2024-05-22T11:15:19.621Z

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Mittendrin in Mittelhessen-Highlights

SACHBUCH: +++ Nordstadt-Bolzplatz und Bunte LIga schaffen es in "111 Orte, die man in Mittelhessen gesehen haben muss" +++ Autor begeistert von Gießener Doppel-Idee +++

Als Tim Frühling vor einigen Jahren einen Krimi über einen Kommissar aus Bad Hersfeld schrieb, hätte er wohl nicht gedacht, dass er einige Jahre später in Mittelhessen unterwegs sein würde, um einen Reiseführer zu schreiben. Nachdem seinem Kölner Verlag die Krimis gut gefallen hatten, kam ihnen zuerst die Idee, Frühling passenderweise über Osthessen und die Rhön schreiben zu lassen.

Das Buch wurde erfolgreich verkauft und Frühling hatte den Gedanken, dies nun auch über Mittelhessen zu machen. Frühling: „Mir hatte die Arbeit in Osthessen Spaß gemacht und als ich recherchiert habe, welche Regionen es noch nicht gab, sah ich eben, dass Vogelsberg und Wetterau schon da waren, aber Mittelhessen mit den ganzen anderen Regionen, wie Gießen, Lahn-Dill-Kreis und Marburg-Biedenkopf fehlen." Dazu kam noch, dass er die Region sowieso sehr mochte.

Damit war das neue Projekt geboren.
Tim Frühling ist den meisten Menschen bekannt als Moderator im Radio bei HR 1 und ist im
HR-Fernsehen zu sehen, wenn es um die Wettervorhersage geht. Eine besonders große Aufgabe kam ihm im Jahre 2009 zu, als er als Krankheitsvertretung den deutschen Kommentar beim
Eurovision Song Contest in Moskau für Peter Urban übernehmen durfte.

Zurück nach Mittelhessen: Als es darum ging, geeignete Orte in der Region zu finden, bekam er von seinem Radiokollegen Jonas Schulte einen Hinweis. Dieser hat in Gießen studiert und war während seines Studiums aktiver Fußballer. Nämlich in der Bunten Liga Gießen im Team der Gießen Skyliners. Er hatte in diesem Zusammenhang einen ganz besonderen Tipp parat: Den Bolzplatz in der Ederstraße.
Der legendäre Platz in der Nordstadt, auf dem in den 70er- und 80er-Jahren schon Turniere wie der DKP-Friedenspokal 1986 stattfanden, steht für friedliches Zusammenleben von Generationen. Hier treffen sich sowohl Geflüchtete, die Spaß am Fußball haben, als auch die Anwohner – und jeden Sonntag die von Nordstadtmanager Lutz Perkitny angeführte Fußballgruppe. Aber eben auch nicht zuletzt die Bunte Liga.

Frühling war sehr angetan von dieser „Doppel“-Idee. Die Prinzipien der Liga, die auch als Aufnahmekriterien gelten, überzeugten ihn. Die Bunte Liga spricht sich klar gegen Rassismus, Sexismus, Antisemitismus und Homophobie aus. Der völkerverständigende Hintergrund gefiel ihm ebenso. Auch den Verlag musste Frühling nicht lange davon überzeugen. Nur die Tatsache, dass die Bunte Liga natürlich kein Ort ist, sondern der Ederstraßen-Bolzplatz der zu beschreibende Ort sein soll, mit der Idee der Bunten Liga als Hauptthema, musste dem Verlag erklärt werden. Doch durch die bereits beschriebenen historischen Hintergründe des Platzes, war der Verlag dann auch schnell überzeugt.

Um erste Informationen zu sammeln, traf sich der Autor an einem Sonntag im Mai 2018 mit Liga-Organisator Christian Diebel, um sich über den Platz, aber vor allem über die Bunte Liga zu informieren.
Jeder der 111 Orte hat im Buch eine DIN-A5-Seite plus einem dazugehöriges Bild.. Pro Text musste Frühling jedes Mal ca. zwei Stunden einplanen. „Die Schreibtischarbeit macht eigentlich am wenigsten Spaß. Das ist was ganz Anderes als wenn man unterwegs ist und die Fotos macht oder Informationen über die Orte sammelt.", erklärt er lachend. Dass die Mühe im Büro sich jedoch gelohnt hat, erkennt man an Diebels Komplimentl: „Tim hat es geschafft, die Bunte Liga so kennenzulernen, wie sie ist. Er beschreibt auf dieser einen Seite, die ihm zur Verfügung steht, das Ganze einfach perfekt und gibt eine absolut runde Erklärung ab."

