ball rollt.

Bis zum 19. April ruht der Spielbetrieb vorläufig. Trainiert werden darf wegen der Ansteckungsgefahr auch nur individuell.

Voller Bewegungsdrang

„Ich habe den Spielern keinen individuellen Trainingsplan mitgegeben“, sagt er und fährt fort: „Die liegen nicht auf der Couch, die sind so voller Bewegungsdrang, die halten sich aus eigenem Antrieb schon so fit, dass wir, wenn es nötig sein sollte, innerhalb einer Woche den Spielbetrieb wieder aufnehmen können.“

Doch wann wird der Ball wieder rollen? „Es wäre auf jeden Fall gut, wenn die Spielzeit ein vernünftiges Ende finden würde“, sagt Virnich und fügt schmunzelnd hinzu: „Wir stehen ja auch noch im Halbfinale des Mittelrheinpokals. Ich hätte nichts dagegen, wenn man uns direkt in den DFB-Pokal setzen würde.“

Im Hintergrund basteln Virnich und die Verantwortlichen der Viktoria an der Zusammenstellung des Kaders für die kommende Saison: „Leider kann ich mich mit den Spielern nicht treffen. Ich setze mich lieber mit ihnen zusammen, als dass ich telefoniere. Es geht aber im Interesse der Gesundheit nicht anders.“

Die Folgen des Coronavirus haben Coach Jochen Küppers, Spieler und Verantwortliche des Landesligisten Union Schafhausen früher als andere Vereine zu spüren bekommen. Im Kreis Heinsberg, dem am meisten betroffenen Kreis in Deutschland, fielen bereits Spieltage aus, als Corona in anderen Regionen nur ein Wort war. Trainer und Kicker haben schon vor Wochen die Situation angenommen: Nach den Auswärtspartien haben sie ihre Trikots selbst gewaschen, sind nach dem Training verschwitzt nach Hause gefahren und haben sich dort geduscht. „Uns war schnell klar, dass wir in die aktuelle Situation geraten würden“, sagt Küppers.

Und so haben sich die Unioner auch mit der aktuellen Lage schnell arrangiert und auf sie reagiert: „Natürlich hoffen wir, dass die Menschen gesund bleiben oder wieder gesund werden, aber wir machen uns auch Gedanken, wie es, wenn die Lage sich entschärft hat, weitergehen kann“, sagt Küppers, der dem Fußballverband vorwirft, nicht auf die Wettbewerbsnachteile für die Heinsberger Clubs reagiert zu haben: „Wir konnten nicht trainieren, durften keine Heimspiele austragen und mussten trotz Ansteckungsgefahr die Auswärtsspiele bestreiten.“

Jetzt gebe es diesen Wettbewerbsnachteil nicht mehr. Nun könne man sich Gedanken machen, wie die Saison fortgesetzt werden könnte und die 14 ausstehenden Spieltage absolviert werden könnten, wobei Küppers auch weiß, dass die Interessenlagen der Vereine unterschiedlich sind. Als Tabellendritter mit nur zwei Punkten Rückstand auf Primus Glesch/Paffendorf mischt die Union im Aufstiegsrennen mit. Und wünscht sich eine Fortsetzung der Saison.

Selbst eine sechswöchige Pause sieht Küppers nicht als Problem an: „Man könnte die Spielzeit bis maximal zum 16. August und die Wechselfristen entsprechend bis zum 1. September verlängern.“ Den Kreispokal würde Küppers ausfallen lassen. Das klassenhöchste Heinsberger Team aus der Saison 20/21 solle den Fußballkreis dann im DFB-Pokal vertreten. „Ein Gedankenspiel, wie die Fortsetzung möglich sein sollte“, sagt Küppers und fährt fort: „Wir gehen von der Fortsetzung aus und arbeiten entsprechend darauf hin.“ Will heißen: Jeder Spieler erhält jeden Sonntag einen Trainingsplan für die folgende Woche, in dem nicht nur die Laufeinheiten festgelegt sind, sondern auch Stabilitätsübungen beispielsweise für den Garten aufgezeigt werden. Der Trainer überprüft seine Kicker mittels Apps und will sie auch mit Anreizen bei Laune halten: „Wir küren zum Beispiel den Trainingsmeister.“ Die Kicker haben (noch?) Spaß am individuellen Training. In der WhatsApp-Gruppe geht es lustig zu. Da wird zum Beispiel gefrotzelt, wenn sich ein eigentlich lauffauler Mitspieler als eben lauffleißig präsentiert.

Mit Blick auf die Situation des A-Junioren-Bundesligisten von Alemannia Aachen könnte man vielleicht vermuten: Die Alemannia hat nichts dagegen, wenn die Saison abgebrochen wird und die Spielzeit 20/21 mit den Teams fortgesetzt wird, die 19/20 der Bundesliga angehören. Alemannia Aachen ist schließlich Tabellenletzter. Vier Punkte liegt das Team vom rettenden Platz entfernt.

