2024-05-02T16:12:49.858Z

Interview
– Foto: Sascha Gernhardt

"Man will einfach mal wieder mit den Jungs in der Kabine rumblödeln"

Rico Steinhauer vermisst den Fußball. Zur Not würde er auch vorerst auf Zuschauer verzichten, obwohl diese Ihm einen auch einen großen Moment in seiner Laufbahn beschert haben.

Ein Interview von Marcel Peters - https://www.facebook.com/AmateurberichterstattungMarcelPeters/ - regelmäßig Berichte über Berliner und Brandenburger Amateurfußballer oder Vereine. Gesprächspartner: Rico Steinhauer

Rico, hast du dir das Duell FC Bayern München - Borussia Dortmund angeschaut?
Da ich am Wochenende in der Heimat bei meinen Eltern war und wir gegrillt haben, lief das Spiel nur nebenbei im Hintergrund. Ohne Zuschauer ist das auch alles nicht das gleiche und so ein Duell verdient definitiv ein ausverkauftes Stadion.


Hast du generell die Lust am Fußball schauen verloren?
Selbstverständlich schaue ich noch regelmäßig Fußball. Vor allem da man selbst seit Monaten weder spielen noch trainieren darf. Jedoch fehlt da doch einiges an Emotionen und Stimmung, was das Spiel halt eigentlich auch aus macht.


Hat der Profifußball sich auch ein wenig selber geschadet?
Es ist, wie gesagt, nicht das gleiche. Ob der Profifußball sich selbst geschadet hat oder nicht kann ich nicht beurteilen. Allerdings kenne ich viele, die das Geschehen nicht mehr so intensiv verfolgen


Wäre für dich Fußball ohne Zuschauer auch eine Option in der Oberliga Nord?
Aus egoistischer Sicht betrachtet auf jeden Fall. Seit November ruht der Ball und man will einfach mal wieder mit den Jungs in der Kabine rumblödeln und auf den Platz gehen Fußball spielen, rumschreien und eventuell auch grätschen. Jedoch würde dann auch in der Oberliga an jedem Spieltag was fehlen.


Würdest du dich dafür auch regelmäßig testen lassen oder hat der ganze Spaß auch irgendwo seine Grenzen?
Mit regelmäßigen Tests habe ich kein Problem, da ich ja in einer Kita arbeite und ein Kollege von uns mittlerweile extra geschult wurde, um uns Mitarbeiter regelmäßig testen zu können.


Was vermisst du am meisten am Amateurfußball? Sind es die sozialen Kontakte, der Fußball, die Zweikämpfe, die Emotionen?
Am meisten vermisse ich das Gemeinschaftsgefühl. Einfach zusammen sein. Da gehört natürlich auch dazu, dass man sich nach dem Spiel oder Training mal zusammensetzt, die Meinung sagt und das ein oder andere Bierchen trinkt.


Was zeichnet einen starken Verteidiger für dich aus?
Ein starker Verteidiger strahlt meiner Meinung nach extreme Ruhe aus, aber ist trotzdem hart im Zweikampf. Gutes Pass-, Kopfball- und Stellungsspiel sollte er auch besitzen. Und natürlich ständig einen Überblick übers komplette Geschehen haben um seine Mitspieler ordentlich zu coachen.


Jetzt nochmal zurück zum Spiel Bayern - Dortmund. Selbst wenn du es nur nebenbei verfolgst hast, wirst du die Diskussionen um den Zweikampf von Sane und Can mitbekommen haben. Als Defensivspezialist, wie bewertest du die Situation. Und denkst du generell, dass Schiedsrichter zu viel pfeifen?
Die Situation habe ich gesehen und die verschiedensten Meinungen dazu gehört. Foul oder nicht? Bayernbonus oder nicht? Ich habe viele Spiele gesehen, in denen ähnliche Zweikämpfe oder sogar weniger Kontakt gepfiffen wurde, aber auch Spiele in denen weitaus härtere Zweikämpfe nicht gepfiffen wurden. Meiner Meinung nach gibt es einfach zu viele unterschiedliche Entscheidungen und Auslegungen. Was für mich auch etwas nervig ist ist, dass die Linienrichter sich teilweise nicht trauen die Fahne zu heben, weil sie ja wissen, dass es eh nochmal geprüft wird falls ein Tor fällt. Aber was ist, wenn zum Beispiel eine klare Abseitsposition, die der Linienrichter nicht angezeigt hat, einen Eckball zur Folge hat? Und daraus fällt dann auf einmal ein Tor? Äußerst schwieriges Thema meiner Meinung nach.


Kommen wir nun zurück zum Amateurfußball. Vor der Saison hast du dich Blau-Weiß 90 angeschlossen. Wie kam es dazu?
Ich hatte einen Ausbildungsvertrag unterschrieben und wollte dementsprechend mit dem Fußball etwas runterfahren, bezogen auf den zeitlichen Aufwand. Durch Lothar Hamann kam dann der Kontakt zu Blau Weiß zustande und nachdem ich mit dem Trainerteam und dem Präsidenten super Gespräche hatte, entschied ich mich zu Blau Weiß 90 zu wechseln. Die Vorstellung vom Verein, das gesamte Drumherum und natürlich die Nähe zu meiner Wohnung in Tempelhof spielten der Entscheidung mit in die Karten.