Für die Fotos zeichnet sich Christine Frühling verantwortlich. Die Mutter des Autors ist gelernte Fotografin. Zum Fototermin erschienen viele Spieler der Bunten Liga aus verschiedenen Teams. Neben Ligaorganisator Diebel von den Skyliners waren auch Spieler von Lazio Koma und Darwin's Erben anwesend. Frühling beschreibt die Stimmung vor Ort als freundschaftlich und schildert im Interview einen interessanten Aspekt:
„Kennst du diesen psychologischen Effekt? Kaum ist in einer Gruppe von Männern nur eine einzige Frau anwesend, hat man das Gefühl, dass alle einfach nett sein müssen", erklärt er lachend in Bezug auf die „Frauenquote“ der Liga.


Er fügt hinzu, dass man in Gesprächen sehr schnell bemerkt habe, dass dies der Wahrheit entspreche, auch wenn manche Menschen sicherlich beim Anblick des Einen oder Anderen erstmal einen falschen Eindruck gewinnen könnten. Alle seien aber nette und offene Menschen gewesen. Nachdem sich der eine oder andere Beteiligte noch ein Autogramm sicherte, konnte die eigentliche Aktion beginnen.
Beim Shooting wurden 126 Fotos gemacht, aus denen Frühling vier bis fünf Fotos auswählte und dem Verlag zur Verfügung stellte. Dieser suchte dann letztlich das Foto aus, das nun auch im Buch zu finden ist. Zum Schluss stand noch die Recherche bzgl. Anfahrtsbeschreibung, Homepage usw. an. Und das natürlich wieder zu jedem einzelnen Ort.

Auf die Frage, warum Liga und Eder-Bolzplatz in sein Buch gehörten, antwortet der 43-jährige: „Hinter jedem Ort, der im Buch beschrieben ist, steht das Engagement von Einzelnen. Mir gefällt die Tatsache, dass jeder dieser Orte durch so einen alternativen Reiseführer kostenlose Werbung erhält. Dies gilt natürlich auch für die Bunte Liga und den Eder-Bolzplatz."

Der bereits erwähnte Nordstadtmanager Lutz Perkitny organisierte im Jahr 2017 mehrere Aktionen, die den Platz in der Ederstraße vor der Verschiebung durch die Stadt erfolgreich retten konnten. Dazu gehörte u.a.ein großes Fußballturnier vor Ort. Er sagt: "Kompliment an die Bunte Liga und jene, die diese Liga lenken. Klasse! So ist der Ederplatz nun auch in einem Buch verewigt. Danke aber vor allem auch an alle, die diesen Platz zu dem gemacht haben, was er heute ist. Legende!"

Das Buch heißt bekanntlich "111 Orte in Mittelhessen, die man gesehen haben muss". Warum man die Bunte Liga und den Kult-Bolzplatz in der Nordstadt gesehen haben muss, erklärt Frühling so: „Die Menschen kennen oftmals ein paar wenige Sehenswürdigkeiten im eigenen Ort, doch schon wenige Kilometer weiter kennen sie nichts mehr." Als Motto fügt er hinzu: „Lernt doch erstmal eure Heimat kennen." Sein Buch könnte auch für Studenten interessant sein. Bevor man eine Heimfahrt zur Familie macht, könne man in seinem Buch noch ein paar interessante Orte dort finden, wo man aufgrund des Studiums zwangsläufg wohnt. Womit wir wieder bei der Bunten Liga wären.

Frühling sagt: „Sport ist die einfachste und eine sehr niedrigschwellige Möglichkeit der Integration. In der Bunten Liga fragt niemand, wer ein Tor geschossen hat. Die Herkunft oder sonstiger Hintergrund sind völlig egal." Diese Integrationsmöglichkeit gilt aber nicht nur bei Ausländern. Auch Erstsemester, die neu in die Studentenstadt Gießen kommen, finden hier eine gute Integrationsmöglichkeit, weil sie vielleicht nichts mit den straffen Strukturen eines Vereins anfangen können. Frühling abschließend: „Das ist ein guter Grund, warum man das Ganze einfach gesehen haben muss."

Tim Frühling: 111 Orte in Mittelhessen, die man gesehen haben muss. Emons Verlag, 2019,

Seite 87 , Preis: 16.95 €

Untenstehendes Foto: Christine Frühling

Foto: Christine Frühling
Foto: Christine Frühling

Aufrufe: 01.4.2019, 16:56 Uhr
Christian DiebelAutor