Doch Sascha Eller, Trainer des Erstligisten und Jugendkoordinator der Alemannia, widerspricht vehement: „Nein, ich bin ein zu ehrgeiziger Sportler. Kampflos möchte ich nicht die Klasse halten. Einen Abbruch fände ich schlecht, die Entscheidung, wer welcher Liga angehört, muss sportlich fallen. Und wenn man abgestiegen ist, dann ist man abgestiegen – oder eben gerettet.“

Auf den Klassenerhalt setzen Eller und seine Nachwuchsspieler. Auch er gibt den Spielern Trainingspläne mit an die Hand. Laufeinheiten sind natürlich angesagt, aber auch „wahnsinnig gute Kraftübungen, die sie zu Hause machen können“. Und auch Übungen mit dem Ball – in den vier Wänden oder eben beim Laufen im Wald: „Jeder hat ein Spielgerät zu Hause. Und mit dem Ball im Wald laufen, ist halt auch keine schlechte Technikschulung.“ Um das individuelle Training aufzulockern, setzt Eller auch auf den Faktor Spaß: „Ich werde die Jungs vor Herausforderungen stellen. Da kann es denn auch sein, dass der Verlierer beim nächsten Mannschaftstraining das pinke Leibchen tragen muss.“

Kontrolliert hat der Coach seine Spieler noch nicht. Aber diese Kontrolle wird kommen. In einer Fortsetzung der Saison sieht Eller kein Problem: „Wir brauchen nur noch sechs Spiele auszutragen. Die bekommen wir auch in Englischen Wochen untergebracht.“

Natürlich bastelt Eller bereits am neuen Kader: Es gibt Spieler, die wollen unbedingt in der Bundesliga kicken, es gibt aber auch Fußballer, die „die Alemannia im Herzen tragen und unabhängig von der Klasse weiter in Aachen spielen wollen“. Was die Zukunft für den Nachwuchs bringt, hängt aber auch von der Zukunft des Hauptvereins ab.

„Wir haben die Aufgabe“, sagt Oliver Heinrichs, „zu einem bestimmten Zeitpunkt Gewehr bei Fuß zu stehen.“ Damit meint der Trainer des Bezirksligisten SG Stolberg den Tag, an dem die Pflichtspiele in den einzelnen Ligen wieder angepfiffen werden. Mit der Unterbrechung der Saison hat der Coach seinen Kickern ein individuelles Trainingsprogramm an die Hand gegeben und sie ermutigt, alleine zu trainieren. Intervall- und Ausdauertraining ist angesagt, natürlich auch Kraftübungen und Athletiktraining: „Speziell in diesem Bereich kann man auch im Wohnzimmer im Zusammenspiel von Körpergewicht und Schwerkraft sehr viel machen. Da wissen die Jungs anschließend schon, welche Tortur das war“, sagt Heinrichs und schmunzelt.

Ob die Spieler sich auch an die Vorgaben halten, kontrolliert der Physiotherapeut nicht: „Ich glaube an das Gute im Menschen. Und abgesehen davon, dass sie sich für den Spielbetrieb fit halten: Es tut ja gut, sich draußen zu bewegen. Bewegung macht den Kopf frei – und das ist gerade in der heutigen Zeit sehr wichtig.“

In dieser Zeit steht für Heinrichs der Fußball nicht ganz oben auf der Liste der Prioritäten, sondern eher weiter hinten. Und so beteiligt er sich auch nicht an Gedankenspielen, wie und ob die Fußballsaison nach der Zwangspause zu Ende geführt wird: „Der Verband wird irgendwann eine Entscheidung treffen, für die er gute Gründe haben wird. Dann gilt es, aus dieser Situation das Beste zu machen.“ Wenn weiter gespielt wird, wird eben gespielt, wenn abgebrochen wird, müsse man auch diesen Beschluss akzeptieren. Allerdings glaubt Heinrichs auch: „Je länger die Pause dauert, umso wahrscheinlicher wird es, dass die Saison nicht zu Ende gespielt wird.“

Aufstieg wäre die Krönung

Vor eben dieser Saison hatte keiner beim Hambacher SV mit dem Platz an der Spitze der Kreisliga A gerechnet. Nun führt der kleine HSV, wie er im Fußballkreis Düren genannt wird, aber die Spitze souverän an. „Wir wussten, dass wir einen starken Kader haben. Aber dass wir Primus sind, hängt vor allem damit zusammen, dass wir, anders als in den vergangenen Spielzeiten, von Verletzungsproblemen verschont worden sind“, erklärt Teammanager Hans-Theo Görres. „Natürlich wäre der Aufstieg die Krönung, obwohl es aktuell wichtigere Themen gibt als Fußball“, sagt er. Die Spieler des Trainerduos Dirk Lehmann und Dirk Crumbach halten sich momentan eigenverantwortlich fit.

Unter Zeitdruck sieht Görres die Amateurfußballer nicht: „Wir haben nicht diesen Zeitdruck wie die Profis, wir können die Saison mit Englischen Wochen bis in den Juli hinein verlängern, müssen dabei die Zeiten für die Wechselfristen ändern.“ Aber: „Wenn es nicht so ist, dann ist eben nicht“, betont Görres. Denn: Es gibt aktuell Wichtigeres als Fußball.

Aufrufe: 024.3.2020, 06:00 Uhr
Franz Sistemich | AZ/ANAutor