2024-05-02T16:12:49.858Z

Allgemeines

Keisuke Ishibashi ist ein Teamplayer

Der 26-jährige Torhüter aus Japan wird wohl auch am Mittwoch im Spiel des Regionalligisten SV Straelen bei Preußen Münster nur auf der Bank sitzen. Seinen Optimismus hat er aber noch nicht verloren.

Löcher in der Strumpfhose, eine gewaltige Sprungkraft und Gelenke wie aus Gummi – das sind einige der Markenzeichen von Keisuke Ishibashi, Keeper beim Fußball-Regionalligisten SV Straelen. „Ich glaube nicht“, sagt SVS-Trainer Benedict Weeks, „dass jemand in der Mannschaft beweglicher ist als unser Ersatztorwart.

Und die fehlende Körpergröße macht er durch seine enorme Sprungkraft wett.“ Seit Beginn der Saison ist der 26-jährige Ishibashi die Nummer zwei hinter Stammtorwart Robin Udegbe und hat bisher in Pflichtspielen noch keine Minute zwischen den Pfosten gestanden. Das wird sich auch am heutigen Mittwoch, 19.30 Uhr, wohl nicht ändern, wenn der Aufsteiger SV Straelen das Nachholspiel bei Preußen Krefeld bestreitet. „Keisuke Ishibashi ist ein echter Teamplayer, hängt sich bei jedem Training voll rein und zeigt seine Fähigkeiten. Ich hätte keine Bedenken, wenn er Robin Udegbe einmal vertreten müssten“, sagt Benedict Weeks.

Keisuke „Kesy“ Ishibashi wuchs in der Mega-City Tokio auf und zog, als er sechs Jahre alt war, mit seinen Eltern und dem älteren Bruder in die Präfektur Yamanashi, etwa 120 Kilometer westlich der japanischen Hauptstadt. Zunächst begann er im Fußball als Feldspieler. Doch als auf einmal ein Keeper fehlte, wurde er im Alter von zehn Jahren von seinen Mitspielern ausgeguckt, ins Tor zu gehen. Bis zu seinem 18. Lebensjahr genoss er die Torwart-Ausbildung in der Fußballschule seines Heimatvereins Fortuna SC Yamanashi. Parallel dazu macht er seinen Abschluss auf der Hochschule.

Doch dann hatte der junge Mann die Nase voll von Schule und Fußball – er wollte einfach nur so leben, wie die meisten Teenager in seinem Alter auch: Feiern, in die Disco gehen, ein Bier trinken. Ishibashi schlug sich zwei Jahre mit Gelegenheitsjobs durch. Er wohnte zu Hause bei seinen Eltern, denen sein Lebensstil ganz und gar nicht gefiel. Ishibashi war 20 Jahre alt, als es zwei Schicksalsschläge für ihn gab. Zum einen setzten ihn seine Eltern vor die Tür, zum anderen verstarb an einem Weihnachtstag sein bester Freund. Diese Umstände leiteten einen Prozess in seinem Kopf ein. „Ich wollte und musste mein Leben bei Null neu beginnen“, sagt er heute.

Keisuke Ishibashi fasste einen Entschluss: Er wollte nach Deutschland. Das Land kannte er, weil er als 15-Jähriger mit seiner Mannschaft dort auf Tournee war. „Deutschland hat die besten Torhüter der Welt, da wollte ich hin“, sagt er. Mit etwa 3000 Euro im Portemonnaie machte er sich auf den Weg ins Ungewisse. Kontakte hatte er keine in Deutschland, fand diese aber schnell bei den 6500 in Düsseldorf lebenden Japanern. Im Sommer 2015 stellte es sich beim Bezirksligisten SG Kaarst vor. Seine Leistungen waren für die erste Mannschaft zu schlecht, außerdem sei er zu dick gewesen. Also bereitete er sich mit dem zweiten Team auf die Kreisliga-Saison vor. Schnell wurde Ishibashi besser, nahm Gewicht ab und wurde schließlich Stammtorwart in der Bezirksliga.

Es folgten einige Umzüge und Vereinswechsel im Städtedreieck Düsseldorf-Krefeld-Duisburg, bis ihn der Sportliche Leiter Kato Sürün 2017 zum SV Straelen holte. In 18 Spielen stand er in der Oberliga zwischen den Pfosten und trug als zuverlässiger Schlussmann zum Aufstieg in die Regionalliga bei. In der Vierten Liga kam er auf acht Einsätze. Und so ganz nebenbei erzielte er in der Kreisliga A als Feldspieler der zweiten Mannschaft beim deutlichen Sieg gegen Siegfried Materborn drei Treffer in 24 Minuten und schnellte mit zwei zusätzlichen Torvorlagen hoch in der Scorer-Liste.

Am Ende der Saison 2018/2019 stieg der SV Straelen aus der Regionalliga ab, der Vertrag des Japaners wurde nicht verlängert. Während der folgenden Spielzeit holte ihn sein Ex-Trainer Marcus John zum Ligakonkurrenten SSVg Velbert in die Oberliga. Im darauffolgenden Jahr kehrte Ishibaski wieder an die Römerstraße zurück. „Egal, bei welchem Verein ich war, immer war ich zuerst nur Ersatztorwart, aber dann Stammtorwart“, sagt Ishibashi. „Ich bleibe optimistisch. Vielleicht bekomme ich ja dieses Jahr noch die Gelegenheit, mich zu beweisen. Denn ist noch nie eine Option für mich gewesen, einfach aufzugeben.“

Keisuke Ishibashi ist seit drei Jahren mit einer Deutsch-Japanerin liiert und wohnt in Düsseldorf. Von dort aus vertreibt er als Mitarbeiter eines Online-Handels Torwarthandschuhe für den asiatischen Markt. Dass sein Stammplatz beim SV Strae­len in dieser Saison bislang die Ersatzbank war, sieht er gelassen. So sei der Fußball eben. Aber Ishibashi kann dieser Zeit auch was Positives abgewinnen: „So gut wie in dieser Saison habe ich noch nie trainiert. Da muss ich unserem Torwart-Trainer Manni Gloger ein dickes Kompliment aussprechen. Ich habe sehr viel bei ihm gelernt.“

Und wie stellt er sich die nächsten Jahre vor? Auf jeden Fall möchte er als Torwart weiter in der Regionalliga spielen und danach seine Karriere als Feldspieler ausklingen lassen. Eine Rückkehr nach Japan hält er für wahrscheinlich. Zum Abschluss des Gesprächs antwortet er auf die Frage zu seiner mit Löchern zersetzten Strumpfhose: „Da spielt ein bisschen der Aberglaube mit. Aber wenn der Lockdown zu Ende ist, werde ich mich mal um eine neue Hose kümmern.“

Aufrufe: 030.3.2021, 21:00 Uhr
RP / Heinz SpützAutor