2024-05-29T12:18:09.228Z

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Fand ihr Glück im Ausland: Julia Simic, die inzwischen beim AC Mailand spielt.
Fand ihr Glück im Ausland: Julia Simic, die inzwischen beim AC Mailand spielt. – Foto: Imago

Julia Simic: „Es muss weiterhin in die Liga investiert werden“

Die Spielerin des AC Mailand übt Kritk am DFB

Julia Simic wechselte vom FC Bayern München zuerst zu West Ham United und anschließend zum AC Mailand. Die 31-Jährige übt Kritik an der überholten deutschen Frauen-Bundesliga.

München – Julia Simic (31) ist Deutsche Meisterin, DFB-Pokalsiegerin, sie war Nationalspielerin. Doch erst mit 29 Jahren erlebte sie eine komplett professionelle Frauenfußballliga. Das FA-Women’s-Cup-Finale zwischen Manchester City und West Ham United war einer der größten Tage ihrer Karriere. In diesem Moment wusste sie: Der Wechsel nach England war die beste Entscheidung. Noch heute bekommt Simic Gänsehaut, wenn sie davon erzählt: „Schon der Weg durch den Tunnel ins Stadion löst Bauchkribbeln aus. Raus ins Wembley-Stadion mit 48 000 Zuschauern. Der Blick auf die Zuschauerränge, während die West-Ham-Hymne erklingt. Dazu das Feuerwerk. Das kenne ich sonst nur aus der NBA.“

Julia Simic: Bauchkribbeln im Wembley-Stadion

2018 wechselte Julia Simic nach Stationen beim FC Bayern München (2005 bis 2013), Turbine Potsdam, VfL Wolfsburg und SC Freiburg nach England zu West Ham United. „Nach 13 Jahren in Deutschland hat mich das Ausland gereizt. In den letzten Jahren haben die anderen europäischen Länder extrem aufgeholt, die englische Liga hat die deutsche mittlerweile überholt. Der Aufschwung ist der Wahnsinn.“ Noch vor zehn Jahren wäre der Wechsel einer Bundesliga-Spielerin ins Ausland unvorstellbar gewesen. Heute zieht es die Top-Spielerinnen nach England und Frankreich. Pauline Bremer ging 2015 zu Olympique Lyon. Sara Däbritz wechselte 2019 zu Paris-Saint Germain. Melanie Leupolz, Kapitänin beim FC Bayern, ging 2020 zu Chelsea.

In der Women’s Soccer League warten auf Spielerinnen Ruhm und Fans. Beim FA-Cup-Finale 2019 zwischen Manchester City und West Ham kamen 48 000 Fans ins Stadion, mehr als 2,2 Millionen verfolgten das Spiel live über die Bildschirme. Das DFB-Pokalfinale 2019 zwischen dem VfL Wolfsburg und dem SC Freiburg in Köln sahen rund 17 000 Zuschauer. Vor dem Fernseher waren es rund drei Millionen.

Die Situation in Deutschland allein mit mangelndem Zuschauerinteresse zu erklären, wäre zu einfach. Das Problem beginnt bei den Profi-Clubs: Nur 17 der 56 Profivereine haben eine professionelle Frauenmannschaft. In England investiert jeder Klub der ersten und zweiten Liga Geld in eine ernstzunehmende Frauenabteilung.

Julia Simic: „In England nehmen die meisten Männer-Profi-Vereine die eigene Frauenmannschaft sehr ernst“

„Noch hat der DFB alle Möglichkeiten in der Hand. Um den Frauenfußball längerfristig professionell gestalten zu können, muss sich der DFB positionieren, wie es weitergehen soll“, sagt Tobias Bracht. Der 32-Jährige kümmert sich um die strategische Beratung der Frauen-Bundesligaclubs. Bracht hat alle Wünsche der Vereine gesammelt und sie dem DFB vorgelegt. Die Baustellen, die der Frauenfußball schnellstmöglich angehen müsse, sind seiner Meinung nach: die Übertragungsrechte der Spiele und die Infrastruktur der Frauen-Teams. Selbst in der Regionalliga erhalten gehobene Amateurkicker oft bessere Möglichkeiten als weibliche Profis. In England können Fans alle Frauen-Spiele kostenlos live sehen. In Deutschland laufen nur die Top-Spiele der Frauen auf dem Bezahlkanal MagentaSport.