Wie lief der Start - wurden deine Erwartungen erfüllt?
Leider hab ich mich im Testspiel verletzt was natürlich anders gedacht war. Aber ich wurde super in der Mannschaft aufgenommen. Das kurze Trainingslager in Lindow hat mir dann endgültig gezeigt, dass wir eine geile Truppe sind. Dazu zählen alle! Vom Präsidenten, übers Trainerteam bis hin zum Physio und unserem Zeugwart.


Was wäre ohne Corona noch drin gewesen?
Gute Frage. Das letzte Spiel vor der Zwangspause haben wir gewonnen und konnten das abrufen, was wir uns vorgenommen haben. Leider gab es davor immer wieder Spiele, in denen wir unser Potenzial und die Trainingsleistung nicht auf den Platz bekommen haben. Eventuell hätte man eine kleine Serie starten können, aber das sind natürlich alles nur Spekulationen.


Mit deinen 28 Jahren bist du einer der erfahrensten im Kader. Hast du dementsprechend, obwohl du Neuzugang warst, Verantwortung übernommen?
Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase habe ich natürlich versucht Verantwortung zu übernehmen, vorneweg zu gehen und den jungen Spielern im Team zu helfen. Allerdings wurde bereits in den ersten Gesprächen mit den Verantwortlichen deutlich, dass ich diese Rolle einnehmen soll.


Viele Jahre Regionalliga, jetzt „nur“ Oberliga. Wie groß war der Unterschied, nicht nur auf dem Platz?
Der größte Unterschied für mich ist es eigentlich nach einem Arbeitstag am Abend noch aufm Platz zu stehen und zu trainieren. natürlich war es gerade in der vergangenen Saison bei Altglienicke alles etwas intensiver und schneller, aber ich bin der Meinung, dass wir uns im laufe der Saison schon gut entwickelt haben und hoffe natürlich, dass die lange Pause uns jetzt nicht wieder zurückwirft.


Wäre die 3.Liga ein Traum mit der VSG gewesen?
Anfangs haben wir uns gesagt, dass wir die Welle so lange reiten, wie es geht. Als wir dann sogar Herbstmeister wurden haben wir gemerkt, dass da echt was gehen kann. Das wäre natürlich ein Wahnsinns Erlebnis gewesen. Wie es geendet ist, war sehr bitter und wir waren trotz der großartigen Saison natürlich super enttäuscht.


Immerhin wurde die Saison mit dem Pokalgewinn gekrönt - fühlst du dich als Gewinner, obwohl du nicht mehr dazugehört hast?
Da ich mit dem BFC zwei mal den Pokal gewinnen konnte weiß ich, wie sich so ein Pokalsieg anfühlt. Und ehrlich gesagt war es bei dem Pokalsieg der VSG nicht das gleiche Gefühl. Trotzdem habe ich mich natürlich mega für den Verein gefreut


Welchen sportlichen Erfolg strebst du mit Blau-Weiß 90 an?
Natürlich in erster Linie weiterhin unser Spiel und Auftreten zu verbessern. Sobald der Spielbetrieb wieder aufgenommen werden sollte, wollen wir natürlich noch ein paar Plätze nach oben klettern. Und eine Überraschung im Pokal wäre selbstverständlich auch was feines.


Würdest du auch, wenn es passt, nochmal Regionalliga spielen wollen?
Man sollte niemals nie sagen. Allerdings liegt mein Fokus aktuell hauptsächlich auf meiner Ausbildung.


Neben den beiden Erfolgen im Pokal mit dem BFC. Welche Momente, spiele, Erinnerungen sind dir im Gedächtnis geblieben?
Mein erstes Regionalligaspiel mit Energie Cottbus II gegen RB Leipzig und das Spiel mit dem BFC in der Alten Försterei fallen mir da direkt ein. Da war eine super Stimmung. Unsere Trainingslager mit der VSG in Spanien fallen mir direkt noch ein und natürlich das Torwandschießen gegen Joshua Kimmich. Ein Highlight nach jeder Saison ist natürlich auch die Fahrt bzw. der Flug nach Mallorca.


Torwandschießen gegen Kimmich - wie kam es dazu?
Wir hatten mit dem BFC ein Testspiel in Klosterfelde. Da habe ich ein recht sehenswertes Tor geschossen und dieses wurde zufällig von Fupa aufgenommen. Anschließend gab es ein Voting zum Hartplatzheld der Woche und durch die Fanbase vom BFC konnte ich dieses gewinnen. Dadurch durfte ich dann nach Mainz reisen.


Hattest du lange Zeit gehofft und geglaubt Profi zu werden?
Natürlich hat man immer mit einem Augen nach oben geschielt und gehofft. Aber irgendwann kommt dann natürlich der Punkt an dem man sich selbst eingestehen sollte, dass es nicht reicht. Was an sich definitiv nichts schlimmes. Es gibt weitaus wichtigeres als Fußball und es öffnen sich neue Türen.

Aufrufe: 010.3.2021, 12:14 Uhr
FuPa Berlin / mpAutor