Ein Wort und manchmal nur ein Blick von Karali genügen, dann stehen sie schwerfällig auf, die Schienbeinschoner in der Hand, und laufen ihm hinterher, wie ein Schwarm Mauersegler hinter dem Führungstier. Karali sticht vorneweg mit zehn, fünfzehn Metern Abstand, und hält Kurs in Richtung Schatten. Entweder der Trainer ist sauer oder aber ihm ist heiß. Oder beides. Immerhin musste er gerade 90 Minuten in der prallen Sonne auf einer Bierbank sitzen — Schatten gibt es auf diesem städtischen Sportplatz nur hinter dem Gästetor. Und wer da saß von den gut 200 Zuschauern, der wurde bald von einem Ordner verscheucht: „Der Schiedsrichter verlangt das so“.
In Karalis Tross folgt als erster der neue Sportvorsitzende Dieter Rebel mit kleinen Schritten, der Schweiß steht ihm auf der Stirn, die Haare stehen etwas wirr in die Luft. Dann kommt die Mannschaft, im Kollektiv.
Es ist ein symbolisches Bild, genau so möchte es Turgay Karali jetzt wieder haben bei Dergahspor: Er vorneweg, dann lange nichts, und dann die Mannschaft, als verschworener Haufen. „Wenn wir alle hundert Prozent geben, dann können wir es schaffen“, sagt Karali und meint den Klassenverbleib. Leise Töne für einen Klub, der vergangenes Jahr den Aufstieg als Ziel ausgegeben hatte. Zur Winterpause war Karali auf einmal weg. Und keiner wusste so recht warum.
„Als ich gegangen bin, da war alles noch sehr ordentlich“, sagt der 39-Jährige später im Schatten der Bäume. Jetzt sei er wieder zurück „und alles ist aus der Ordnung geraten“. Was der Trainer damit genau meint, erklärt Dieter Rebel gern. Unter Karalis Nachfolger Emre Chamza hätte sich die Mannschaft in zwei Gruppen gespalten, die Disziplin, Karalis Markenzeichen und gleichzeitig der Schlüssel des Erfolges von Dergahspor, ging verloren. Nur noch acht Spieler kamen ins Training. Wenn man so will, wurde der Geist Dergahspors verraten.
Turgay Karali hat gewusst, worauf er sich bei seiner Rückkehr einlässt. Er hat es trotzdem gemacht, er hängt wohl zu sehr an diesem Verein, als dass er tatenlos zusehen kann, wie alles drohte den Bach herunterzugehen. „Die Jungs, die da sind“, sagt er, „die sind in Ordnung. Da arbeite ich lieber mit ihnen zusammen als mit lauter selbst ernannten Stars.“
Die, zum Teil für teures Geld geholt, lassen sich seit Wochen nicht mehr blicken. „Sie sind untergetaucht“, sagt Karali über Torjäger Akin Bölük, Christoph Pfahler und Edisan Berisha. Anrufe des Trainers blieben unbeantwortet, SMS ebenso.
Auch Rebel hat den Dreien auf die Mailbox gesprochen, „zwei-, dreimal. Dann war mir das zu kindisch“. Nach dem Testspiel gegen den TSV Buch, bei dem Pfahler und Berisha mitspielten und Bölük Runden um den Sportplatz drehte, sei der Kontakt abgerissen. „Es kam noch eine SMS, in der sich alle krank gemeldet haben.“ Bölük zum Beispiel, berichtet Rebel, habe allen Ernstes behauptet, er leide unter einem Bienenstich. Rebel findet es „schade“, sieht es aber offenbar auch als persönliche Beleidigung: „Die Verträge, die noch zwei Jahre laufen, haben die schön bei uns abzusitzen.“
Das mag die Spieler ärgern, nicht aber Dergahspor voranbringen. „Die drei bringen unsere Planungen durcheinander“, sagt Turgay Karali. Beim Samstagsspiel gegen Quelle Fürth standen ihm nur zwölf Mann zur Verfügung, aus der Reserve und der Jugend möchte er niemanden hochziehen — „die spielen ja in der untersten Klasse.“ 1:4 unterlag Dergahspor, das gut begonnen hatte. Doch nach der Führung von Tolga Özkan (20.) passierten haarsträubende Fehler in der Abwehr, die die aggressiveren Fürther eiskalt ausnutzten. Nach 36 Minuten stand es 1:2, nach 75 1:4. Das war der Moment, in dem Karali seinen Jungs zurief, ihre Kräfte zu sparen. „Was soll ich machen? Wir haben schließlich am Mittwoch ein Spiel.“
Um das Problem zu lösen, schickt der Trainer jetzt Dieter Rebel noch einmal zum Einkaufen, der shoppt ja, das weiß man aus seiner Zeit bei 73 Süd, leidenschaftlich gerne. Drei Spieler hat er auf dem Einkaufszettel, „einen Stürmer, einen Außenspieler und einen Spielmacher“.
Die Mannschaft ist mit Turgay Karali längst in die Kabine verschwunden, als Dieter Rebel noch immer im Schatten spricht. Er erzählt von Quelle-Trainer Thomas Adler, der unter ihm schon in der Bundeswehr-Auswahl gespielt hätte, oder dem Türkisch-Deutschen Sommerfest, das Rebel für Dergahspor organisiert hatte, „ein Riesenandrang, die Polizei hat zeitweise sogar die Tore schließen müssen“.
Ob er denn schon jemanden wisse, der so plötzlich bereit ist, zu Dergah zu wechseln und obendrein eine Verstärkung wäre? „Moment“, sagt Rebel und nestelt den Spielberichtsbogen aus seiner Hosentasche. Er fährt mit dem Zeigefinger über die Aufstellung der Gästespieler: „Der Neuner, der Sechzehner, der Siebener und der Zehner“, sagt er. Die wolle er jetzt mal ansprechen.