In Sachen Infrastruktur stehen den Spielerinnen in England Top-Bedingungen zur Verfügung. Selbst bei Absteigern der ersten Liga fehlt es den Kickerinnen an kaum etwas, erzählt Julia Simic. Von der Sauna über die Behandlungs-Räume, die Rasenbeheizung bis hin zur Kantine und den Fitness-Studios ist alles auf dem neusten Stand. „Beim SC Freiburg mussten wir im Winter oft bis in die Schweiz fahren, weil wir nicht auf dem beheizten Rasen der Männer trainieren durften.“

Auch die Arbeit neben dem Platz ist im Ausland auf einem höheren Niveau: „In Deutschland sind oft nur die Trainer und Torwarttrainer festangestellt. In England arbeiten dagegen auch die Physio-Therapeuten und Video-Analysten in Vollzeit. Das bietet dir ganz neue Möglichkeiten und stärkt den Zusammenhalt“, erklärt Julia Simic. „In England nehmen die meisten Männer-Profi-Vereine die eigene Frauenmannschaft sehr ernst.“

Melanie Behringer: „Die Frauen brauchen die Männer einfach. Sie sind mit dem Geld hinten dran“

In Deutschland dienen die Frauenteams oft nur der Imageverbesserung oder werden als nebensächlich angesehen. Simic’ Prognose lautet: „Aktuell können Wolfsburg und Bayern noch jedes Team der Women’s Soccer League schlagen. Aber auch hier ist es absehbar, dass das Leistungsniveau in England weiter steigt und die Top-Teams in Deutschland überholt werden.“

Melanie Behringer, Weltmeisterin von 2007 und ehemalige Kapitänin des FC Bayern München, hofft auf mehr Unterstützung der Bundesligisten. Die Vereine müssen Geld investieren und ihre Reichweite einsetzen, um für den Frauenfußball zu trommeln: „Die Frauen brauchen die Männer einfach. Sie sind mit dem Geld hinten dran.“ Es gibt ernstzunehmende Signale von deutschen Clubs, wie Behringer andeutet: „Mit Sydney Lohmann konnte der FC Bayern eine Spielerin binden, die mit 20 Jahren eine der Besten ist. Für mich wird sie das Aushängeschild beim DFB. Das ist ein wichtiges Zeichen, dass solche Spielerinnen in Deutschland gehalten werden können.“

Julia Simic: „Es muss weiterhin in die Liga investiert werden, um diese professioneller zu gestalten“

Julia Simic fordert, dass alle Spielerinnen der deutschen Liga Profis sein sollten: „Es muss weiterhin in die Liga investiert werden, um diese professioneller zu gestalten.“ Anders als bei den deutschen Top-Teams üben Spielerinnen der anderen Mannschaften neben dem Fußball oft noch einen Hauptberuf aus. „Die Konzentration auf den Fußball fehlt. Für mehr Ansehen und Qualität muss der Fußball für alle Frauen-Bundesligaprofis zum Hauptberuf werden.“

Doch Simic will mehr als Geld und Reichweite. Die Spielerinnen sollten und dürften Anerkennung und Geld einfordern, da sie sich den Respekt hart erarbeitet hätten. „Mein Appell ist: Nehmt es selbst in die Hand!“ Laut Simic sollten noch viel mehr Frauen die sozialen Netzwerke nutzen, damit die eigene Players-Voice gehört wird. Die 31-Jährige fordert ein Umdenken: Mitgestalten statt mitlaufen.

(Johanna Grimm)

Aufrufe: 017.4.2021, 13:41 Uhr
Münchner Merkur / tz / Redaktion Münchner MerkurAutor